„Chemiefreier Kalkschutz könnte zukünftig Standardlösung sein“

Interview mit zwei Ingenieurbüros zur Planung für Kalkschutzmaßnahmen

Zwei Planungsbüros, ein Gesprächsthema: Kalkschutz in Hartwassergebieten. Die TGA Solutions PLUS GmbH aus Mülheim an der Ruhr und das Winter Ingenieurbüro für Gebäudetechnik aus Arnsberg und Köln sind erfahrene TGA-Dienstleistungsunternehmen, die seit vielen Jahren chemiefreie Kalkschutztechnik als Alternative zu Enthärtungsanlagen im Leistungsverzeichnis empfehlen. Im Gespräch tauschen sich die Projektleiter Florian Hänel (TGA Solutions Plus) und Dirk Mairath (Winter Ingenieurbüro für Gebäudetechnik) über Anwendungsbereiche, regulative Vorgaben und die Zukunft der TGA-Planung aus.

tab: Herr Hänel, Herr Mairath – beschreiben Sie bitte kurz Ihr Leistungsspektrum und die TGA-Bereiche, in denen Sie tätig sind.

Florian Hänel: Wir bilden das komplette Leistungsspektrum der HOAI LP 1 bis 9 in den Gewerken Sanitär, Heizung, Lüftung, Kälte & Elektrotechnik ab. Hauptsächlich sind wir im Wohnungsbau unterwegs, planen aber auch Bürogebäude, Kitas oder Schulen.

Dirk Mairath: Unser Leistungsspektrum konzentriert sich auf die Planung, Beratung und Umsetzung von technischen Systemen in Gebäuden. Das beinhaltet im Bereich Sanitärtechnik effiziente Wasserversorgungssysteme und die Abwasserentsorgung, einschließlich der Installation von Sanitäranlagen. Unsere Auftraggeber kommen aus verschiedenen Bereichen der Bauwirtschaft, darunter Wohnungsbau, Gewerbebau und öffentliche Einrichtungen.

tab: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, trinkwasserseitig Kalkschutzmaßnahmen zu berücksichtigen?

Florian Hänel: Geltende Regelwerke wie die DIN 1988-200 sind die erste Entscheidungsgrundlage für Kalkschutzmaßnahmen. Parallel sind technische Kriterien maßgeblich, um beispielsweise die Langlebigkeit von Wärmeübertragern bei einer Gebäudeinfrastruktur mit Wohnungsstationen zu steigern.

Dirk Mairath: Die Entscheidung, ab wann eine Kalkschutzmaßnahme zu treffen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Härte des Wassers und den speziellen Wünschen des Bauherrn. In Hartwasser-Regionen ist es auch gesetzlich vorgeschrieben, um Schäden an Rohrleitungen und Haushaltsgeräten zu vermeiden. Ab einer Wasserhärte von 14° dH – das entspricht ca. 2,5 mmol/l – empfehlen wir Bauherrn, zu enthärten oder zu stabilisieren, um den Werterhalt der Trinkwasserinstallationen und von Haushaltsgeräten sicherzustellen. Wird keine Kalkschutzmaßnahme eingeplant, kann Kalk zu einem höheren Wartungsaufwand und einem steigenden Energieverbrauch führen. Bei empfindlicher Haut oder bei Hautkrankheiten, die durch hartes Wasser verschärft werden könnten, können Wasserenthärtungsanlagen sinnvoll sein. Für die Stabilisierung der Härtebildner nach DIN 1988-200 sind für uns ‚natürliche‘ Kalkschutzsysteme die erste Wahl. Gemeint ist damit eine physikalische Methode zur Modifikation der Wasserhärte, ohne dass dem Wasser Chemikalien zugeführt werden. Die Technologie, hier z. B. von Watercryst, basiert auf einem Konditionierungsverfahren, das den Kalk in eine Form umwandelt, sodass er sich nicht absetzt.

tab: Stichwort „Trinkwasserhygiene in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden“. Welche Vorteile bieten Kalkschutzmaßnahmen Ihrer Erfahrung nach diesbezüglich?

Dirk Mairath: Kalkablagerungen können die Rohre verengen, das führt zu einer reduzierten Wasserzirkulation. In extremen Fällen wird das Rohr vollständig blockiert, Stagnation ist die Folge. Beides kann die Wasserqualität beeinträchtigen. In den Kalkablagerungen können sich aber auch Mikroorganismen wie Bakterien oder Algen ansiedeln, die sich in den Rissen und Poren vermehren. Besonders bei längeren Stillständen, was häufig in öffentlichen Gebäuden der Fall ist, kann die Wasserhygiene durch Kalk somit gefährdet sein und zu einem ernstzunehmenden Problem werden.

tab: Sofern eine Kalkschutzmaßnahme im Leistungsverzeichnis enthalten ist, nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welcher Verfahrensweg empfohlen wird?

Florian Hänel: Da wir hauptsächlich im Wohnungsbau tätig sind, geht unsere klare Empfehlung dahin, Härtebildner chemiefrei zu stabilisieren, damit die Mieter bzw. Eigentümer ohne Bedenken weiterhin Baybnahrung mit dem Leitungswasser zubereiten können. Aber auch beim geplanten Einbau von „Quookern“ empfehlen wir chemiefreie Verfahren. Oft werden die Bauherren oder im weiteren Verlauf die Mieter und Eigentümer gar nicht darüber informiert bzw. aufgeklärt, dass die Härte mittels Salz reduziert wird. Der Gesetzgeber schreibt dies aber über die Informationspflichten der Trinkwasserverordnung rechtverbindlich vor.

Dirk Mairath: Wasserhärte, Kosten, Umweltaspekte und die Wasserqualität sind wesentliche Faktoren bei der Auswahl des Verfahrensweges. Auf Grundlage der Wasseranalyse besprechen wir mit dem Auftraggeber zuerst, was er von der Kalkschutzanlage erwartet. In stark hartem Wasser kann die chemiefreie Stabilisierung der Härtebildner sinnvoller sein, während in weniger harten Gebieten die Reduzierung der Härte eine geeignete Option darstellen kann. Bei den Kosten berücksichtigen wir Installation, ­Betrieb und Wartung bei der Kalkulation, und natürlich, nach welchem Zeitraum sich die Investitionssumme amortisiert hat. Öffentliche Bauträger favorisieren oftmals chemiefreie Methoden, die umweltfreundlicher sind. Die gewünschte Wasserqualität, also dass z. B. keine chemischen Zusätze im Trinkwasser sind, und die spezifischen Anforderungen an die Trinkwasserhygiene, sind ebenfalls wichtige Faktoren.

tab: Welche Vorteile bringen chemiefreie Verfahren im späteren Betrieb?

Florian Hänel: Es ist ein wirtschaftlicherer Betrieb der Anlage möglich, weil kein Hausmeister oder technisches Personal benötigt wird, wie das bei klassischen Enthärtungsanlagen erforderlich ist, um regelmäßig Salz nachzufüllen und zu bestellen. „Biocat“-Anlagen haben beispielsweise auch einen geringeren Platzbedarf, wodurch Fläche im Technikraum eingespart wird. Außerdem ist keine Lagerung für das Salz notwendig, was immer aus hygienischer Perspektive größtmögliche Sorgfalt erfordert. Stichwort: Mikrobiologischer Eintrag von außen in das geschlossene Trinkwassersystem.

Dirk Mairath: Insgesamt ­tragen unserer Meinung nach ­chemiefreie Verfahren dazu bei, eine nachhaltigere und sicherere Arbeits- oder Wohnumgebung zu schaffen. Die Verwendung chemiefreier Techniken minimiert grundsätzlich mögliche Gesundheitsrisiken für Personal und Anwohner, nicht nur im Bereich Trinkwasserinstallation. Auch der Nachhaltigkeitsaspekt ist für Auftraggeber und uns als Ingenieurbüro zunehmend von Bedeutung, also wie umweltfreundlich oder ressourcenschonend ist ein Verfahren? In der Planung bieten uns chemiefreie Verfahren viel Flexibilität, weil sie weniger von spezifischen chemischen Reaktionen innerhalb der Trinkwasserinstallation abhängen und somit leicht in einen bestehenden Gebäudebestand integriert werden können. Bei den Anfangsinvestitionen ist chemiefreier Kalkschutz möglicherweise etwas höher, aufgrund der geringen Betriebskosten sind aber langfristige Kosteneinsparungen zu erwarten.

tab: Die letzte Neufassung der Trinkwasserverordnung hat die Vorgaben hinsichtlich der Kontaktmaterialien mit Trinkwasser sowie Melde- und Dokumentationspflichten zu Aufbereitungsstoffen deutlich verschärft. Inwieweit können Sie Ihrem Auftraggeber diesbezüglich chemiefreien Kalkschutz nahe legen?

Florian Hänel: Der klare Vorteil ist, dass bei chemiefreien Verfahren die Wasserqualität nicht verändert wird und keine ­Zusätze in das Trinkwasser gelangen. Das entbindet Betreiber von Wasserversorgungsanlagen praktischer Weise von einer ganzen Reihe an Informationspflichten und Dokumentationsaufwand. Wir erleben in unserer Beratungspraxis auch immer wieder, dass viele Auftraggeber gar nicht wissen, dass sich bei einer Enthärtung der Natriumgehalt im Trinkwasser erhöht, und deshalb die Zubereitung von Babynahrung bspw. nicht empfohlen wird.

Dirk Mairath: Chemiefreie Verfahren sind oft besser geeignet, um die strengen Anforderungen der Trinkwasserverordnung zu erfüllen, da sie keine chemischen Zusätze verwenden, die möglicherweise nicht konform sind. Das reduziert das Risiko von Verstößen und möglichen rechtlichen Konsequenzen. Die gesamte Dokumentation erweist sich bei chemiefreien Verfahren als deutlich einfacher und transparenter, da weniger komplexe chemische Prozesse beteiligt sind. Insgesamt können wir dem Auftraggeber chemiefreien Kalkschutz als eine sichere, nachhaltige und regelkonforme Lösung empfehlen, die den neuen Anforderungen der Trinkwasserverordnung gerecht wird.

tab: Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wo steht die TGA-Planung voraussichtlich im Jahr 2035, in Bezug auf Kalkschutzmaßnahmen in Hartwassergebieten?

Florian Hänel: Der Schutz des Trinkwassers und damit auch der Gesundheits- und Verbraucherschutz werden weiter verschärft und auf europäischer Ebene zunehmend harmonisiert werden. Denkbar ist durchaus, dass zukünftig keinerlei Zusatzstoffe mehr ins Trinkwasser eingebracht werden dürfen und chemiefreie Kalkschutztechnik der Standard sein wird, wahrscheinlich aber noch nicht im Jahr 2035.

Dirk Mairath: Verfahren wie chemiefreie Kalkschutztechniken könnten weit verbreitet sein und als Standardlösung in der Planung gelten. Die TGA-Planung wird zunehmend digitalisiert sein, mit intelligenten Systemen, die in der Lage sind, Wasserhärte in Echtzeit zu überwachen und automatisch geeignete Kalkschutzmaßnahmen zu aktivieren. Dies könnte die Effizienz und Effektivität der Maßnahmen erheblich steigern. Die Nachhaltigkeit wird ein zentrales Thema in der TGA-Planung sein. Kalkschutzmaßnahmen werden nicht nur hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, sondern auch nach ihren ökologischen Auswirkungen bewertet. Chemiefreie und ressourcenschonende Verfahren werden bevorzugt, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Angesichts der zunehmenden Sensibilisierung für Umwelt- und Gesundheitsfragen könnten die regulatorischen Anforderungen an Kalkschutzmaßnahmen strenger werden, Planer für TGA werden vielleicht verpflichtet sein, nachhaltige Lösungen zu integrieren. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen, wie Ingenieuren, Chemikern und Umweltexperten, wird zunehmen, um ganzheitliche Lösungen für Kalkschutzmaßnahmen zu entwickeln. Dies könnte zu einer besseren Integration von Kalkschutz in die gesamte Gebäudetechnik führen.


Kontakt zu den Unternehmen:

Watercryst Wassertechnik GmbH: www.watercryst.com

WINTER Ingenieurbüro für Gebäudetechnik: www.winter-gebaeudetechnik.de

TGA Solutions plus GmbH: www.tga-solutions-plus.de

Informationen zu den Planungsbüros für TGA

TGA Solutions Plus
Unternehmenssitz: 45478 Mülheim a.d.R.
Gründungsjahr: 2019
Beschäftigte: 11
www.tga-solutions-plus.de

Winter Ingenieurbüro
Unternehmenssitz: 50937 Köln und 59821 Arnsberg
Gründungsjahr: 2005
Beschäftigte: 6
www.winter-gebaeudetechnik.de

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