Gebäudeautomation für exaktes Klima und hohen Sicherheitsfaktor
Klimaregelung im Museum Humboldt Forum
So spannungsgeladen und kontrastreich sein Äußeres, so vielschichtig und herausfordernd ist die technische Gebäudeausstattung der Wiedergeburt des 1945 zerstörten und 1950 gesprengten Berliner Stadtschlosses. Drei Außenfassaden hat der italienische Architekt Franco Stella dem barocken Vorbild aus dem 18. Jahrhundert nachempfunden, die östliche Gebäudeseite hingegen plante er im zeitgenössischen Architekturstil. Gekonnt verbindet sich so Historie mit Moderne. Im März 2013 begann der Bau des Humboldt Forums. Acht Jahre, 640 Mio. Euro, 100.000 m3 eingebrachter Beton und 20.000 t verbauter Stahl später steht der Jahrhundertbau auf der Spreeinsel zur Eröffnung größtenteils bereit. Im September 2022 fand dann noch die Finale Eröffnung des Ostflügels für Besucher statt.
Differente Raumluftanforderungen
Auf einer Nutzfläche von 40.000 m2 und einer Bruttogeschossfläche von rund 96.000 m2 präsentiert das „Berliner Schloss 2.0“ eine facettenreiche Bandbreite an Exponaten der globalen Kultur- und Kunstgeschichte, perfekt in Szene gesetzt mit Hilfe modernster Präsentationstechniken. Durch die höchst unterschiedlichen zeitlichen und geografischen Herkunftsdaten der Ausstellungsstücke, differieren deren konservatorische Raumwerte häufig gravierend. Beispielsweise bedürfen die chinesischen Wandgemälde der Kizil-Höhle aus dem 6. bis 7. Jahrhundert anderer Raumwerte als die Township Wall von António Ole (2001/2018) oder das im 16. Jahrhundert entstandene Baumwolltuch „Lienzo Seler II“ aus Mexiko.
Hinzu kommen wechselhafte Einflussfaktoren wie der Besucherstrom oder das Wetter, die die Raumluftqualität ebenfalls beeinflussen. Es sind also nicht nur die großen Räume, sondern auch diese speziellen Vorgaben, die eine komplexe Gebäudebewirtschaftung in Punkto HLK-Konzept in einem solch umfassenden Museumsbetrieb unabdingbar machen. Um das Konzept durch den Einsatz einer adäquaten MSR (Mess-Steuer-Regel- und Leittechnik) wirtschaftlich, sicher und nachhaltig umsetzen zu können, haben die Experten von Kieback&Peter zwischen Dezember 2016 und Mai 2021 etwa 70 Automationsstationen und 285 Schaltschrankfelder an insgesamt 46 Automationsschwerpunkten (ASP) sowie jeweils 15.000 physikalische und kommunikative Datenpunkte im Humboldt Forum installiert. Das Berliner Familienunternehmen zählt zu den frühen Unternehmen im Bereich sicherheits- und nachhaltigkeitsorientierter Gebäude-Automationstechnologien.
Raumtemperatur und -feuchte im Gleichgewicht
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen an Raumtemperatur und Raumfeuchte Rechnung zu tragen, hat jeder Ausstellungsbereich des Forums seine eigene Lüftungsanlage erhalten. Insgesamt versorgen 41 Vollklimaanlagen die ausgestellten Objekte und Besucher mit der passenden Raumluft. Nachgeschaltete Konvektoren justieren die Temperatur bei Bedarf nach. Feldgeräte wie Temperatur- und Feuchtefühler sind dafür zuständig, kontinuierlich die Ist-Werte zu messen. Automationsstationen, Direct Digital Controls (DDC), sammeln die Daten und sorgen entsprechend der Regelabweichung für die vorgegebenen Raumwerte. Ist die Raumluft beispielsweise zu kalt, regeln die DDCs, dass die Zuluft über die entsprechenden Register aufgewärmt wird. Ist sie zu feucht, wird sie abgekühlt und entfeuchtet. Für die Befeuchtung sorgen wiederum externe Befeuchter. CO2-Fühler messen zudem die Kohledioxid-Belastung in den Räumen. DDCs regeln anschließend den Außenluftanteil der RLT-Anlage.
Sicherheit und Klimaschutz
Während in den Ausstellungsbereichen Vollklimaanlagen zum Einsatz kommen, sorgen in den Konferenz-, Sozial- und Nebenräumen Teilklimaanlagen für ein angenehmes Raumklima. Beide sind zeitlich über das Building Management System (BMS) steuerbar. Außerdem können die über die vollgrafische Bedienoberfläche aufbereiteten Daten vor allem dazu benutzt werden, Energieprozesse zu optimieren und damit nicht nur Kosten einzusparen, sondern auch Schadstoff-Emissionen zu reduzieren. Zudem dient ein BMS auch der schnellen und sicheren Fehlerbehebung. Zur Installation haben die Fachleute von Kieback&Peter die Software „GLT-SW5000N“ im Keller des Humboldt Forums auf zwei Servern aufgespielt. So können Mitarbeiter des Facility-Management-Teams über mobile Endgeräte überall im Gebäude über das Netzwerk darauf zugreifen und von der Echtzeit-, Multiuser- und Multitaskfähigkeit des BMS profitieren.
Im Zentrum einer Gebäudeautomation stehen die Automationsstationen – in diesem Fall die „DDC4000“ von Kieback&Peter – die in den 46 ASPs im Humboldt Forum verbaut sind. Die ASPs wiederum laufen im Hochleistungs-BMS zusammen, das die Daten sicht- und bedienbar macht und eventuelle Störmeldungen verarbeitet. Durch das Sammeln aller Feldgerätinformationen sorgen sie für eine effiziente, sichere und ökonomische Anlagenfahrweise sowie für hohe Synergieeffekte. Die Kommunikation der DDCs erfolgt über das Bussystem BACnet. Ihre zahlreichen Funktionen wurden passend auf die speziellen Anforderungen des Universalmuseums zugeschnitten und können über einen intuitiv bedienbaren Farbtouchscreen auch manuell vor Ort verwendet werden.
Kälte- und Wärmeerzeugung
Die Gebäudeautomation steuert ein HLK-System, das zum großen Teil über die Vollklimaanlagen umgesetzt wird. Ein multivalentes Kälte- und Wärmeerzeugungskonzept liegt dem Ganzen zugrunde. Allein zur Kälteproduktion sind unterschieden nach Hoch- und Niedertemperaturkälte jeweils zwei Kälteverdichtermaschinen sowie zwei Erdwärmepumpen im Einsatz. Zur Sicherung der vorgegebenen klimatischen Raumbedingungen versorgen die beiden Wärmepumpen die RLT-Anlage mit Niedertemperaturkälte und werden in Spitzlastzeiten durch zwei Kältemaschinen unterstützt. Darüber hinaus kann durch eine passive Kühlung der Erdwärmepumpen das niedrige Temperaturniveau des Erdreichs genutzt werden, um das Atrium über die Fußbodenheizung zu kühlen.
Die beiden anderen Kältemaschinen versorgen die Konvektoren mit der notwendigen Kälte zur Nachtemperierung der Räume (ca. 15 °C). Zudem kann das Museum je nach Bedarf und Außentemperatur die ökonomische Freie Kühlung verwenden, die in den kalten Jahreszeiten über Rückkühler auf dem Gebäudedach die frei verfügbare Außenluft zur Wasserkühlung nutzt. Das i-Tüpfelchen der Kälteproduktion ist der Eisspeicher, der zu Berliner Hitzepeak-Zeiten abgetaut werden kann.
Im Humboldt Forum deckt Fernwärme den größten Anteil am Wärmebedarf (alle Heizkreise mit einer Vorlauftemperatur von über 45 Grad Celsius), ebenso wie die Bereitstellung von Trinkwarmwasser. Zudem kann über die Wärmepumpen geheizt werden. Die in der RLT-Anlage verbauten Heizregister sorgen vor allem im Sommer nach der Entfeuchtung für die notwendige Erwärmung. Im Atrium ist eine Fußbodenheizung integriert.
Fazit
Gerade Museen sind auf eine effiziente und zuverlässige Gebäudeautomation zur Messung und zum Management der haustechnischen Anlagen angewiesen, um die ausgestellten Kultur- und Kunstschätze vor dem Risiko des künstlichen Alterns oder Verfallens zu bewahren. Im Humboldt Forum gewährleistet Kieback&Peter nicht nur die Sicherung der klimatischen Objektansprüche, sondern auch den Gesundheitsschutz von Menschen und die Sicherheit von Exponaten im Brandfall. So waren die Fachleute auch für die Installation des Entrauchungssystems mit SIL2-zertifizierten „ASi“-Controllern beauftragt. Neben dem Schutz der ausgestellten Gegenstände und Besucher, sind BMS auch geeignete Helfer auf dem Weg zur Klimaneutralität. Smarte HLK-Automationslösungen, wie die des Humboldt Forums, können durch eine konstante Messung und Optimierung der Anlagen zu einem ökonomischen, energieeffizienten, nachhaltigen und emissionsarmen Betrieb effektiv beitragen und sind somit auch für die Umsetzung der Energiewende essenziell.