Neue VDI 2081 Blatt 2: Tool zur Schallberechnung inklusive
Interview zur Geräuscherzeugung und Lärmminderung in der Raumlufttechnik
tab: Herr Düchting, im Frühling 2022 ist ein neues Blatt 1 der Richtlinie VDI 2081 erschienen, welches die Geräuscherzeugung von raumlufttechnischen Anlagen regelt. Kurze Zeit später, im Oktober des letzten Jahres, folgte das Blatt 2. Inwieweit sind die beiden Blätter voneinander abhängig?
Björn Düchting: Die beiden Blätter der Richtlinie VDI 2081 hängen untrennbar zusammen. Das Hauptblatt, das Blatt 1, ist ein umfangreiches Regelwerk. Darin haben wir Ergänzungen und Korrekturen vorgenommen. Das Blatt 2 hingegen behandelt ein Anwendungsbeispiel. Das konnte natürlich nicht so stehenbleiben. Wir haben die Gleichungen angepasst, die nun zu neuen Ergebnissen führen. Deshalb ist das Blatt 2 auch nur in Kombination mit dem Blatt 1 nutzbar. Doch das ist nicht die wichtigste Neuerung ...
tab: Was ist die wichtigste Neuerung?
Björn Düchting: Erstmals ist der Richtlinie VDI 2081 Blatt 2 ein Excel-Berechnungstool beigefügt. Damit lassen sich, wie es individuell benötigt wird, Berechnungen vornehmen – und zwar sehr komfortabel.
tab: Was verbessert sich für Anwenderinnen und Anwender denn konkret?
Björn Düchting: Früher gab es zwei Möglichkeiten: Man stützte seine Berechnungen entweder auf eine kommerzielle Software oder auf handschriftlich erstellte Tabellen. Es war mühsam, alles nachzuprüfen. Die neue Excel-Formel erlaubt es, mit ein paar Bausteinen eine Anlagenkonfiguration zusammenzustellen. Man fügt die Werte in die passenden Felder ein und erhält die gewünschte Berechnung zur Akustik seiner raumlufttechnischen Anlage. Dazu können unterschiedliche Konfigurationen mit dessen Auswirkungen berechnet werden. Kurzum lässt sich so schnell feststellen, welche Dämpfungsmaßnahmen Effekte auf die Geräuschkulisse haben und wie sich die zugesagten akustischen Eigenschaften einhalten lassen.
tab: Das Berechnungsbeispiel aus VDI 2081 Blatt 2 widmet sich einem Bürogebäude. Was ist der Hintergrund für das Beispiel?
Björn Düchting: Uns war wichtig, eine komplexe raumlufttechnische Anlage in einer möglichst repräsentativen Situation zu betrachten. Deshalb ist unsere Wahl auf ein Bürogebäude gefallen. Im Zentrum der Modellrechnung steht zunächst ein Besprechungsraum, sehr typisch mit drei Luftauslässen, Volumensprungregler und Schalldämpfer. Davor geschaltet ist ein Luftleitungssystem. Benachbart befinden sich ein kleiner Raum, der als Rechenzentrum genutzt wird, ein Hauptraum und diverse Büros. All diese Räume hängen am gleichen Luftleitungsnetz und wirken mit ihrer Schallübertragung aufeinander. Mit welchem Ergebnis, das haben wir in VDI 2081 Blatt 2 durchgespielt und berechnet.
tab: Mit welchen Schallwerten – standardisierten oder produktindividuellen - rechnet das Excel-Tool?
Björn Düchting: Das Tool bietet die Möglichkeit, Werte produktindividuell einzugeben. Das hat den Vorteil, dass die Ergebnisse genauer sind, gegenüber standardisierten Schallwerten.
tab: Ein Blick noch auf Schallemissionen. In Städten gibt es den Trend zu Hochhäusern. Gleichzeitig sind die Hygieneanforderungen während der Pandemie gestiegen. Damit werden raumlufttechnische Anlagen auch größer und komplexer. Ist durch diese Situation künftig eventuell mit einem höheren Geräuschpegel zu rechnen?
Björn Düchting: Genau das darf nicht passieren, denn 35 dBA im Büro beziehungsweise 45 dBA im Großraumbüro dürfen unabhängig von den übrigen Bedingungen nicht überschritten werden. Wenn Anlagen größer werden, gilt es die Luftgeschwindigkeiten im Auge zu behalten. Auch hier entstehen Geräusche. Größere Komponenten und Aggregate können durchaus mehr Schall erzeugen und damit lauter werden. Dem entgegenzuwirken, um die Anforderungen trotzdem einzuhalten, ist eine Frage der Planung und Ausführung. Ein anderer Einflussfaktor ist viel wesentlicher.
tab: Welchen Faktor meinen Sie?
Björn Düchting: Es geht um die Klimaanpassung. Steigende Außentemperaturen im Sommer haben zur Folge, dass die geforderten Arbeitsplatzbedingungen immer schwieriger einzuhalten sind. Die Temperaturen auf einem Niveau zu halten, bei dem sich Personen in Arbeitsstätten noch wohl fühlen, wird somit anspruchsvoller. Temperaturen jenseits von 27 Grad führen zu Beeinträchtigungen. Das betrifft Arbeitsplätze im Büro, in der Industrie oder im Handel gleichermaßen. Gegenmaßnahmen müssen gut überlegt sein und lassen sich organisatorischer oder technischer Art umsetzen. Wenn man sich für eine technische Lösung entscheidet, müssen Anlagen und ihre Aggregate in der Regel tatsächlich größer werden. Sie müssen eine höhere Kühlleistung erreichen – und zwar ohne den Grenzwert für Geräuschemissionen zu überschreiten. Notfalls, braucht es eine Vereinbarung, die das Überschreiten bestimmter Temperaturen in einem zuvor definierten Umfang erlaubt.
Björn Düchting, verantwortlich für den Fachbereich TGA in der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik.
Bild: VDI