Passen der Gebäudetyp E und die EPBD 2024 zusammen?

Im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wurde 2021 vereinbart, ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ einzurichten. Dieses Bündnis legte bereits im Oktober 2022 ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Das Ziel, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, wurde mit verschiedenen Thesen untermauert: mehr Investitionen für bezahlbaren Wohnraum, beschleunigte Genehmigungsverfahren und Begrenzung von Baukosten. Letztere soll maßgeblich durch eine Reduzierung des Wohnkomforts realisiert werden, beispielsweise durch verminderte Schalldämm-
maßnahmen.

Frank Ernst, Hauptgeschäftsführer des BTGA e.V.
Bild: Frank Ernst

Frank Ernst, Hauptgeschäftsführer des BTGA e.V.
Bild: Frank Ernst
Zwei Jahre später wurde das Ziel von 400.000 neugebauten Wohnungen weit verfehlt – weniger als 200.000 Wohnungen werden pro Jahr fertiggestellt. Die Anzahl der erteilten Baugenehmigungen ist laut Statistischem Bundesamt gegenüber dem Jahr 2022 sogar um 56 %
zurückgegangen. Das lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Einfluss hatten mit Sicherheit der Krieg in der Ukraine und die folgende Energiekrise, das hohe Zins-
niveau und die Verunsicherungen rund um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen will jetzt Abhilfe schaffen und den Gesetzgebungsprozess für den so genannten Gebäudetyp E – wobei der Buchstabe E für „einfach“ steht – noch im Jahr 2024 abschließen.

Anforderungen der EPBD 2024

Wie verträgt sich dieser Gebäudetyp E mit der in diesem Jahr novellierten EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD 2024), die bis zum 30. Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt sein muss? Hauptziel der EPBD 2024 ist es, bis 2050 die Klimaneutralität des Gebäudesektors zu erreichen. Dazu bedarf es auch energieeffizienter Technologien, die das Gebäude als Ganzes berücksichtigen. Außerdem legt die Richtlinie einen Schwerpunkt auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen, in dem sie fordert, die Anforderungen an die Innenraumqualität zu beachten.

Unter Innenraumqualität versteht man neben der Innenraumluftqualität, nämlich einen für den Menschen wichtigen Außenluftanteil und einer behaglichen Temperatur der Raumluft, auch Schallschutz, Farben und Licht in Gebäuden. Diese haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Menschen. Speziell zum Außenluftanteil und damit zur maximalen Kohlendioxidkonzentration der Raumluft wurden mehrere Studien veröffentlicht. Sie weisen eindeutig den Zusammenhang zwischen der mechanischen und bedarfsgerechten Belüftung von Gebäuden und der Gesundheit, dem Wohlbefinden und der Leistungsfähigkeit von Menschen nach.

Gebäudetyp E versus EPBD 2024

Genau hier droht jetzt ein Konflikt zwischen dem Gebäudetyp E und den Vorgaben der EPBD 2024: Mit dem Gebäudetyp E sollen die Bau- und damit die Investitionskosten gesenkt werden. So genannte Komforteinbußen werden dabei bewusst in Kauf genommen. Nehmen wir beispielsweise an, die Vertragsparteien verständigen sich darauf, bei einem Neubau die Lüftung des Gebäudes mittels Fensterlüftung sicherzustellen. Bei lauter Außenumgebung im Sommer werden die Fenster aber meist geschlossen bleiben, ebenso bei großer Kälte im Winter. Die Kohlendioxidkonzentration im Raum wird dann schnell ansteigen, die Leistungsfähigkeit der Menschen lässt nach und das Raumklima wird teilweise gesundheitsbelastend.

Auch mit Blick auf das Ziel der CO2-Neutralität ergeben sich Nachteile: Bei gleichem Luftaustausch schneidet die Fensterlüftung im Vergleich mit der mechanischen und bedarfsgerechten Belüftung von Gebäuden mit Wärmerückgewinnung energetisch schlechter ab, da durch das Einströmen kalter Winterluft die Raumluft neu aufgeheizt werden muss.

Fazit

Der Gebäudetyp E soll dazu dienen, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Grundsätzlich gilt aber auch für diese Gebäude, dass sie so errichtet werden müssen, dass die Ziele „Sicherheit“, „Gesundheit“ und „Klimaschutz“ nicht gefährdet werden.

Das serielle Bauen ist ebenfalls eine Maßnahme, auf die sich das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ verständigt hat. Diese Bauweise ermöglicht es, durch Standardisierung Gebäude effizient, kostengünstig und ressourcenschonend zu errichten und nach Ablauf der Nutzungszeit deren Baustoffe in den Materialfluss zurückzuführen. So entstehen Gebäude, die für die Menschen und für den Erhalt ihrer Gesundheit und ihrer Leistungsfähigkeit gebaut sind und deren Errichtung und Betrieb nachhaltig und CO2-neutral sind.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.
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