Exklusiver Onlinebeitrag: Druckluft für die Modellfabrik
Effiziente Vernetzung von Maschinen und GebäudeDie ETA-Fabrik an der TU Darmstadt zeigt, dass ein energieoptimiertes Zusammenspiel von Maschinen, technischer Gebäudeausrüstung und Gebäudehülle Einsparungen im hohen zweistelligen Prozentbereich möglich macht. Atlas Copco unterstützt dieses zukunftsweisende Forschungsprojekt mit einem hocheffizienten GA-Schraubenkompressor der neuesten Generation.
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Mit diesem verkürzten Zitat von Aristoteles lässt sich die Idee der ETA-Fabrik an der Technischen Universität Darmstadt gut auf den Punkt bringen. ETA steht für Energieeffizienz, Technologie und Anwendungszentrum – und für die übergreifende Zusammenarbeit der Fachbereiche Architektur, Bauingenieurwesen und Maschinenbau. In der Modellfabrik auf dem Uni-Campus wird seit Anfang 2016 der Produktionsprozess eines Standardwerkstücks aus dem allgemeinen Maschinenbau abgebildet und unter energetischen Gesichtspunkten optimiert. Das Projekt zielt jedoch nicht allein auf die Effizienzmaximierung des Maschinenparks, der TGA und der Gebäudehülle, sondern will auch Synergien zwischen den Teilbereichen ausschöpfen.
„Am Fachbereich Maschinenbau haben wir bereits ähnliche Projekte zum Teilsystem ‚Maschine‘ durchgeführt“, erklärt Philipp Schraml, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der TU Darmstadt und einer der Forscher im ETA-Fabrik-Projekt. „Das Gleiche gilt für die Bauingenieure und Architekten bezüglich der Teilsysteme ‚Gebäude‘ und ‚Technische Infrastruktur‘. Unsere Idee ist es nun, die bisherige Einzelbetrachtung aufzubrechen, durch eine gesamtheitliche Herangehensweise Synergien zu nutzen und auf diese Weise höhere Energieeinsparungen zu realisieren.“
Energetisches Einsparpotential von 40 %
Durch die Vernetzung und Interaktion der Teilbereiche, kombiniert mit Energiecontrolling und -rückgewinnung, können die Forscher in der ETA-Fabrik Einsparpotentiale von etwa 40 % darstellen. Über eine isolierte Optimierung der Teilsysteme sind laut Philipp Schraml lediglich Einsparungen unter 30 % möglich. Motiviert sei das Projekt durch den bislang noch sehr hohen Strom- und damit Kostenbedarf deutscher Industriebetriebe. „Die Industrie ist in Deutschland mit 47 % für den größten Teil des Strombedarfs verantwortlich“, erläutert Philipp Schraml. „Wenn man diesen Anteil weiter aufschlüsselt, dann sieht man, wo die Hauptverbraucher liegen. Das ist allem voran die mechanische Energie, das sind Pumpen, dann die Prozesskälte- und -wärmebereitstellung und auf Platz vier mit rund 7 % die Druckluft. Genau diese Themen bearbeiten wir in der ETA-Fabrik!“ Ein Ziel, das offenbar den Nerv der Zeit trifft, denn Unterstützung erhält das auf vier Jahre angesetzte Projekt mit einem Gesamtvolumen von rund 15,5 Mio. €o nicht nur vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und dem Land Hessen, sondern auch von mehr als 30 Forschungspartnern aus der Industrie.
Unterstützung mit effizientem Schraubenkompressor
Einer der Sponsoren ist die Essener Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH. Das Unternehmen unterstützt das Projekt mit einem öleingespritzten, drehzahlgeregelten Schraubenkompressor des Typs „GA 22 VSD+ FF“, einem 1000-l-Druckluftspeicher sowie der kompletten Druckluftverteilung, die mit dem „Airnet“-System realisiert wurde. Das modulare Konzept besteht aus korrosionsfreien Aluminiumleitungen und leckagesicheren Verbindungsstücken. Es erlaubt eine schnelle Installation und reduziert den Druckabfall im Betrieb auf ein Minimum.
„Verlegung und Anschluss des ,Airnet‘-Systems waren sehr einfach, so dass wir bei der Installation keine Hilfe brauchten“, lobt Philipp Schraml. „Bei der Auslegung hat uns Atlas Copco unterstützt.“ Die Rohre und die vorgespannten Anschlussstücke werden in nur wenigen Schritten und ohne schwere Maschinen zusammengesetzt. „Airnet“ lässt sich zudem dank des großen Sortiments an wiederverwendbaren Verbindungsstücken ohne großen Aufwand umrüsten und an Änderungen in der Produktionsstätte anpassen.
Prinzipiell wird an jeder Stelle des Produktionsprozesses in der ETA-Fabrik Druckluft benötigt. Der Betriebsdruck liegt derzeit bei 7 bar, soll jedoch noch nach unten optimiert werden. „Jede der Maschinen hat einen Druckluftanschluss“, beschreibt Philipp Schraml. „Unter anderem brauchen wir die Druckluft als Sperr- und Spülluft an den Werkzeugmaschinen und für verschiedene Pneumatikanwendungen. Beispielsweise hat unser Ofen für den Härtungsprozess diverse Klappen, die pneumatisch betätigt werden. Auch die Bauteiltrocknung nach der Reinigung erfolgt mit Druckluft.“
Werkstück vereint typische Bearbeitungsprozesse
Die ETA-Fabrik demonstriert mögliche Energieeinsparungen am Beispiel der Produktion von Steuerscheiben für Hydraulikaxialkolbenpumpen. Hier arbeiten die Forscher eng mit Bosch Rexroth zusammen, die die Steuerscheibe serienmäßig produzieren. „Unser Bauteil sollte verschiedene Prozesse abbilden, die im deutschen Maschinenbau weit verbreitet sind“, beschreibt Philipp Schraml die Auswahlkriterien. „Bei der Herstellung der Steuerplatte können wir Reinigungs- und Härtungsprozesse sowie eine Weich- und eine Hartbearbeitung darstellen. Und wir können unsere Prozesskette hier an der bei Bosch Rexroth messen.“
Um die hohen Energieeinsparungen zu erreichen, haben die Forscher zum einen die Maschinen selbst energetisch optimiert. Außerdem wurden innovative Steuerungskonzepte für einen konstanten Lastgang entwickelt, um Bedarfsspitzen zu vermeiden. „Für dieses Thema haben wir uns auch das Institut für mechatronische Systeme der TU Darmstadt an Bord geholt“, berichtet Philipp Schraml. „Dort wurde ein Schwungradspeicher zur Speicherung von Rotationsenergie entwickelt. Diesen Speicher haben wir am Anschlusspunkt der Fabrik installiert und können nun Lastspitzen, die durch den Betrieb der einzelnen Maschinen entstehen, abpuffern.“
Auf der Maschinenebene gibt es darüber hinaus die Verknüpfung zwischen den Einzelmaschinen, wobei die Werkzeugmaschine als Quelle und die Reinigungsmaschine als Senke thermischer Energie fungieren. Mehrere Speichersysteme entkoppeln Wärmeangebot und Wärmenachfrage. „Normalerweise wird heute die Abwärme in die Halle abgegeben, und dort brauche ich dann für jedes abgegebene Kilowatt noch einmal etwa 300 W Kühlleistung, um die Wärme aus der Halle wieder herauszubringen“, erklärt Philipp Schraml. „Wir nutzen die Abwärme, um die Maschine für die Bauteilreinigung zu versorgen, aber gleichzeitig auch für die Gebäudeheizung in der kalten Jahreszeit oder zur Kälteerzeugung über unsere Absorptionskältemaschine.“
Komplexes Energiemanagement und Monitoring
Um Wärme beziehungsweise Abwärme möglichst effizient zu nutzen, verfügt die ETA-Fabrik über verschiedene wassergebundene Temperaturnetze. „Die Haupttemperatur liegt bei 15 bis 20 °C – das ist unser Kaltwassernetz“, beschreibt Philipp Schraml das Konzept. „Dann gibt es ein Warmwassernetz mit Temperaturen zwischen 30 und 40 °C, maximal 50 °C, sowie ein Heißwassernetz mit Temperaturen um die 80 °C. Außerdem haben wir verschiedene Mischniveaus.“ Der GA-Kompressor ist mit allen Komponenten für eine Wärmerückgewinnung ausgestattet und speist die entstehende Abwärme ins Warmwassernetz ein. Die Wärme wird dann – je nach Bedarf – für die Fußbodenheizung im Bürotrakt, für die Aktivierung der Kapillarmatten zur Hallenheizung oder für Reinigungsprozesse genutzt. „Die Wärmerückgewinnung des Kompressors läuft über eine eigene Pumpe, sodass wir die Volumenströme und die Temperaturdifferenzen feststellen und überwachen können“, sagt Philipp Schraml. „Die Wärmemenge variiert je nach Lastzustand des Kompressors und liegt im Schnitt bei etwa 250 kWh pro Monat.“
Komplexes Energiemanagement und Monitoring
Der Kompressor ist nur einer von vielen Messpunkten innerhalb der ETA-Fabrik. „Unsere Fabrik ist zwar eigentlich nicht so groß, aber es gibt deutlich mehr als 1.000 Datenpunkte, die wir aufzeichnen“, verdeutlicht Philipp Schraml den Messaufwand im Vergleich zu industriellen Fabriken. „Wir sammeln die Daten von allen Maschinen, vom Gebäude und von der technischen Gebäudeausrüstung ein. Diese nutzen wir für unser Monitoring, um zu sehen, in welchem Status sich die Fabrik gerade befindet. Außerdem realisieren wir mithilfe dieser Daten die Regelung. Darüber hinaus besitzt jede Maschine einen Volumenstromsensor, so dass die Druckluftverbräuche getrennt ermittelt und aufgenommen werden können.“
Die Steuerung der kompletten Fabrik läuft über ein Hausautomationssystem. Dort wird zurzeit auch der Kompressor eingebunden. „Wir haben am Kompressor ein Profibus-Kommunikationsmodul verbaut, das wir in Kürze aufschalten werden“, blickt Philipp Schraml in die nahe Zukunft. „Über den Profibus laufen dann die Schaltung und das Monitoring. Dann können wir beispielweise zwischen verschiedenen Druckbändern wechseln, je nachdem, welche Verbraucher gerade laufen, und die Druckluftversorgung noch effizienter gestalten.“ Darüber hinaus sei man gerade dabei, am Kompressor elektrische Leistungszähler nachzurüsten. „In Kombination mit den Erzeugungsdaten Druck, Volumenstrom und Abwärme können wir dann den Wirkungsgrad verfolgen und die Leistungsdaten des Kompressors kontinuierlich überwachen.“
Einen weiteren Beitrag über die Eta-Fabrik in Darmstadt lesen Sie in der tab 4/2017 (http://www.tab.de/artikel/tab_Die_ETA-Fabrik_in_Darmstadt_2788018.html).
Der Schraubenkompressor „GA 22 VSD+ FF“
Der Kompressor aus der Baureihe „GA VSD+“ gehört zu den besonders effizienten Geräten unter den öleingespritzten Schraubenkompressoren. Die Drehzahlregelung (VSD = Variable Speed Drive) verringert den Energieverbrauch um bis zu 50 % gegenüber schlecht ausgelasteten Kompressoren mit Last-Leerlauf-Regelung. Gleichzeitig bieten die „GA+“-Modelle eine um 9 % höhere Luftausbeute bei gleicher Leistung als ihre Vorgängergeneration, zeichnen sich durch einen leisen Betrieb aus und benötigen dank des vertikal angeordneten Antriebsstrangs nur wenig Platz. Das Kürzel „FF“ steht für die „Full-Feature“-Variante, bei der bereits ab Werk Kältetrockner, Druckluftfilter, Kondensatableiter und -trenner sowie alle Anschlüsse für eine Wärmerückgewinnung in das Kompressorgehäuse integriert sind. „Das ‚+‘ bei unseren GA-VSD-Kompressoren steht für einen ölgekühlten Permanentmagnetmotor und eine besonders hohe Energieeffizienz“, sagt Helmut Bacht, Produktmanager für öleingespritzte Kompressoren bei Atlas Copco in Essen. „Wir betrachten diese Baureihe als wegweisende Innovation für den industriellen Bereich.“ Eine VSD-Maschine dagegen laufe überhaupt nur, wenn Bedarf bestehe, und dann mit der benötigten Geschwindigkeit.