Blitz- und Überspannungschutz von Photo­voltaikanlagen

Das ist eine Herausforderung!

PV-Anlagen und Blitzschutz-Anlagen werden von unterschiedlichsten Fachkräften in einem gemeinsamen Umfeld errichtet. Die größte „Trennung“ zwischen den Fachgebieten ist die unterschiedliche Ausbildung und Herangehensweise. Dieser Beitrag gibt eine einfache Anwendungshilfe bezüglich Maßnahmen zum Schutz von PV-Anlagen gegen Schäden durch Blitz- und Überspannungsereignisse.

PV-Installateure kommen vielfach aus dem Fachgebiet des Dachdecker-Handwerks, der Elektroinstallation wie auch der Gebäudeinstallationstechnik (Heizung, Lüftung, etc.). Der qualifizierte Blitzschutz-Fachmann ist eine anerkannte Blitzschutz-Fachkraft entsprechend der Blitzschutznorm EN 62 305-3 (VDE 0185-305-3) [1]. Erstmalig wird mit dem neuen Beiblatt 5 [2] zur Blitzschutznorm [1] die Schnittstelle zwischen PV-Stromversorgungs-Systemen und Blitzschutz, insbesondere im Bereich der Blitz-Fangeinrichtung geregelt.

Voraussetzung für die dauerhafte und sichere Funktion der PV-Anlage ist eine umsichtige und auf das jeweilige Bauvorhaben abgestimmte Planung, bei der auch der Blitz- und Überspannungsschutz Beachtung findet. Die individuellen Anforderungen der PV-Anlage und deren Einbeziehung bereits in der frühen Planungsphase von Wohn- oder Gewerbeobjekten erfordern eine intensive Information, Koordination und Kooperation der beteiligten Architekten, Planer und ausführenden Gewerke. Feststellen muss man – bedauerlicherweise – dass PV-Anlagen vielfach nachgerüstet werden und die Wirkungsweise einer Blitz-Fangeinrichtung durch den Überbau mit PV-Modulen aufgehoben wird.

Errichter von PV-Anlagen und die Errichter von Blitzschutzanlagen haben jedoch bei der Nutzung von Dächern eine unterschiedliche Vorgehensweise und Intension. Beide Fachgewerke treffen bei der Nutzung der Dachfläche aufeinander, Schnittstellenprobleme sind daher nicht selten. So muss bei baulichen Anlagen, auf denen der Eigentümer eine Blitzschutzanlage bereits errichtet hat oder wünscht, oder bei denen durch Auflagen/Verordnungen eine Blitzschutzanlage vorgeschrieben ist, die dachüberragende PV-Anlage in den Blitzschutz integriert werden. Eine Zusammenarbeit beider Fachgewerke ist daher unabdingbar.

Bei der hier zu betrachtenden Konstellation sollte die Blitzschutzanlage u. a. vier Anforderungen erfüllen:

Keine Einkopplung von Blitzteilströmen in die bauliche Anlage; eine getrennte Fangeinrichtung für die Blitzschutzanlage ist in der Regel notwendig,

Beachtung eines ausreichenden Sicherheits-/Trennungsabstandes zwischen Blitzschutzsystem und PV-Anlage,

Keine unzulässige Verschattung der PV-Module durch Blitz-Fangeinrichtungen,

Maßnahmen des Inneren Blitz-/Überspannungsschutz.

Die größte Herausforderung bei einer integrierten Lösung ist, die PV-Module nicht unzulässig durch den getrennten Blitzschutz zu verschatten. Eine Verschattung kann, in Abhängigkeit des Aufbaus der PV-Module, eine störende oder gar unzulässige Ertragsreduzierung bewirken.

Diesem gesamten Anforderungsprofil entsprechen schlanke und in der Höhe variable Getrennte Fangeinrichtungen, welche durch die HVI-Leitung (High Voltage Insulated Line), angeschlossen ist. Die HVI-Leitung ist eine hochspannungsisolierte Leitung, die durch ihren Aufbau den notwendigen Trennungsabstand realisiert [3].

Um unabhängig vom Aufbau der PV-Module eine unzulässige Verschattung, einen so genannten Kernschatten, durch die Fangeinrichtung auf die PV-Module zu verhindern, fordert das Beiblatt 5 [2] einen Mindestabstand aF zwischen Blitz-Fangeinrichtung und PV-Module:

aF = 108 x dF

dF = Durchmesser der Fangstange oder -leitung.

Lösungsbeispiele Äußerer Blitzschutz

Die Lösung der Verschattungsproblematik von PV-Modulen durch Fangeinrichtungen wird exemplarisch an einer Großflächen-Anlage auf Flachdächern und einer Kleinflächen-Anlage, wie sie typischerweise auf Schrägdächern von Wohngebäuden errichtet wird, dargestellt [4].

 

Beispiel 1

Diese bauliche Anlage hat keine leitfähig durchverbundene Bewehrung und auch keine Metallfassade. Aus diesem Grunde müssen konventionell Ableitungen auf der Gebäudefassade errichtet werden.

Die im Bild 2 dargestellten Fangstangen 1 werden, unter Berücksichtigung des Trennungsabstandes s zu den Photovoltaikgestellen, in den vier Ecken der Dachfläche positioniert. Bei einer noch größeren Ausdehnung der Dachfläche können weitere Fangstangen der gleichen Art an der Peripherie des Daches positioniert werden.

Um den großvolumigen zu schützenden Bereich der Dachfläche mit den PV-Modulen im blitzeinschlaggeschützten Bereich zu integrieren, ist in diesem Beispiel in der Mitte der PV-Gestellreihen eine weitere Fangstange 2 zu positionieren.

Dehn+Söhne löst das Problem durch eine sehr schlanke und in der Höhe variable Getrennte Fangeinrichtung, welche durch die hochspannungsisolierte HVI-Leitung mit der umlaufenden metallenen Attika verbunden wird.

In diesem Beispiel ist die umlaufende metallene Attika Bestandteil einer natürlichen Fangeinrichtung. Beim Anschluss der Fangstange 2 mit der HVI-Leitung ist ein Anpassungsbereich 3 zu beachten.

 

Beispiel 2

In diesem Beispiel wird der Äußere Blitzschutz eines Wohngebäudes mit PV-Modulen bei einer Schrägdach-Konstruktion (Bild 3) vorgestellt.

Da die gesamte Dachfläche in Längsrichtung mit PV-Modulen ausgerüstet ist, wird typischerweise die Installation von zwei Fangstangen notwendig, um das Gesamtgebäude in den blitzeinschlaggeschützten Bereich zu integrieren. Um den Trennungsabstand zu den PV-Modulen, aber auch zu den vielfach unmittelbar unterhalb der Dachfläche liegenden metallischen und elektrischen Installationssystemen einzuhalten, wird auch hier eine Fangeinrichtung mit isolierter HVI-Leitung der Ausführungsform HVI light empfohlen.

Die HVI light-Leitung ist üblicherweise bei Wohngebäuden einsetzbar, da aufgrund der geringeren Dimensionen sich zwangsläufig auch geringere Trennungsabstände ergeben. Die HVI light-Leitung wird in Kombination mit der Fangeinrichtung Dehncon H realisiert.

Die Getrennte Fangeinrichtung Dehncon H besteht aus einem Stützrohr mit minimalem Durchmesser, um sich optisch günstiger in der baulichen Anlage zu integrieren.

Das untere Teil des Dehncon H-Stützrohres ist aus Aluminium und kann mit speziellen Haltevorrichtungen an der Dachkonstruktion befestigt werden, ohne dass die Verkleidung im Inneren geöffnet werden muss.

Die isolierte Ableitung kann bis zur Dachrinne geführt werden und ab der Dachrinne in Richtung Erde mit einem blanken, nicht-isolierten Draht fortgesetzt werden, oder kann durchgehend bis zur Erdanschlussfahne als isolierte Ableitung ausgeführt werden.

 

Innerer Blitzschutz

Die Aufgabe des Inneren Blitzschutzes besteht aus den nachfolgenden Hauptkomponenten:

Blitzschutzpotentialausgleich,

Überspannungsschutz.

Beim Blitzschutz-Potentialausgleich werden alle leitfähigen Systeme, die von außen in ein Gebäude oder eine Anlage eingeführt werden, leitend miteinander verbunden. Spannungsführende Leitungen, die nicht direkt angebunden werden können, werden über Überspannungs-Schutzgeräte angebunden.

Diese Maßnahmen verhindern, dass bei Blitz- und Überspannungsereignissen hohe Potentialdifferenzen auftreten und es damit durch Überschläge und Durchschläge zur Gefährdung von Personen und Zerstörung von elektrischen Anlagen und Geräten kommen kann.

 

Auswahl der Überspannungs-Schutzgeräte

Beim Einsatz von Überspannungs-Schutzgeräten ist es zwingend erforderlich, die nachfolgende Fallunterscheidung [5] zu treffen:

 

a) Gebäude mit Äußerem Blitzschutz – Trennungsabstand eingehalten

Hat das Gebäude einen Äußeren Blitzschutz und wurde der Trennungs­abstand eingehalten (Bild 4), so empfiehlt es sich, sowohl auf der DC-Seite als auch auf der AC-Seite des Wechselrichters Überspannungs-Schutzgeräte vom Typ 2 (Überspannungs-Ableiter) nach EN 61 643-11 [6] einzusetzen. Im Speisepunkt der elektrischen Anlage (Hausanschlussbereich) muss aber zwingend ein Überspannungs-Schutzgerät Typ 1(Blitzstrom-Ableiter) eingebaut werden.

 

b) Gebäude mit Äußerem Blitzschutz – Trennungsabstand nicht eingehalten

Im Fall b (Gebäude mit Äußerem Blitzschutz und Trennungsabstand nicht eingehalten, Bild 5) ist es empfehlenswert, sowohl auf der DC-Seite als auch auf der AC-Seite des Wechselrichters Überspannungs-Schutzgeräte des Typ 1 nach EN 61 643-11 [6] einzusetzen, da die Einkopplung von direkten Blitzströmen und Blitzteilströmen nicht ausgeschlossen werden kann. Im Speisepunkt der elektrischen Anlage (Hausanschlussbereich) muss auch hier zwingend ein Überspannungs-Schutzgerät Typ 1 eingebaut werden. Da der Trennungsabstand nicht eingehalten wird, müssen, um unkontrollierte Überschläge zu verhindern, die PV-Gestelle mit der Fangeinrichtung verbunden werden.

 

c) Gebäude ohne Äußerem Blitzschutz

Bei einem Gebäude ohne Äußeren Blitzschutz ist es ratsam sowohl auf der DC-Seite als auch auf der AC-Seite des Wechselrichters Überspannungs-Schutzgeräte des Typ 2 (Überspannungs-Ableiter) nach EN 61 643-11 [6] einzusetzen. Darüber hinaus wird im Speisepunkt der elektrischen Anlage ebenfalls der Einsatz eines Überspannungs-Schutzgerätes vom Typ 2 empfohlen.

Beim Einsatz von Überspannungs-Schutzgeräten auf der DC-Seite von Photovoltaikanlagen sind einige wichtige Eigenschaften der DC-Quellencharakteristik zu beachten, die weitreichenden Einfluss auf das Verhalten der Überspannungs-Ableiter im Fehlerfall haben. Insbesondere der Ausführung der Abtrennvorrichtung der Überspannungs-Ableiter nach DIN EN 61 643-11 [6] ist hier ein besonderes Augenmerk zu schenken. Außerdem wird im Beiblatt 5 der DIN EN 62 305-3 [2] vom Hersteller ein Nachweis zur internen Schaltvorrichtung des Überspannungs-Ableiters gefordert. Dieser muss nachweisen, dass der Ableiter das notwendige Schaltvermögen entsprechend den Bedingungen am Einbauort aufweist. Im Produktprogramm von Dehn+Söhne befindet sich ein Überspannungs-Ableiter der eine komplett neuartige Technologie aufweist. Der Dehnguard M YPV SCI ist mit einer 3-stufigen DC-Schaltvorrichtung ausgestattet, die speziell zum Einsatz in Photovoltaik-Systemen entwickelt wurde. Diese besteht aus einer kombinierten Abtrenn- und Kurzschließvorrichtung, welche mit einer im Schutzmodul integrierten Sicherung kombiniert ist. Die Kurzschließvorrichtung sorgt dafür, dass ein eventuell bei der Abtrennung entstehender Lichtbogen aktiv und sicher gelöscht wird und verhindert damit eine mögliche Brandquelle. Die integrierte Sicherung sorgt dann zeitlich nachgelagert dafür, dass ein defektes Überspannungs-Schutzgerät sicher elektrisch von der DC-Versorgungsspannung abgetrennt ist. Dies ermöglicht einen einfachen, sicheren und stromlosen (lichtbogenfreien) Wechsel des defekten Schutzmoduls.

Funktionserdung / Potentialausgleich

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Funktionserdung des PV-Montagegestells. Aus Gründen des Blitz- und Überspannungsschutzes wird empfohlen, dieses mit der Haupterdungsschiene zu verbinden. Im Beiblatt 5 der DIN EN 62 305-3 [2] wird diese Empfehlung bezüglich Einbindung in den Potentialausgleich ebenfalls beschrieben. Die Verbindung sollte mit einem Leiterquerschnitt von mindestens 6 mm2 Kupfer ausgeführt werden. Im Falle der Gefahr einer direkten Blitz­strom­einkopplung (Fall b in der oben ausgeführten Fallunterscheidung) sollte mindestens 16 mm2 Kupfer oder ein leitwertgleicher Querschnitt verwendet werden. Der Funktionserdungsleiter muss parallel und in möglichst engem Kontakt zu den DC- und AC-Leitun­gen verlegt werden, um Induktionsschleifen und die daraus resultieren­den eingekoppelten Überspannungen zu minimieren.

 

Fazit

Die erläuterten Maßnahmen beschreiben ein Gesamtkonzept des Blitz- und Überspannungsschutzes. Unter der Voraussetzung, dass die Abstimmung zwischen allen an der Planung und Errichtung beteiligten Fachgewerke (Schnittstellenproblematik) beachtet wird, ist ein sicherer Betrieb der Anlage auch bei direktem Blitzeinschlag möglich.

Literatur
[1] DIN EN 62 305-3 (VDE 0185-305-3):2006-10: Blitzschutz. Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. VDE-Verlag GmbH, Berlin; Beuth-Verlag GmbH, Berlin
[2] DIN EN 62 305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5):
2009-10: Blitzschutz. Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. Beiblatt 5: Blitz- und Überspannungsschutz für PV-Stromversorgungssysteme, VDE-Verlag GmbH, Berlin; Beuth-Verlag GmbH
[3] Dehn+Söhne DS151/1209: Sichere Systemlösungen für Getrennte Fangeinrichtungen
[4] Dehn+Söhne DS165/0909: Getrennter Blitzschutz für PV - verschattungsoptimiert
[5] Dehn+Söhne DS109/0909: Dehn schützt Photovoltaikanlagen
[6] DIN EN 61 443-11 (VDE 0675-6-11):2007-08: Überspannungs- schutz für Niederspannung. Teil 11: Überspannungs­schutz­ge­- räte für den Einsatz inNiederspannungsanlagen – Anforde­-
rungen und Prüfungen, VDE-Verlag GmbH, Berlin; Beuth-Verlag GmbH
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