Computersimulationen gegen Menschenstaus

Frühwarnsystem zum Einsatz bei Massenveranstaltungen erfolgreich getestet

Imtech Deutschland entwickelt gemeinsam mit diversen Partnern ein System zur effektiven und effizienten Räumung und Evakuierung von Besuchern von Großveranstaltungen im Krisenfalle. Das Gesamtziel des Verbundprojektes „Hermes“ ist die Entwicklung eines Evakuierungsassistenten (Eva). Die Imtech Deutschland GmbH & Co. KG hat in diesem Projekt die verschiedenen Module der Technischen Gebäudeausrüstung installiert und vernetzt.

 

 

In den letzten Jahren wurden Bauten wie Multifunktionsarenen und Verkehrsinfrastrukturanlagen größer und komplexer. Der Aspekt der Personensicherheit nimmt somit einen immer größeren Stellenwert ein. Die technische Innovation im Bereich dynamischer Gebäudesteuerung und Personenzählung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Zudem wird die dynamische Kopplung von Komponenten wie Brandmeldeanlage, Entrauchungseinrichtungen, Rettungswegebeleuchtung und Personenzählungen aufgrund der wachsenden Gebäudekomplexität unverzichtbar.

Zu hohe Personendichte auf Großveranstaltungen war zuletzt immer wieder die Ursache für tragische Unfälle. In dem vom Bundesforschungsministerium BMBF geförderten Hermes-Projekt haben die verschiedenen Projektpartner neben der Imtech Deutschland GmbH & Co. KG,die Forschungseinrichtungen des Forschungszentrum Jülich, der Bergischen Universität Wuppertal, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität zu Köln, die öffentlichen Einrichtungen und Entscheidungsträger der Feuerwehr und Polizei sowie die Firmen PTV Planung Transport Verkehr AG, TraffGO HT GmbH, Vitracom AG, Special Security Service SSSD GmbH und der Betreiber der Düsseldorfer Esprit Arena, die Multifunktionsarena Immobiliengesellschaft mbH & Co. KG ein Frühwarnsystem entwickelt, welches zur Verhinderung und Entschärfung solch kritischer Situationen eingesetzt werden kann.  Das Projekt bezieht sich auf die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Themenfeld „Schutz und Rettung von Menschen“ im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms der Bundesregierung vom 8. August 2007 und wird von diesem mit insgesamt 5,4 Mio. € gefördert. Der Fokus dieser Bekanntmachung liegt auf Lösungen, die im Schadensfall bei Großveranstaltungen den Schutz und die Rettung von Menschen verbessern.

In diesem Bereich der technischen Gebäudeausrüstung ist es noch Stand der Technik, dass die verschiedenen sicherheitsrelevanten Komponenten autark und für sich arbeiten. Beispielsweise meldet die Brandmeldeanlage Ereignisse an Feuerwehr und technisches Personal rein statisch. Aufgrund dieser Meldungen werden vom Personal und der relevanten Brandfallsteuerung Entrauchungsanlagen, Feststellanlagen und Notbeleuchtung angesteuert.  Bisher ist dies ein starres in sich geschlossenes System, welches die Dynamik der Ereignisse und die Verteilung der Personen nicht berücksichtigt.

So werden z.B. für die Notfallevakuierung von Personenansammlungen in komplexen baulichen Anlagen statische Szenarien zu Grunde gelegt. Ändert sich das Szenario durch unvorhergesehene Ereignisse, stellt dies die hilfeleistenden Stellen vor das Problem ad hoc alternative Evakuierungsmöglichkeiten einzuleiten. Da sich auch die Einsatzkräfte in einem solchen Falle in einer außerordentlichen Stresssituation befinden, wäre es für diese besonders hilfreich, über ein System zu verfügen, das sie in dieser Entscheidungsphase schnell und zuverlässig unterstützt.

Mit „Hermes“ wird daher eine Plattform für die Zusammenführung  vorhandener und etablierter Technologien der technischen Gebäudeausstattung, um die optimale Evakuierung von Besuchern von Großveranstaltungen zu ermöglichen, geschaffen. Darüber hinaus werden neue Ansätze implementiert und deren Zusammenspiel auf Praxistauglichkeit überprüft.

Gerade für den Schutz und die Rettung von Menschen ist die frühzeitige Erkennung von Gefahrenpotentialen durch die installierten Meldesysteme (z. B. Verrauchung der Rettungswege) und Weitergabe der Daten über standardisierte Schnittstellen an den Evakuierungsassistenten eine große Verbesserung. Anhand einer zu entwickelnden dynamischen Steuermatrix (siehe Teilvorhabenbeschreibung der Universität Wuppertal) besteht die Möglichkeit, dass der Evakuierungsassistent dann die einzuleitenden technischen Gegenmaßnahmen (z.B. Entrauchungsansteuerung) einleitet. Bei Nichtgreifen dieser Maßnahmen, errechnet der Evakuierungsassistent alternative Entfluchtungsmöglichkeiten, die den hilfeleistenden Stellen aufgezeigt werden. Der Eva könnte in der Zukunft die Möglichkeit bieten, eine optische und akustische Lenkung der gefährdeten Personen durch begehbare Fluchtwege zu steuern.

Um die Position aller Personen zu erfassen, haben die Forscher mehr als 100 Kameras im Testbereich angebracht, der ein Viertel des Zuschauerraums umfasst. Spezielle 3D-Kameras, kaum größer als eine Webcam, registrieren jeden Besucher, der die Ein- und Ausgänge passiert. Auf Grundlage dieser Daten ermittelt eine Software auf einem eigens für das Projekt eingerichteten Parallelrechner mit 208 Prozessoren, wie sich mehrere zehntausend Besucher im Stadion verteilen. Simulationen des Geschehens geben Hinweise auf die zukünftige Entwicklung und prognostizieren, in welchen Bereichen sich kritische Personendichten bilden könnten. Zurzeit  kann innerhalb von 3 min berechnet werden, was in den nächsten 15 min passieren wird. Das ist schon deutlich schneller als in Echtzeit, aber die Forscher arbeiten daran, die Zeit auf eine Minute zu verkürzen.

Zur Vorhersage der Laufwege kommen sowohl makroskopische als auch mikroskopische Modelle zum Einsatz, wie sie in der Molekulardynamik verwendet werden. Um den Ansatz auf das Verhalten von Fußgängern abzustimmen, haben die Wissenschaftler zusammen mit den am Projekt beteiligten Universitäten in mehr als 200 Experimenten mit teilweise bis zu 400 Teilnehmern verschiedene Szenarien überprüft. 

Das System soll in kritischen Situationen wichtige Informationen liefern. Sollten z.B.  Ausgänge blockiert oder einzelne Bereiche überfüllt sein, können sich kaum vorhersehbare, gefährlich lange Schlangen bilden. Mit Hilfe des Evakuierungsassistenten können die Einsatzkräfte jederzeit mitverfolgen, wie viele Leute sich in den jeweiligen Bereichen aufhalten. Die Software kann die Entscheidungsträger auch bei der Analyse verschiedener Evakuierungsstrategien unterstützen und kommt in einigen Fällen zu intuitiv überraschenden Ergebnissen. Der kürzeste Fluchtweg ist nicht immer zwangsläufig der beste. Manchmal müssen Gruppen von naheliegenden Ausgängen weggelenkt werden, um eine spätere Überlastung einzelner Streckenabschnitte zu vermeiden.

 

Wissenschaftliche und/oder technische Arbeitsziele des Vorhabens

Für die technische Realisierung des Testsystems des Evakuierungsassistenten wird Imtech die Schnittstellen zwischen Brandmeldeanlage, Gefahrenmanagementsystem, Personenzählung und Simulationskern schaffen. Das Gefahrenmanagementsystem wird parallel zum bestehenden Brandschutzsystem installiert und modifiziert. Losgelöst von dem bestehenden Sicherheitssystem ist es somit möglich verschiedene Gefahrenszenarien zu simulieren. Dafür wird das Meldesystem der Esprit Arena auf einer graphischen Oberfläche im Detail abgebildet und in Absprache mit den Verbundpartnern Gefahrenszenarien implementiert. Darüber hinaus wird die Montage der Leitungswege projektiert und ausgeführt. Somit sind die Ausführungen dieser Arbeiten eine Grundvoraussetzung, um den zusammenhängenden Test des Versuchssystems zu ermöglichen.

Im Krisenfall bei Großveranstaltungen unterstützt der Evakuierungsassistent „Hermes“ die Entscheidungsträger – Betreiber, Feuerwehr und Polizei – durch gezielte Informationen über die aktuelle Personenverteilung und frühzeitige Stauprognosen. Dieses Wissen ermöglicht es den Verantwortlichen, die Gefahrenlage einzuschätzen und somit Rettungskräfte und Sicherheitspersonal optimal einzusetzen.

Die Imtech Deutschland GmbH & Co. KG hat in diesem Projekt die verschiedenen Module der Technischen Gebäudeausrüstung installiert und vernetzt. Hierzu gehörten die Integration des Gefahrenmanagementsystems und die Einbindung der Personenzählung in den Evakuierungsassistenten.

Der Evakuierungsassistent gibt Informationen aus dem Gefahrenmanagementsystem über verrauchte und somit nicht zur Verfügung stehende Rettungswege und Gebäudebereiche an den Simulationskern weiter. Hierfür wurde ein separates Sicherheits- und Gebäude-Management-System installiert. Die Planung und Projektierung des Managementsystems wurden wie oben erwähnt parallel zu den bestehenden Brandschutzeinrichtungen in der Esprit Arena umgesetzt. Entsprechend den Forderungen des Betreibers der Arena und der Feuerwehr Düsseldorf entstand somit für die Testphase ein unabhängiges System zu den derzeit installierten und im Betrieb befindlichen Einrichtungen

Hierfür wurde eine Kopie des bestehenden Brandschutzmanagementsystems eingerichtet, installiert und entsprechend den Anforderungen des Evakuierungsassistenten erweitert. Somit lässt sich auf die Informationen der im Einsatz befindlichen Brandmeldeanlage zugreifen ohne auf dieses System Einfluss zu nehmen. Zudem besteht die Möglichkeit im parallel aufgebauten Managementsystem verschiedene Brandszenarien zu simulieren und Testszenarien für den Eva zu entwerfen. Als erster Schritt werden der Gebäudegrundriss und die lagerichtigen Melderpositionen inklusive deren Vernetzung abgebildet. Die Programmierung der Datenpunkte und Meldertexte kann so den Anforderungen entsprechend angepasst und verändert werden. In einem zweiten Schritt wurden in Absprache mit den Verbundpartnern Gefahrenszenarien entworfen und implementiert. In der derzeitigen Testphase ist es somit möglich die Simulation von Brandalarmen und Störungen über eine entsprechende Systemschnittstelle an den Eva weiterzuleiten. Das hier beschriebene Konzept ermöglicht die Simulation von Brandalarmen auch während des laufenden Betriebes, ohne auf die in Betrieb befindliche Sicherheitseinrichtungen (Brandmeldeanlage) einwirken zu müssen.

Die bis dato gesammelten Ergebnis haben die Erwartungen der Verbundpartner weit übertroffen.  Man geht davon aus, dass bis zum Abschluss des Projektes noch weitere zukunftsweisende Forschungsergebnisse zu erwarten sind.

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