Das Projekt „Neue Mitte Botnang“

Komplexität durch gemischte Nutzung

Im Zentrum des Stuttgarter Stadtbezirks Botnang haben Bagger das Areal rund um die Traditionsgaststätte „Hirschen“ geschliffen, um Platz für einen gut viergeschossigen Neubaukomplex mit durchmischter Nutzung zu schaffen. Seit fast 25 Jahren stand diese „Innenstadtreparatur“ schon zur Debatte. Die jetzt realisierte Blockrandbebauung sollte Planer und ausführende Unternehmen aufgrund ihrer Komplexität vor große Herausforderungen stellen. In den Bereichen Heizung und Sanitär sowie Brandschutz wurden diese überwiegend mit der Systemtechnik eines Herstellers gelöst.

Botnang, der Stuttgarter Vorort, bekommt eine „neue Mitte“. So klassisch, wie der Entwurf von Herwarth Architekten für den Neubau die Stilelemente der Blockrandbebauung mit individuell gestalteten Höfen und Plätzen im Umfeld verknüpft, so komplex stellt sich die technische Umsetzung des in zwei Bauabschnitten errichteten Quartiers dar. Insbesondere die TGA mit den Installationen für Heizung und Sanitär sowie für umfangreiche Brandschutzeinrichtungen wurde aufgrund der stark durchmischten Nutzung des vielgliedrigen Baukörpers extrem gefordert: Die speziellen Feuerschutzvorschriften für Tiefgaragen sowie das EEWärmeG mit dem Zwang zum Einsatz regenerativer Energien und der Stuttgarter Energieerlass „30 % besser als EnEV“ spielten ganz entscheidend mit hinein, aber auch die TrinkWV. Von der Heizzentrale aus (mit Wärmeerzeugung über Pellets- und Gas-Brennwertkessel) wird der gesamte Komplex zentral mit Trinkwarmwasser versorgt.

„Mit konventioneller Ausle­gung und herkömmlichen Sys­temen wäre das unter trink­was­serhygienischen und Kom­fort-Gesichtspunkten kaum zu bewältigen gewesen“, sagt Michael Jokesch vom ausführenden SHK-Fachunternehmen Jokesch-Miller aus Esslingen: „Insgesamt mussten allein im ersten Bauabschnitt schon 4000 m ,Sanpress Inox‘-Edelstahlrohr und etwa 7000 m ,Raxofix‘-Kunststoffrohr installiert werden, um die vielen Hundert Ver­braucher und Zapfstellen in den einzelnen Gebäudeteilen anzu­binden. Speziell bei konventionellen Kunststoffrohrsystemen bauen sich da sehr schnell Druckwiderstände auf, die nur durch eine gewisse ,Überdimensionierung´ abgefangen werden können. Mit dem durchflussoptimierten System ,Raxofix´ von Viega konnten wir aber insgesamt deutlich schlanker dimensionieren, ohne dass es zu Komforteinbußen in der Versorgung kommt.“

Womit zugleich der Wirtschaftlichkeit und indirekt auch der Trinkwasserhygiene Genüge getan wurde. Denn je geringer das Rohrvolumen in solch einer weit verzweigten Installation, umso häufiger findet bekanntlich der regelmäßige Wasseraustausch statt – „und das ist eine grundlegende Voraussetzung, um Verkeimung durch Stagnation zu verhindern“, unterstreicht Michael Jokesch, „Hinzu kommt dann ebenso obligatorisch beim Kalt- wie beim Warm­wasser die abgesicherte Temperaturhaltung sowohl in den Schächten für die Steigestränge als auch in den Etagenverteilungen, um Keimen erst gar keine Wachstumsbedingungen zu bieten.“

Vorausschauende Planung

Dass diese installationsseitigen Maßnahmen zum Erhalt der Trinkwassergüte so durchgängig umgesetzt werden konnten, ist der engen Abstimmung mit TGA-Fachplaner Dipl.-Ing. Philipp Ankelin, Ingenieur­gemeinschaft für Gebäudetechnik, Fellbach, zu verdanken: „Die unterschiedlichen Nutzungseinheiten und die verwinkelte Bauweise mit teilweise meterlangen Verzügen erschwerten die Auslegung der Trinkwasser-Installationen an sich schon. Darüber hinaus musste im Sinne des Bauherrn aber natürlich auch die Wirtschaftlichkeit beim Bau und im späteren Betrieb beachtet werden. Deswegen haben wir planerisch zum Beispiel in der Kindertagesstätte komprimierte Nutzungseinheiten geschaffen. So ist von diesen Stellen ausgehend jeden Tag ein hinreichender Wasserdurchsatz für das gesamte Rohrleitungsnetz in der Kita sowie die vorgelagerten Strangabschnitte gewährleistet.“

Durchgängige Dokumentation

Generell gilt für alle öffentlichen Einrichtungen in dem Gebäudekomplex bzw. für die entsprechenden Trinkwasser-Installationen: Nach Fertigstellung gibt es für den Bauherrn und die Betreiber zum einen die kompletten Revisionsunterlagen, zu denen auch die Protokolle der strangweisen Dichtheitsprüfung mit Druckluft oder die Wartungsunterlagen für bestimmte trinkwasserführende Installationskomponenten wie Filter etc. gehören. Zum anderen werden die künftigen Nutzer in den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasser-Installation eingewiesen, und zwar inklusive schriftlich festgelegter Hinweise, was bei Nutzungsunterbrechungen zu tun ist.

Michael Jokesch, der mit sei­nem Unternehmen bereits zahlreiche Objekte vergleichbarer Größenordnung realisiert hat, spricht da aus Erfahrung: „Das Thema Erhalt der Trinkwas­serhygiene ist im Neubau wie im Bestand mittlerweile bei den Bau­herrn und Betreibern genau­so präsent wie bei uns; vor allem, wenn es um Legionellen geht. Deswegen haben wir von der engen Abstimmung schon in der Planungsphase bis zur Inbe­trieb­nahme bzw. Übergabe an den Betreiber eine lückenlose Qua­litätssicherungskette aufgebaut, zu der die beschriebenen Maß­nahmen einfach fest dazu gehören. Über die lückenlose Do­ku­mentation sind wir und unsere Kunden dann gleicherma­ßen auf der sicheren Seite, dass die Trinkwasser-Installation in ei­nem einwandfreien Zustand ist und auch so bleibt, wenn sie be­stim­mungsgemäß betrieben wird.“

Brandschutz abgenommen

Das Gleiche gilt sinngemäß für die brandschutztechnischen Installationen in dem Gebäudekomplex, die ebenfalls von Dipl.-Ing. Philipp Ankelin auf Basis des Brandschutzgutachtens geplant und vom SHK-Unternehmen Jokesch-Miller ausgeführt wurden: durch unterschiedlichste, teilweise direkt nebeneinander liegende Nutzung genauso komplex, durch die verwinkelte Bauweise genauso „verzogen“, und durch die typi­schen Widrig­keiten einer Großbaustelle genauso herausfordernd in der prak­tischen Umsetzung wie die Trink­wasserinstallationen. Einige Beispiele aus dem Kapitel „Heraus­forderungen Brandschutz“: Gemischt belegte Schächte und Deckendurchführungen, die unter Platznot leiden. Rohr­leitungen, die durch die noch nicht final fertig gestellten Trockenbauwände eines Brandschutzabschnittes geführt werden müssen. Michael Jokesch weiß: „Im normalen Betrieb eines Fach­handwerksunternehmens ist das fachlich nicht mehr komplett selber zu leisten. Deswegen ziehen wir hier nach Fertigstellung unserer Arbeiten immer rechtzeitig einen Brandschutzexperten hinzu, der für uns die Arbeiten abnimmt und dokumentiert, bevor speziell die Decken oder Schächte geschlossen werden.“

Aufwand lohnt sich

Das mag, auf den ersten Blick, nach Mehraufwand aussehen, der sich später – weil nicht im Leistungsverzeichnis – auch auf keiner Rechnung wiederfindet. Auf lange Sicht aber lohne sich ein solcher Qualitätsnachweis immer, sagt Michael Jokesch: „Bauherren und Betreiber sind mittlerweile bei Fragen des Brandschutzes und der Trinkwasserhygiene gleichermaßen sensibilisiert. Spätestens bei der Abnahme wird daher sehr genau hingeschaut und, unabhängig von der ursprünglichen Ausschreibung, zu Recht die Einhaltung aktueller technischer Standards erwartet. Mit einer durchgängigen Dokumentation zu diesen beiden wichtigen Bereichen runden wir also gewissermaßen nur die qualitativ genauso hochwertige Ausführung unserer Arbeiten ab – im Sinne des Bauherrn und nicht zuletzt der Nutzer, die in den kommenden Jahren hier in der neuen Mitte Botnangs leben und arbeiten.“

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