Die „Neue Galerie“ in Kassel
Tageslichtsysteme für die documenta
Die „Neue Galerie“ Kassel gehört seit Beginn der „documenta“ zu den auserwählten Ausstellungsorten. Um deren exquisiten Rahmen als temporäre Herberge einer Vielzahl von Exponaten zu erhalten, ist sie aufwendig saniert worden. Der Berliner Architekt Volker Staab realisierte ein „Tageslichtmuseum“ mit einem großzügigen natürlichen Lichteinfall. Zu den prägenden Merkmalen zählt ein 75 m langes und 10 m breites Glasdach mit darunter liegenden Zwischendecken aus Glas.
Die hessische Stadt Kassel wird alle fünf Jahre zum Schauplatz der bedeutendsten Kunstschau der Welt. Als etablierte Plattform der internationalen Künstlerszene zeigt die „documenta“ an 100 Tagen zeitgenössische Malerei, Installationen und Objekte. 1955 von Kunstprofessor und Designer Adolf Bode erstmals initiiert, läuft sie derzeit in der 13. Auflage.
Der 1877 eröffnete, an die neoklassizistische Architektur der Münchner „Alten Pinakothek“ von Klenze angelehnte Museumsbau der „Neuen Galerie“ bot nur noch bedingt zeitgemäße Ausstellungsbedingungen. Bereits 2006 wurde für die Neue Galerie, gelegen auf der „Schönen Aussicht“, ein umfassendes Sanierungskonzept erstellt, um das jahrzehntelange „Übertünchen“ der baulichen und strukturellen Mängel zu beenden. Dafür nahm das Land Hessen 25 Mio. € in die Hand und beauftragte den Berliner Architekten Volker Staab.
Gespür für die Bedingungen der Kunst
„Unser Ziel war von Anfang an, die Eigenart der verschiedenen Räume zu stärken“, erläuterte Volker Staab seinen planerischen Ansatz kürzlich in einem Interview. So habe man die Differenzen, die dieses Gebäude von seiner Struktur her biete, wieder „herausgeschält“. Und dies mit dem notwendigen Gespür, welche Bedingungen Kunst brauche, um angemessen präsentiert zu werden. Abgesehen von der „documenta“ sind dies in der Neuen Galerie Werke des Neoimpressionismus, der klassischen Moderne, des Informel und der Pop-Art. Herzstücke der Dauerausstellungen sind darüber hinaus Arbeiten von Joseph Beuys und Ulrike Grosshardt, die in separaten Räumen gezeigt werden.
Der Architekt stand vor der Aufgabe, mit der Sanierung zum einen die Qualitäten des Bestandes erlebbar zu machen, zum anderen eine technische Modernisierung vorzunehmen und ein neues Raumgefühl zu schaffen. So blieb die Außenhülle des Gebäudes weitgehend unverändert, während unter anderem die Anzahl der Oberlichtsäle im ersten Obergeschoss vergrößert wurde. In diese fällt nun durch eine große Glasdachkonstruktion und darunter gehängte Tageslichtdecken viel natürliches Licht.
Prismensystem für optimale Lichtverhältnisse und angenehmes Raumklima
Ebenso wie die helle Raumatmosphäre Kern des Sanierungskonzeptes war, so sehr galt es, ein angenehmes Raumklima und optimale Lichtverhältnisse zu schaffen. Dies bedeutete, durch technische Vorkehrungen in dem Oberlichtsystem einerseits den solaren Wärmeintrag zu begrenzen, andererseits Blendeinwirkungen zu vermeiden. So sind in die Zwischenräume der 320 Wärmeschutzscheiben Prismensysteme integriert.
Obwohl sie das direkte Sonnenlicht reflektieren, lassen sie zugleich diffuses Licht einfallen und entwickeln eine wirkungsvolle Lichtlenkung. Die Sonnenschutzwirkung des Siteco-Systems beruht auf dem strahlungsrichtungsabhängigen Reflexions- und Transmissionsverhalten, das einen eindeutig definierten Sperr- und Durchlassbereich aufweist. Es wurde optimal an den baulichen Gegebenheiten und der geographischen Lage des Gebäudes ausgerichtet.
Energieeffizientes und thermisch ausgereiftes Gesamtsystem
Dass der Tageslichteinfall im Rauminneren homogen gestreut wird, dafür sorgen zudem fünf jeweils über den einzelnen Oberlichtsälen eingezogene horizontale Glaszwischendecken (Gesamtfläche 450 m2) und darunter als weitere Deckenebene aufgehängte, in den Räumen sichtbare Scheiben aus satiniertem Kunststoff. Durch die Klimaverglasung der Glaszwischendecken ist zudem der Dachraum unter der Oberlichtkonstruktion wärmetechnisch entkoppelt und dient als Pufferraum.
Hohe Ansprüche stellte das Sanierungskonzept auch an die energetischen Qualitäten der 750 m2 großen Glasdachkonstruktion, um die Energieeffizienz des Gesamtgebäudes zu erhöhen. So besteht das Pfosten-Riegel-System der Konstruktion von Lamilux (www.lamilux.de) aus thermisch getrennten Profilen. Der Wärmedurchgangskoeffizient (Rahmen-U-Wert) beträgt daher nur 1,8 W/(m²K). Zudem liegt der Ug-Wert der eingesetzten Sonderverglasungen bei unter 1,2 W/(m²K).
Zudem hat die Glasdachkonstruktion auch sicherheitsrelevante Funktionalitäten im Rahmen des baulichen Brandschutzes zu erfüllen. Hierfür integrierte Lamilux sechs großflächige RWA-Flügel und drei aus beweglichen Glaslamellen bestehende Zu- und Abluftanlagen in die Walmbereiche des Tageslichtsystems sowie die dazu gehörende Steuerungs- und Antriebstechnik.