Elektrotechnik und Gebäudeautomation

Eine hilfreiche und sinnvolle Verbindung

Elektrotechnische Komponenten finden sich in jedem Haus. Zum einen können sie helfen, die Gebäudeautomation zu unterstützen, zum anderen können sie selbst Funktionen davon übernehmen. Doch beide Möglichkeiten werden selten genutzt.

Die wichtigste baupolitische Diskussion dreht sich derzeit um bezahlbaren Wohnraum. Soll der geschaffen werden, muss die bauliche Investition so gering wie möglich ausfallen. Das führt etwa zu dem weitverbreiteten Stahlbetonbau mit außen angeklebter Dämmung – und das nicht nur in der Wohnungswirtschaft. Eine hochwertige und automatisierte Gebäudetechnik bleibt meist außen vor oder wird auf ein notwendiges Minimum beschränkt.

Doch die geringeren Anfangsinvestitionen können später teuer werden. Denn die Möglichkeiten der Gebäudeautomation, etwa in Bezug auf Energieeinsparung, können so nicht genutzt werden. Einen Hoffnungsschimmer bietet der „Smart Meter“-Rollout – zumindest für den Strombereich für große Immobilien. Denn hier ist die digitale Erfassung der verbrauchten Strommengen seit 2017 vorgeschrieben. Daraus lassen sich leicht Steuerungsmodelle für die Stromversorgung ableiten. Für den Wärmebereich gibt es die gleichen Komponenten, wenngleich nicht gesetzlich verpflichtend. Auch hier lassen sich die Daten leicht digital erfassen und entsprechende Effizienzgewinne erzielen.


Ohne Kommunikationsnetze geht nichts

Grundvoraussetzung für die Einbindung elektrotechnischer Komponenten in die Gebäudeautomation sind etablierte Kommunikationsstandards wie BACnet (ISO 16484-5) und KNX (ISO/IEC 14543). BACnet selbst hat zwar schon gut 30 Jahre auf dem Buckel, weil die zu bewältigenden Datenmengen im Vergleich zu anderen Systemen sehr hoch sind. Dennoch setzen viele Planer gern auf das bewährte System. 

Zusätzlich zu den kabelbasierten KNX-Lösungen sind inzwischen auch KNX-funkbasierte sowie Lösungen auf Basis von „KNX IP secure“ auf dem Markt. Andere prioritäre, nicht standardisierte Lösungen erlauben wiederum eine Einlagerung der Daten in Clouds und damit verbundene Möglichkeiten wie Fernsteuerung (zum Sicherheitsaspekt solcher Lösungen siehe weiter unten).

Doch auch bei diesen Steuerungen, die bisher etwa via App erfolgen, wird es nicht bleiben. „In 20 bis 30 Jahren ist auch das überflüssig“, so Markus Töhne, Spezialist für Versorgungstechnik und IT, „dann wird das mittels Künstlicher Intelligenz geregelt.“

„Bei der Einbindung solcher Komponenten“, so Markus Töhne weiter, „steht immer der höhere Komfort für die Nutzer im Vordergrund.“

Das bestätigt auch Heinz Lux von der KNX Association. Erst an zweiter Stelle komme eine höhere Energieeffizienz durch auf die baulichen Gegebenheiten und das Verhalten der Nutzer abgestimmte Algorithmen. „Dazu kommen dann quasi als Nebenprodukt Vorteile wie eine erhöhte Sicherheit durch Anwesenheitssimulation und Fernsteuerung sowie Fernüberwachung durch den Nutzer“, so Heinz Lux. Auch frühzeitige Informationen über mögliche Probleme in Betriebsmitteln, Visualisierung von Verbrauchswerten und damit Rückwirkungen auf das Verhalten zählten hierzu.

Grundvoraussetzung, so Markus Töhne, seien Sensoren, die den Zustand etwa eines Raumes erfassen und diesen mit den Bedürfnissen abgeglichen: Das wiederum wirke auf Aktoren, die entsprechende Steuerungen umsetzten. Markus Töhne nennt etwa Rollläden, die sich nach dem Stand der Sonne automatisch schließen und öffnen, und die damit gekoppelte Lichttechnik, die eine optimale Ausleuchtung gewährleiste. Daran könnten auch Sensoren gekoppelt werden, die den Sauerstoffgehalt messen und diese Information an automatisch gesteuerte Fenster weitergeben.

„Gerade die Beleuchtungs-, die Rollladen- und die Jalousiesteuerung sowie Heizung, Lüftung und Klimatisierung mit ihren dazugehörigen Komponenten wie Bedienelementen, sonstigen Sensoren und Aktoren waren die ersten Komponenten, die automatisiert gesteuert wurden“, so Heinz Lux. Später kamen Sicherheitstechnik, Mess- und Verbrauchswerte hinzu. „Heute können alle Bereiche, bei denen eine Elektrofachkraft zum Einsatz kommt, von der KNX-Hausautomation abgedeckt werden“, so Heinz Lux.

All diese Investitionen kosten mehr Geld. Einsparungen sind nur über ein verbessertes energetisches „Verhalten“ der Gebäude möglich. Markus Töhne nennt mögliche 20 bis 30 % Minderverbrauch.

BIM als gutes Planungswerkzeug

Sollen solche Systeme umgesetzt werden, müssten zunächst mit einem Systemintegrator die Vorstellungen sowie Wünsche des Bauherrn abgeklärt und weitere Möglichkeiten aufgezeigt werden, so Heinz Lux. Daraus müsse ein Lastenheft entstehen. Das zu wählende System und die dazugehörigen Komponenten richten sich dann nach der geplanten Nutzungsdauer des Gebäudes.

Eine der Möglichkeiten, solche Planungen zu verwirklichen, ist Building Information Modeling (BIM). Kurz gesagt geht es dabei um Folgendes: Alle Räume, Komponenten und Nutzungseventualitäten eines Gebäudes werden digital erfasst. Statt der üblichen 2D-Bauzeichnungen wird mit der BIM-Methodik in Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten ein 3D-Modell geschaffen. In diesem werden alle Planungsschritte, Baufortschritte und Gewerke dargestellt.

„Die im BIM verfügbaren Softwarepakete unterstützen alle in Planung, Bau, Ausbau und Betrieb involvierten Gewerke. Dies gilt im Rahmen der Elektroinstallation auch für den Bereich der KNX-Hausautomation“, so Heinz Lux. 

Durch ein zentrales Datenmodell seien die Informationen immer aktuell von allen involvierten Akteuren les-, modi­fi­zier- und verfügbar. Änderungen im Gebäude selbst könnten sofort bei der Planung der Trassenführung und Platzierung von Verteilern berücksichtigt werden. Für die Planung und Projektierung der Gebäudeautoma­tion benötige man ein darauf abgestimmtes Planungs-, Projektierungs- und Inbetriebnahmewerkzeug, wie die „ETS“ für das KNX-System.

Planungsfehler, insbesondere bei solch komplexen Systemen wie den vorab beschriebenen, lassen sich also minimieren. „Von den Bauplanern, aber auch von den Handwerkern wird das immer mehr angenommen“, so Markus Töhne. Trotz des größeren Aufwands lohne sich das, weil auch die Planung schneller zu bewältigen sei, wie im anschließenden Interview zu lesen ist.

BIM funktioniert auch bei Bestandssanierungen. Es gibt am Markt entsprechende Geräte, die als eine Art Rollkoffer durch alle Räume fahren und dort sämtliche Oberflächen scannen, bewerten und systematisieren.

 

Zukunft mit Home Entertainment

Die Entwicklung zur vollständigen Automatisierung des Gebäudes ist noch keineswegs abgeschlossen. „Home Entertainment wird in Zukunft verstärkt wesentlicher Bestandteil der Hausautomation sein“, so Heinz Lux. Im Zusammenhang mit der E-Mobilität werden das lokale sowie das übergeordnete Lastmanagement in „Smart ­Grids“ immer wichtiger. Darüber hinaus seien viele weitere Anwendungen denkbar, so das „Assisted Living“, mit dem etwa Bedürftige und Rentner durch die Automation in ihren Wohnungen im Alltag unterstützt würden.


Sicherheit in der Cloud

Verbunden mit den Daten in einer Cloud ist auch die Frage nach deren Sicherheit. „Unternehmen sollten immer eine Sicherung der aktuellen Daten haben“, so Markus Töhne. Er selbst kenne Beispiele, wo der Chef bei kleineren Unternehmen nach Feierabend die Daten auf einem Stick sichert und mit nach Hause nimmt. Bei größeren Unternehmen geht das natürlich nicht. Hier gilt es, schon beim Vertrag mit dem Cloudanbieter festzulegen, was gespeichert und gesichert wird und was nicht. Aber: „Eine pauschale Aussage, ob und wofür ein systemunabhängiger Backup eingebaut werden soll, ist nicht möglich. Das sollte vorzugsweise im Planungsgespräch mit dem Systemintegrator abgeklärt werden“, so Heinz Lux.

Bei der Nutzung von KNX-„ETS“ etwa wird automatisch eine Projektdatei erzeugt, die dem Nutzer übergeben werde, so Heinz Lux. Bei vielen Betrieben sei es mittlerweile üblich, gerade diese Daten zusätzlich auch auf einem abgesicherten Server in einem Data-Center zu speichern. Das Ablegen von Daten an zentraler Stelle bedeute nicht zwangsläufig, dass jeder beliebige Dritte darauf zugreifen kann.

Selbstverständlich sollte sein, dass sensible Unternehmensdaten nicht in eine Cloud gehören. Im Falle eines Bauwerks wären das alle Angebote, Baufortschritte und Ähnliches.

 

Problem: Fachkräftemangel

Doch all diese Lösungen könnten derzeit an einem anderen Problem scheitern: dem Fachkräftemangel. Letztlich müssen die smarten elektronischen Komponenten von Fachleuten eingebaut werden. Die Branche hat derzeit sehr gut zu tun, Weiterbildungen, die dafür nötig sind, können deswegen meist gar nicht absolviert werden. „Auch Projektleiter klagen darüber“, so Markus Töhne abschließend.

Kurzinterview

tab: Warum kommen Bauherren, Planer und Handwerker so selten auf einen gemeinsamen Nenner?

Dr. Peter Burnickl: Alle haben unterschiedliche Interessen, der Bauherr will etwa die Betriebskosten so gering wie möglich halten, der Planer kennt die dafür geeigneten Technologien, prüft jedoch nicht immer deren Wirtschaftlichkeit. Was nützt es mir, wenn ich für einen mittleren sechsstelligen Betrag eine Gebäudeautomation habe, die mir aber über die Energieeffizienz jährlich nur ein mageres fünfstelliges Sümmchen spart. Da blutet mein Kaufmannsherz. Wir als Ingenieure kommen ja gleich nach der katholischen Kirche und schreiben dem Handwerker vor, was er zu installieren hat. Und der Handwerker muss das wohl oder übel einbauen. Bei konventioneller Technik mag das noch gehen, bei Automatisierungskomponenten jedoch nicht.

tab: Wie kann man das vermeiden?

Dr. Peter Burnickl: Indem man vorher mit dem Bauherrn oder besser dem späteren Betreiber abklärt, was er eigentlich will. Wir Planer vergessen eben häufig den Nutzer und Betreiber. Es nützt mir das am besten automatisierte Gebäude nichts, wenn es niemand betreiben kann. Typisch dafür ist die Leistungsphase 9, also die erste Betriebsphase. Da sind alle weg, Handwerker, Planer, … – und der Bauherr steht mit der gesamten Technik allein da.

tab: Was wäre denn konkret zu tun?

Dr. Peter Burnickl: Der Ball liegt beim Planer. In erste Linie sollte er nicht an Technik denken, sondern an das, was der Bauherr oder der Betreiber will. Wenn der Bauherr die Wahl hätte zwischen mehr Technik und mehr Betriebskosten, oder weniger Technik und weniger Mitarbeiter, fällt diese eindeutig aus. Ich muss also nicht auf Gedeih und Verderb alles automatisieren. Und das sage ich, obwohl ich absolut technikaffin bin. Man braucht eine Nutzerbedarfsanalyse, nicht eine Bauherrnbedarfsanalyse. Deswegen muss man versuchen, wenn irgendwie möglich, am Anfang ins Gespräch mit den späteren Nutzern zu kommen. Das bedarf mehrerer Runden. Das Problem dabei: Man hat mitunter zwei Parteien, eben Betreiber und Bauherrn, die sich nicht unbedingt mögen. So etwa bei öffentlichen Bauten, wenn der Bauherr das Land ist und der Nutzer eine Institution, und die sich nicht mal kennen.

tab: Trotz dieser Nutzerwünsche – was sollte man unbedingt an Komponenten bei der Gebäudeautomation berücksichtigen?

Dr. Peter Burnickl: Auf jeden Fall Bewegungspräsenzmelder, Feuchte- und Lichtsensoren sowie solche für CO2. Das ist absoluter Standard und in den allermeisten Fällen auch empfehlenswert. Diese Komponenten erfüllen auch einen Wunsch der Nutzer nach mehr Usability. Denn die sehen, was auf einem Handy möglich ist und wollen das auch auf ein Gebäude übertragen. Deswegen braucht man heute auch nicht mehr mit einer gruseligen Gebäudesteuerung ankommen, die kaum einer versteht. Das muss funktionieren wie auf dem Tablet, also intuitiv. In den nächsten Jahren sehe ich hier einen Trendwechsel auch bei jungen Planern und Ingenieuren, die damit aufwachsen.

tab: Wie korrespondiert das mit den üblichen Standards in der Gebäudeautomation wie KNX oder BACnet?

Dr. Peter Burnickl: Kabel ist nicht schlecht, aber der Trend geht hin zu funkbasierten Systemen. Wir sind froh, dass wir nicht mehr zehn verschiedene Kabelsorten durchs Gebäude ziehen müssen. Dennoch bleibt es komplex. Ich muss ja auch so bis zu zehn Bus-Systeme miteinander vernetzen. Leider muss man sagen, dass hier das „Smart Home“ im Eigenheim dem Gewerbebau um Lichtjahre voraus ist.

tab: Wie wird ein Gebäude in der Zukunft gesteuert werden?

Dr. Peter Burnickl: An Sensoren gibt es alles, was man braucht. In fünf bis zehn Jahren rechne ich mit Gestensteuerung. Über Künstliche Intelligenz (KI) im Gewerbe- und Sonderbau denke ich noch nicht intensiv nach. Hierzu gibt es derzeit meines Erachtens noch keine Nutzer. BIM ist kein Hype, das ist ganz klar die Zukunft. Bei uns in Bayern wird das sogar von der Landesregierung unterstützt. BIM ist Bestandteil des Koalitionsvertrags und wird daher auch durch öffentliche Auftraggeber immer mehr gefordert (nicht nur in Bayern). Wir müssen, wie ja schon erwähnt, immer den Nutzer im Blick behalten. Wir hatten den Fall in einer Schule, in der wir eine Lichtsteuerung einbauen mussten. Ich wollte das nicht, weil das ja für alle Lehrkräfte von 22 bis 65 Jahren funktionieren muss. Letztlich mussten wir den Lehrkräften erklären, dass es auch mal dunkel werden kann, wenn eine Wolke vorbeizieht, weil die automatische Steuerung so schnell gar nicht regieren kann. Ein weiteres Beispiel sind Gebäude, in denen die Putzfrau nicht mal mehr den Lichtschalter einschalten kann. Das ist Blödsinn. Oder wo ich neben an sich einfachen Steuerungen ein A4-Blatt mit Erklärungen anbringen muss, wie man etwas ein- und ausschaltet.

tab: Wird Building Information Modeling (BIM) auch bei den Kunden als hilfreiches Planungsmittel gesehen, um so etwas zu vermeiden?

Dr. Peter Burnickl: Ja, Rückmeldungen aus der Industrie geben mir recht. Wir suchen ganz proaktiv auch nach kleinen BIM-Projekten, damit wir selbst dabei lernen. Wer jetzt nicht auf den Zug aufspringt, wird es in Zukunft schwer haben. Denn BIM ist nicht nur 3D, sondern 6D oder 7D, weil ich ja Zeitschienen oder Kosten integrieren kann. Auch wenn die Investitionen bei BIM erstmal höher sind, die Vorteile sind immens und die Fehler in der Planung, die sich extrem katastrophal auf den gesamten Bau auswirken, werden absolut minimiert.

tab: Vielen Dank für die ausführlichen Antworten.

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