Kommentar zu „Trinkwasserleitungen in Gebäuden“

Ein Leserbrief zu einem Beitrag in der tab 5/2018

Den Artikel „Trinkwasserleitungen in Gebäuden Inbetriebnahme benötigt eindeutiges technisches Regelwerk“ auf den Seiten 76 und 77 der tab 5/2018 von Herrn Wagner möchte ich als Hochschullehrer für Sanitärtechnik der Beuth Hochschule Technik Berlin nicht unkommentiert lassen.

Zunächst mein fachlicher Standpunkt zur Trinkwasserinstallation:

Herr Wagner stellt zu recht die Problematik dar, dass es bei der Dichtheitsprüfung mit Luft aufgrund ihrer Eigenschaft als Gasgemisch bzw. auch inerten Gasen (im weiteren nur als Luft bezeichnet) Probleme gibt, weil aufgrund der Komprimierbarkeit von Gasen Undichtigkeiten nicht sofort feststellbar sind.

Andererseits kann nach der Dichtheitsprüfung mit Wasser im Rohr verbleibendes Wasser zur Vermehrung von Keimen und damit zur Kontamination des Rohrnetzes führen. Immerhin ist ja Trinkwasser, wie es vom Versorger kommt nicht steril.

Eine restlose Entleerung nach der Dichtheitsprüfung ist in aller Regel weder praktikabel noch restlos realisierbar.

Der Kompromiss war die Dichtheitsprüfung mit ölfreier Druckluft oder inerten Gasen.

Da Luft komprimierbar und ein Überdruck sich bei Leckagen nicht sofort abbaut, gibt es andere arbeitsschutztechnische Anforderungen, die u.a. dazu führen, dass nur ein deutlich geringerer Druck (bis DN50 i.d.R. max. 0,3 MPa oder 3 bar) aufgebracht werden kann.

Typischerweise fließt das Trinkwasser in unseren Trinkwasserleitungen regelmäßig mit deutlich höherem Druck (Überdruck gegenüber Umgebung) als nur 3 bar bzw. 0,3 MPa. Damit ist mit Luft eine Belastungsprüfung der Trinkwasserrohre nicht realisierbar.

Mit Luft kann nur die abschnittsweise Dichtheitsprüfung im Bauablauf erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass Teile der Installation, die hinter Verkleidungen verschwinden vorher auf Dichtheit geprüft werden können. Auch kann eine Dichtheitsprüfung erfolgen, wenn nach Fertigstellung der Trinkwasserinstallation bis zur Aufnahme des bestimmungsgemäßen Betriebes aufgrund anderer Probleme noch Zeit vergeht.

Im Zusammenhang damit sind bei Pressfitting-Installationen Systeme unabdingbar, die unverpresst definiert undicht sind, damit unverpresste Fittingverbindungen bereits bei der Dichtheitsprüfung mit Luft auffallen.

Für Systeme, die bereits unverpresst dicht sein können ist nach meiner Meinung die Dichtheitsprüfung mit Luft nicht praktikabel. Man lauft Gefahr, dass erst bei der Belastungsprüfung mit Wasser oder gar erst beim Betrieb der Anlage, die unverpressten Verbindungen sich lösen und zu Undichtigkeiten führen.

Vor der Marktverfügbarkeit unverpresst definiert undichter Fittingsysteme hatten sich viele Installationsbetriebe bei der Belastungsprobe aus der Not heraus mit durch Einhebelmischer aufgebrachten Druckschlägen beholfen, um potentiell unverpresste Fittingverbindungen zu finden.

Insofern erstaunlich, dass es immer noch Systeme am Markt gibt, die bereits unverpresst dicht sein können.

Die Belastungsprobe der Trinkwasserrohrleitungen muss daher immer mit sauberen Trinkwasser erfolgen.

Nach der Belastungsprobe mit Trinkwasser ist für die gesamte Trinkwasserinstallation der bestimmungsgemäße Betrieb aufzunehmen oder dieser ist ggf. durch regelmäßige Wasserzapfungen an allen anhand der Trinkwassernetzstruktur erforderlichen Entnahmestellen zu simulieren.

Im Rahmen der Belastungsprobe des Trinkwassernetzes sollte also spätestens dann eine Undichtigkeit oder unverpresste Verbindungsstelle auffallen.

Ob ein mit Wasser auf Dichtheit geprüftes System, das danach längere Zeit unbenutzt stand mit einer Desinfektion nachhaltig und definiert von allen Keimen befreit wird, ist zumindest fraglich. Das Gegenteil wurde schon häufig beobachtet.


Nun zur Diskussion um die „Nationalen Bestimmungen“, die die Dichtheitsprüfung mit Luft erlauben:

Es ist richtig, dass die einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik keinen Gesetzescharakter haben. So wird aber z.B. in der Trinkwasserverordnung die gesetzlich über das Infektionsschutzgesetz eingeführt ist, an vielen Stellen auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik verwiesen. Auch werden zumindest bei VOB-Verträgen viele Normen und Richtlinien über deren Verweis in der VOB Teil C automatisch mit vereinbart.

Auch wenn eher selten mal einer Norm, Richtlinie, Arbeits- oder Merkblatt im Rahmen eines Gerichtsprozesses der Status einer allgemein anerkannten Regel der Technik aberkannt wird, kann man doch grundsätzlich davon ausgehen, dass Normen, Richtlinien, Arbeits- und Merkblätter den Status allgemein anerkannter Regeln der Technik haben. Juristen sprechen da auf Seminaren meist von einer Vermutungswirkung, die solange besteht, bis deren Status einer anerkannten Regel der Technik widerlegt wurde.

Man darf daher davon ausgehen, dass im Bereich Trinkwasser die diversen Normen, Richtlinien und Merkblätter (z.B. DIN EN 806, DIN 1988, VDI 6023, diverse DVGW Arbeitsblätter, diverse „twin“-Blätter des DVGW, diverse ZVSHK-Merkblätter usw.) als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten und als „Nationale Bestimmung“ zu EN-Normen und anderen europäischen Bestimmungen gelten.

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