RDA in Hochhäusern
Eine Betrachtung aus technischer SichtEin Sicherheitstreppenhaus und ein Feuerwehraufzug verbergen sich unscheinbar im Hochhaus, werden nicht vom Nutzer wahrgenommen und dienen i. d. R. als Verkehrsweg bzw. Transportmöglichkeit. Die Existenz der darin integrierten Rauchschutz-Druck-Anlage (RDA) wird selten sichtbar. Dabei erfüllen im Brandfall erst das Sicherheitstreppenhaus und der Feuerwehraufzug gemeinsam mit der Rauchschutzdruckanlage entscheidende und unerlässliche Sicherheitsfunktionen. Deshalb schreiben Baurecht und vorbeugender Brandschutz solche Anlagen vor.
In einer rechtssicheren Unternehmensorganisation hat sich der Begriff „Corporate Governance“ zusammen mit dem Begriff „Compliance Management“ etabliert. Demnach sind Unternehmensabläufe so zu organisieren, dass Unternehmensleitung, -überwachung und auch die Belegschaft sich bewusst verhalten. Gesetze, Richtlinien und interne Vorgaben sind, soweit sie zum Tagesablauf gehören, bekannt zu machen, organisatorisch umzusetzen und im Übrigen auch treffend zu dokumentieren.
Dazu gehören z.B. auch sichere Flucht- und Rettungswege in einem Hochhaus.
Einsatzgrenzen der Feuerwehr
Die Einsatzmöglichkeiten der Feuerwehr sind durch die Drehleitern und die tragbaren Leitern begrenzt – gerade in Hochhäusern mit Nutzflächen oberhalb der Grenze der Anleiterbarkeit. Wo Leitern und Hubrettungsfahrzeuge nicht mehr ausreichen, erfordert es Sicherheitstreppenhäuser und Feuerwehraufzüge, ausgestattet mit Rauchschutzdruckanlage. Sie zielen darauf ab, eine sichere Evakuierung von Mensch und Tier aus dem Gebäude heraus zu ermöglichen und den wirksamen Löschangriff der Feuerwehr zu unterstützen.
Anforderungen an eine Rauchschutzdruckanlage
Die Hochhaus-Richtlinien der einzelnen Bundesländer definieren wesentliche Anforderungen an Rauchschutzdruckanlagen für Sicherheitstreppenhäuser und Feuerwehraufzüge. Demnach haben diese idealerweise mit geregeltem Überdruck die Kerne und Fluchtwege zu fluten, um Rauchverschleppungen zu verhindern. Die Luft muss auch bei geöffneten Türen zu dem Brandereignis in dem definierten Geschoss und sogar unter ungünstigen klimatischen Bedingungen entgegen der Fluchtrichtung strömen. Nur so lässt sich Rauch an seinem Entstehungsort zurückhalten. Nur so können Fluchtwege gegen Rauch gesichert werden.
Wer sich schon einmal mit Anforderungen aus der Hochhaus-Richtlinie, der Bauordnung und anderen Regelwerken auseinandergesetzt hat, stellt schnell fest, dass der Teufel im Detail steckt. Es bedarf einer individuellen und abgestimmten Planung, vor allem mit dem vorbeugenden Brandschutz.
Planung einer Rauchschutzdruckanlage im Neubau
Sicher aufwendig, aber durchaus planen lassen sich RDAs bei Neubauvorhaben. Aktuelle Anforderungen, Gesetze, Normen und Richtlinien sind bekannt, ebenso verhält es sich mit dem Stand der Technik. Planer aus Technik und Architektur stimmen sich im Team ab. Ideale Ergebnisse können erzielt werden, wenn sich der Fachplaner das erforderliche Know-how angeeignet hat und über Kenntnisse der bereits erfolgten Ingenieurleistungen und Planungen verfügt.
Rauchschutzdruckanlagen im Bestand
Eine Anpassungs- oder Nachrüs-tungsverpflichtung für bestehende Hochhäuser besteht nicht automatisch. Die Bestandssituation ist danach zu bewerten, ob Schutzziele eingehalten werden und ggf. auch Kompensationsmöglichkeiten im Sinne der Schutzziele treffend genutzt werden.
Vor allem bei Hochhäusern, die vor den 2000er Jahren errichtet wurden, lassen sich wiederkehrend Besonderheiten feststellen.
Im Vergleich zu den Regelwerken von heute und den Regelwerken von damals weisen RDAs im Bestand erhebliche Abweichungen auf. Selbst bei den gültigen Randbedingungen und insbesondere der Hochhaus-Richtlinie zum Zeitpunkt der Errichtung finden sich oft große Unterschiede. Daher gilt es, bei bestehenden Hochhäusern und ähnlichen Gebäuden gewerkeübergreifend abzustimmen, wie aktuelle Gesetze, Normen, Richtlinien und der Stand der Technik zur Anwendung kommen sollen.
Einige Beispiele zum Thema:
Durchaus üblich wurden RDAs für Sicherheitstreppenhäuser und Feuerwehraufzüge pauschal mit 10.000 m³/h ohne Leckagen bemessen, bei einem maximalen Überdruck von 50 Pa an den Türen. Also einer Art Spülluftanlage, die jedoch bei Sicherheitstreppenhäusern und Feuerwehraufzügen mit z.B. 40 m und mehr Höhe nicht zur Anwendung kommt.
Schließlich wirken sich physikalische Einflussgrößen wie Thermik und Strömungsdruckverluste mit wachsender Gebäudehöhe aus. Eine Pauschale mit 50 Pa Überdruck ist weder zutreffend noch plausibel. Denn es gilt, die Türöffnungskraft auf höchstens 100 N zu begrenzen, die sich wiederum aus der Türfläche und dem Druck bemisst.
Willkürlich erhobene Vorgaben mit 10.000 m³/h und 50 Pa waren vor den 2000er Jahren üblich, so wie sie auch in den Bauantragsunterlagen stehen. Doch nach heutigen Erkenntnissen lassen sich so Schutzziele nach LBO nicht mehr erfüllen.
Soweit keine plausiblen Kompensationsmaßnahmen oder anderweitige Nachweise über die Wirksamkeit und Betriebssicherheit durch Prüfsachverständige bescheinigt wurden, liegt bei solchen Rauchschutzdruckanlagen „Gefahr im Verzug“ vor.
Es besteht zwingend Handlungsbedarf. Die Verantwortung liegt beim Eigentümer und Betreiber.
Checkliste für RDAs im Bestand
Für eine erste, stark vereinfachte Einschätzung zu Wirksamkeit und Betriebssicherheit der RDA können folgenden Fragen beantwortet werden. Bei Bedarf sind die Fachabteilung des Betreibers oder geeignete Berater hinzuzuziehen:
1. Werden die Sollvolumenströme im geöffneten Türquerschnitt zum Vorraum erreicht?
2. Wird die maximale Türöffnungskraft von 100 N eingehalten?
3. Ist eine sichere Abströmung vorhanden? Abströmung durch manuell zu öffnende Fenster sind i.d.R. nicht anwendbar.
4. Werden die Sollvolumenströme und Türöffnungskräfte bei allen klimatischen Bedingungen erreicht?
Sollte eine der Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, empfiehlt es sich, den Sachverhalt vertiefend untersuchen zu lassen und entsprechend schriftliche Stellungnahmen zu erarbeiten.
Eine Gefährdungsanalyse sollte zur eigenen Absicherung aufgestellt werden.
Abhilfemaßnahmen für Rauchschutzdruckanlagen im Bestand
Bei einer Überprüfung von Bestands-RDAs sind zunächst wertneutral alle Bauteile und Funktionen auf den Prüfstand zu stellen. Dazu zählen insbesondere die mechanischen technischen Anlagen, die Gebäudeautomation und die Stromversorgung sowie die baulichen Gegebenheiten. So ist z.B. darauf zu achten, dass die Abströmung windrichtungsunabhängig realisiert wurde und keine Doppelaxialventilatoren als Redundanz eingesetzt wurden. Eine Ertüchtigung von Bestands-RDAs ist denkbar. Lösungen sind individuell und objektspezifisch gemeinsam mit der Statik, der Bauaufsicht und der Feuerwehr zu erarbeiten. Mit einer Entscheidungsvorlage wird festgelegt, ob es ausreichend sein wird, Teile aus dem System zu ertüchtigen, oder eine Gesamtsanierung vorzunehmen ist.
Vor allem gilt es, die RDA nach aktuellem Stand der Technik auszuführen.
Alle klimatischen Bedingungen finden dann Berücksichtigung. Schließlich gewinnen physikalische Einflussgrößen wie Thermik und Strömungsdruckverluste mit wachsender Gebäudehöhe zunehmend an Bedeutung. Dazu wird eine temperaturgesteuerte Zuluftverteilung vorgesehen sowie eine dynamischen Druckregelung. In Abhängigkeit der Hochhaushöhe werden auch Nulldruckmessstellen an der Außenfassade positioniert.
Schon bei einer Teilsanierung sollte entschieden werden, ob die RDA mit auf die Gebäudeleittechnik zu schalten ist. Dann können beispielhaft Betriebs- und Störmeldungen visualisiert werden, die so den Gebäudebetreiber laufend zum allgemeinen Status der RDA informieren. Die Schaltschrankfelder der RDA sind jedoch von den Gebäudeanlagen zu trennen. Die Druckregelungskomponenten sind i.d.R. in E90 auszuführen, wenn diese nicht im gleichen Brandabschnitt verortet sind.
Fazit
Auf dem Weg zu einer rechtssicheren Unternehmensorganisation im Sinne eines funktionierenden Corporate Governance zählt auch eine wirksame und betriebssichere Rauchschutzdruckanlage.
Es gilt, die Bestandssituation zu hinterfragen. Denn im Brandfall wird niemand das Argument akzeptieren, die RDA sei schon immer da gewesen.
Zwei Schutzziele sind dabei vorrangig zu bewerten:
Andernfalls drohen im Worst-Case-Szenario den Verantwortlichen und dem Unternehmen selbst Schadensersatzhaftung, Bußgelder, Geld- und Freiheitsstrafen, Umsatzabschöpfung, Negativ-PR, Kursverluste, Arbeitsplatzverluste, behördliche Zwangsmaßnahmen sowie der Verlust der persönlichen und beruflichen Existenz.
Statistisch gesehen sind ca. 43 % der Unternehmen zeitnah nach einem Brand zahlungsunfähig. Weiteren ca. 28 % der Unternehmen, in denen es gebrannt hat, droht innerhalb von drei Jahren nach dem Brandereignis die Insolvenz. Schließlich kommt es zum Verlust von Kunden und Marktanteilen. Dabei fallen die reinen Brandschäden oft gar nicht so sehr ins Gewicht. Ausfälle im Unternehmen machen das weit größere Risiko aus [1].
Quelle
[1] www.bs-siepelmeyer.de/files/download/Schadenauswertung_2005.pdf, abgefragt am 22. Mai 2021