Elektrotechnik in Lasermessräumen

Neubau eines Forschungsgebäudes des Max-Planck-Instituts

Das Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg nimmt ein Alleinstellungsmerkmal in der internationalen Forschungslandschaft ein und ist dafür auf Höchstleistungsinstrumente angewiesen, die hohe Anforderungen hinsichtlich konstanter Temperatur-, Reinheits- und Klimabedingungen erforderlich machen. Das Team von pbr Architekten Ingenieure plante die elektrotechnische Ausrüstung, die u.a. eine Versorgungssicherheit auch im Notfall gewährleistet und die Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) erfüllt.

Auf dem Gelände des 1950 in Hamburg-Bahrenfeld gegründeten Deutschen Elektronen-Synchroton (DESY) wurde der Neubau des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPISD) realisiert. Das von Hammeskrause Architekten entworfene Forschungsgebäude stellt sich auf dem Campus als Solitärbaustein dar und flankiert als ordnendes Element den Vorplatz zum Center for Free-Electron Laser Science (CFEL). Das Forschungsgebäude setzt sich aus drei Geschossen und einer Dachzentrale zusammen. Zwischen den verdichteten Nutzflächen der Labormodule im Erdgeschoss und den Laborclustern im Obergeschoss befinden sich u.a. Besprechungsräume und offene Kommunikationsflächen, die sich um das offene zentrale Atrium arrondieren. Außerdem erhielt der Neubau eine mechanische Werkstatt sowie ein eigenes Rechenzentrum. Die Dachzentrale bietet Platz für die Gebäudetechnik und die Labortechnik.

Mit einer Nutzfläche von 6.200 m2 und einer Bruttogeschossfläche von ca. 12.600 m2 bietet der neue Forschungsbau ausreichend Platz für Labore, physikalische Messräume sowie Laserräume. Um die Forschungen der ca. 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts zu ermöglichen, sind hochinstallierte Laserlaborflächen mit sehr hohen Anforderungen an Kälte, absolute Dunkelheit sowie Schwingungs- und Temperaturkonstanz entstanden. Zu den hier beheimateten Abteilungen gehören die Quantendynamik der kondensierten Materie, die atomar aufgelöste, strukturelle Dynamik, die Theorie der Nichtgleichgewichts-dynamik, die strukturelle Biologie und Nanoskalendynamik sowie die Physik mit Freie-Elektronen-Lasern. Die Mission des Instituts erfordert Zugang zu Hochleistungs-strahlenquellen, wie sie derzeit in Deutschland nur in Hamburg mit den Freie-Elektronen-Lasern Flash und European XFEL, der Synchrotron-Strahlenquelle Petra-III und der relativistischen Elektronenkanone REGAE zur Verfügung stehen.

Nutzeranforderungen erfüllen, Flexibilität ermöglichen

Die technische Infrastruktur wurde entsprechend der aktuellen Nutzeranforderungen geplant, lässt künftig jedoch Spielraum zu, um flexibel auf sich ändernde Bedingungen reagieren zu können. Jede Abteilung, die Laborbereiche der Forschungsgruppen und die Nachwuchsgruppen werden über jeweils eigene Technikbereiche versorgt. Die Laborbereiche im Untergeschoss sowie im Erdgeschoss werden aus dem Untergeschoss über eine zentrale Versorgungsachse angebunden und versorgt. Die Laserlabormodule werden einzeln angefahren ohne Medienkreuzung der benachbarten Module. Auf diese Weise ist nicht nur ein optimaler Betrieb ohne Beeinträchtigung der Nachbarlabore, sondern auch eine gute Wartung und Nachrüstbarkeit gewährleistet. Das Laborcluster respektive die Laborbereiche im zweiten Obergeschoss werden aus der Technikzentrale auf dem Dach versorgt und sind auf kurzem Wege direkt angebunden. Aufgrund der gewählten Installations- und Organisationsanordnung kommt das Institut mit einem Minimum an vertikalen Steigepunkten und Steigeschächten aus.

Um die Ansprüche einer hohen Versorgungssicherheit zu befriedigen, wurde eine 10kV-Netzeinspeisung des örtlichen Energieversorgers realisiert. Im Untergeschoss befindet sich eine SF6-Mittelspannungsanlage inkl. drei Transformatoren mit jeweils 1.000 kVA Leistung, um den Energieverbrauch u. a. der Kälte- und Lüftungszentralen sowie der hochinstallierten Labore und dem Rechenzentrum zu stillen. Für die Sicherheitsstromversorgung, u.a. für eine mechanische Entrauchung, wurde eine vibrationsarme, stationäre Netzersatzanlage (NEA) mit Batteriesystem und Motor-Generator-Umwandler installiert. Zur Gewährleistung der hohen Flexibilität und zur Erfüllung der differenzierten wissenschaftlichen Anforderungen in den Laser-Modulen wurden u.a. 63A-Stromversorgungsschienen zur Aufnahme individueller modularer 230V- und 400V-Steckanschlüsse integriert.

Die besondere Anordnung der Technikräume u.a. auch durch die Verortung der Technik-Steigepunkte sorgt für die Einhaltung der EMV-Anforderungen. Das Institutsgebäude wird aufgrund der hohen Wertkonzentration sowie eines Rechenzentrums und zur Vorbeugung von unwiederbringlichen Datenverlusten mit einer Blitzschutzanlage der Klasse II vor Blitz- und Überspannungen geschützt. Zusätzlich wurde durch das Planungsbüro eine vollflächige Brandmeldeanlage, eine umfangreiche BOS-Anlage sowie eine komplexe Zutrittskontrolle und digitale Schließanlage inkl. Videoüberwachung sowie Fluchttürsteuerung geplant. Für das LAN-Netzwerk wurden neben einem flächendeckenden WLAN insgesamt ca. 1.700 Datenports mit ca. 100 km Cat7-Leitungen verkabelt.

Interview

tab fragt nach bei pbr Architekten Ingenieure

Josef Hafkemeyer ist Dipl.-Ing. der Elektrotechnik und Geschäftsbereichsleiter der Elektrotechnik/Gebäudeautomation im Osnabrücker Büro von pbr. Henning Oltmann ist Dipl.-Ing. Elektrotechnik und erbringt als dieser im Osnabrücker Büro die Entwurfs- und Ausführungsplanung, Kostenplanung mit Ausschreibung und Objektüberwachung.

tab: Was waren die schwierigsten Maßnahmen zur Minimierung von elektromagnetischen Beeinflussungen (EMV) hinsichtlich der hochempfindlichen Apparaturen? Und welche Maßnahmen wurden dafür umgesetzt?
Josef Hafkemeyer: Der wesentliche Schwerpunkt der Nutzungsbereiche mit empfindlichen nutzerseitigen Geräten/Anlagenteilen liegt in den Laserlaboren im EG und UG. In den Laserlaboren bezieht sich die Empfindlichkeit hauptsächlich auf die physikalischen Größen wie Temperatur, Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit. Die Beeinflussung durch elektromagnetische oder elektrostatische Felder auf die Versuchsaufbauten wurde in der Planungsphase vom Nutzer als gering eingeschätzt. Dementsprechend wurden keine „besonderen“ EMV-Maßnahmen wie Magnetfeldsimulation, aktive/passive Abschirmungsmaßnahmen, Netzfilter oder ähnliches erforderlich. Umgesetzt wurden allgemeine Maßnahmen wie z. B., dass die Komponenten der Stromversorgung mit MS-Anlage, Trafos und Gebäudehauptverteilung möglichst weit entfernt von den „empfindlichen“ Laboren/Messräumen errichtet werden. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die eigens neu verlegte 10 kV-Stromeinspeisung für den Neubau nicht parallel zur Fassade im Erdreich verläuft, sondern in ausreichendem Abstand und wenn, dann im 90-Grad Winkel in den Neubau geführt wird.

Henning Oltmann: Grundsätzlich wurde ein durchgehendes TN-S-System mit einer Haupterdungsschiene in der Gebäudehauptverteilung (nur hier Verbindung von N nach PE) realisiert. Zusätzlich zum Potenzialausgleich wurden in den Laboren separierte Mess-Erdungspunkte vorgesehen. Die dezentralen Präzisions-Klimaanlagen sowie sonstige zentrale Technikanlagen, wie allg. Zu-/Ablufttechnik, allg. Kühlung etc. wurden ebenfalls möglichst weit entfernt von den Labor-/Messräumen aufgebaut, um mögliche störende Einflüsse ebenfalls so gering wie möglich zu halten.
 
tab: Zum Thema unterbrechungsfreie Stromversorgung: Für welche Anlagen- und Leistungsbereiche wurde hier vorgesorgt? Und welche Herausforderungen galt es für die Planung und Ausführung zu lösen?
Josef Hafkemeyer: Für das nutzerseitige Rechenzentraum wurde eine eigenständige unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV-Anlage) geplant. Die Fläche für das Rechenzentrum inkl. Vorraum ohne Technikräume wie USV-Raum, Batterieraum RZ-Verteilungsraum beträgt ca. 186 m². Im Rechenzentrum sind insgesamt 42 Plätze für die Errichtung von 19-Zoll-Server-/Netzwerk-Racks mit passiver Rücktürkühlung vorhanden. Die Verfügbarkeit der Racks (IT) wurde gemäß den Nutzeranforderungen der Verfügbarkeitsklasse VK1 „Normale Verfügbarkeit“ (VK nach BSI) zugeordnet. Zur Aufrechterhaltung der institutskritischen Prozesse für Storage, Netzwerk und zentrale IT ist eine USV-Anlage geplant, die in einem separat angrenzenden Technikraum untergebracht ist. Die für die USV-Anlage erforderlichen Batterien wurden ebenfalls in einem getrennten Raum (Batterieraum) aufgestellt. Die erforderliche Server-Leistung wurde mit 270 kW bei einer Überbrückungszeit von 15 Minuten ermittelt. Die auf Dauerbetrieb ausgelegte dreiphasige statische Doppelwandler-USV-Anlage ist modular aufgebaut. Die USV-Gesamtleistung beträgt im Endausbau 300kVA / 300kW.
 
Henning Oltmann: Herausforderungen bei der Gesamtplanung der RZ-Stromversorgung lagen in der optimalen gleichmäßigen Stromversorgung aller Racks per Stromschiene. Aufgrund der Tatsache, dass kein Doppelboden gewünscht war, wurden entsprechende Stromschienen (A = USV, B = AV) oberhalb der Serverracks angeordnet. Auf diese Stromschienen wurden entsprechende Abgangskästen mit Sicherung und 32A-CEE-Steckdose 5pol. platziert, über die dann die PDU’s in den Racks versorgt werden. Die Detaillierung der gesamten Stromversorgung über AV und USV war eine der Schwerpunkte in der Planung der USV-Anlage sowie des gesamten Rechenzentrums.  
tab: Zur Anlagenüberwachung und -regelung: Lassen sich die Anlagenbereiche auch aus der Ferne kontrollieren? Wenn ja, welche Anlagenbereiche und wie erfolgt die Überwachung?
Josef Hafkemeyer: Die USV-Anlage verfügt über ein Fernüberwachungssystem mit dem der Nutzer Diagnosen sowie Systemwerte aus der Ferne überwachen und teilweise konfigurieren kann. Batterietests werden in wählbaren Abständen automatisch durchgeführt. Über einen SNMP-Adapter kann die Bedienung, Diagnose, Starten von Tests, das Übermitteln von Benachrichtigungen bis hin zum Konfigurieren erfolgen.

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