Ökosmartes Eigenheim
Jürgen Leppig, Vorsitzender der bundesweiten Interessenvertretung für Energieberater (GIH), Mitglied der Innovationsgemeinschaft Raumklimasysteme e.V., hat sich ein Einfamilienhaus gebaut, das klimaneutral ist – und zwar beim Heizen und beim Kühlen der Räume. „Ich wollte zeigen, was heute schon geht“, sagt er zu seinem ökosmarten Hocheffizienzgebäude.
Es ist ein Projekt für die Zukunft angesichts eines sich wandelnden Klimas, so Jürgen Leppig: „In 30 Jahren wird dem Kühlen von Gebäuden mehr Bedeutung zukommen als dem Heizen. Wenn der Wohnungsbau das nicht berücksichtigt, wird sich der energetische Aufwand für ein angenehmes Raumklima verdoppeln.“
Seit seinem Einzug bekommt der GIH-Vorsitzende immer wieder Besuch von Personen, die sich über das Konzept informieren wollen. Auch Wissenschaftler der Technischen Hochschule Ingolstadt nutzen das Wohnhaus mit 240 m2 Wohnfläche im unterfränkischen Marktheidenfeld zu Forschungszwecken. Es liefert ihnen wertvolle Daten zur Nutzung erneuerbarer Energien, der Regelungsstrategie und des Speicherpotentials von Wohngebäuden.
Bei den Führungen durchs Haus lernen Besucher einen speziellen Mix aus Öko-Hightech-Komponenten kennen, um Energie aus regenerativen Quellen optimal zu nutzen. Zentrales Element sind Photovoltaik-Thermische-Kollektoren (PVT), die mit Sonnenenergie Strom gewinnen und Wasser erwärmen. Das dazu nötige Pendant bilden Klimadecken mit einem integrierten Rohrleitungssystem. Mit ihnen lassen sich Räume von oben mit Strahlungswärme heizen – und kühlen.
Das Senken der Wassertemperatur übernimmt im Sommer eine Sole-Wärmepumpe. Als Kühlquelle dient das Erdreich. Diese passive Kühlung, bei der es genügt, die Regelung und Umwälzpumpen eingeschaltet zu lassen, ist besonders umweltfreundlich, die Betriebskosten sind niedrig. Um aktiv zu kühlen, ist zusätzlich eine reversible Luft-/Wasser-Wärmepumpe mit umkehrbarem Kältekreislauf nötig, die dem Raum Wärme entziehen kann.
Den Klimadecken kommt aber noch eine dritte Funktion zu. Denn Beton verfügt als Baumaterial über erstaunliche Speicherkapazitäten. So kann eine 19 cm hohe Betonschicht auf einer Fläche von 250 m2 so viel Wärme speichern wie knapp 18 m3 Wasser. Solche Geschossdecken können Wärme wie Kälte mittels thermischer Betonkern-Aktivierung für viele Tage vorhalten.
Das „technische und smarte Herz“, das das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten regelt, befindet sich im Keller. Mittels der Visualisierungssoftware „EisBär SCADA“ werden die verschiedenen Bus-Systeme integriert und so sicher gestellt, dass die PVT-Kollektoren in Kombination mit der Sole-Wärmepumpe den Bedarf an Raumwärme und Trinkwarmwasser komplett abdecken.
Dazu wird die „Zortström“-Technologie eingesetzt, die die Funktionen einer hydraulischen Weiche, eines Puffers sowie eines Verteilers mit exakter Temperaturtrennung in sich vereint. Das System entkoppelt zunächst die Flüssigkeitsströme aller angeschlossenen Erzeuger hydraulisch, trennt sie voneinander und sammelt sie in mehreren Temperaturstufen in einem Schichtspeicher mit GleitschichtrRaum. Vor- und Rückläufe der Heiz- und Kühlkreise bedienen sich dort mit der jeweils benötigten Temperatur. Damit kann die Heizung punktgenau reagieren.
Verbunden mit Wetterportalen, berücksichtigt die Anlage bei der Wärme- oder Kälteproduktion die aktuellen wie auch prognostizierten Tageswerte. So kann die Multifunktionsdecke ohne zeitliche Verzögerung die passende Raumtemperatur liefern.
„Die Anlage mit ihren differenzierten Steuerungsmöglichkeiten beseitigt eine Schwachstelle klassischer Systeme“, erläutert Jürgen Leppig. Oft sind einzelne Versorgungskreise nämlich nicht konsequent voneinander getrennt und beeinflussen sich gegenseitig. Das kann dazu führen, dass sich durch zu hohe Systemtemperaturen Wärmepumpen ineffizient funktionieren und Pumpen zu viel Energie vernichten. Gerade beim Betrieb von hocheffizienten Gebäuden sind so hohe Einsparpotentiale zu heben. „Mit der Heizung von der Decke betreibe ich die Wärmepumpe mit niedrigsten Vorlauftemperaturen und kann im Sommer optimal temperieren“, sagt Jürgen Leppig.
Das Marktheidenfelder Musterhaus hält noch weitere wissenswerte Details bereit: Wärmebrücken am Gebäude wurden vermieden. Nachhaltige Baustoffe und Dämmstoffe wurden für Dach, Außenwände und Keller gewählt. Selbst der Umgang mit Wasser wird vom Vorsatz geleitet, Ressourcen zu schonen: Grau- und Regenwasser werden für die Toilettenspülung und den Garten genutzt.