Augen auf bei der Vertragsstrafe!
Das aktuelle BaurechtsurteilEs gibt kaum noch Bauverträge, in denen keine Vertragsstrafe vereinbart ist. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dies nur in Grenzen zulässig. Benachteiligt eine Vertragsstrafenklausel den Vertragspartner des Verwenders unangemessen, ist sie unwirksam. Darum geht es in dem Fall des OLG Koblenz, Urteil 24.06.2021, 2 U 391/19, BGH, NA-Beschluss 10.08.2022, VII ZR 632/21.
Sachverhalt
Der klagende Unternehmer nahm den Beklagten als Besteller von Bauleistungen auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch. Der Besteller verteidigte sich mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe. Nach den von ihm gestellten Vertragsbedingungen sollte bei Überschreitung einer Vertragsfrist eine Vertragsstrafe i.H.v. 0,15 % der Nettoauftragssumme je Werktag, höchstens jedoch 5% fällig werden. Nach dem Inhalt des Vertrages hatte der Unternehmer die übertragenen Leistungen zu einem bestimmten Termin zu beginnen, in einer Vertragsfrist von acht Wochen auszuführen, wobei dies von bestimmten Außentemperaturen abhängig sein sollte, und schließlich zu einem bestimmten Termin fertigzustellen. Der Fertigstellungstermin wurde nicht eingehalten.
Entscheidung
Das OLG hielt die Vertragsstrafenklausel des Bestellers für unwirksam, weil schon unklar geblieben wäre, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Fristen – achtwöchige Vertragspflicht und Fertigstellungstermin – zueinanderstünden. Das OLG hatte Zweifel, ob sich die Fertigstellungsfrist nach den Außentemperaturen richten sollte und nachrangig, unabhängig von den Temperaturen, jedenfalls eine Fertigstellung zu einem bestimmten Termin geschuldet war. Diese Intransparenz machte die Klausel unwirksam. Darüber hinaus bejahte das OLG eine unangemessene Benachteiligung des Unternehmers; nach der Klausel wäre es möglich gewesen, dass der Unternehmer die Vertragsstrafe mehrfach verwirkte und damit insgesamt eine über 5 % der Nettoauftragssumme hinausgehende Vertragsstrafe hätte zahlen müssen; denn nach dem Inhalt der Klausel wäre die Vertragsstrafe bei einer schuldhaften Überschreitung schon einer Vertragsfrist verwirkt gewesen. Dies führte zu einer nicht mehr zulässigen Kumulation der Vertragsstrafen.
Praxishinweis
Die Vertragsstrafe kann ihren Zweck, Druck auf den Vertragspartner auszuüben, die geschuldete Leistung vertragsgerecht, insbesondere innerhalb vereinbarter Fristen zu erfüllen, nur dann erfüllen, wenn sie wirksam vereinbart ist. Individualvertraglich kann bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit so ziemlich alles wirksam vereinbart werden. Im Kleingedruckten aber nicht; hier sind die Restriktionen des Gesetzes und der Rechtsprechung zu beachten. Eine formularmäßige Vertragsstrafenklausel des Bestellers muss nach der Rechtsprechung eine Begrenzung der Gesamthöhe enthalten; diese darf insgesamt nicht höher als 5 % der Auftragssumme sein. Dabei darf nicht übersehen werden, dass z. B. bei mehreren Vertragsfristen oder Zwischenterminen die Vertragsstrafe mehrfach verwirkt werden kann; auch die Summe der einzelnen Vertragsstrafen darf diese Höhe nicht überschreiten. Unangemessen können auch Tagessätze oder Wochensätze sein; eine Vertragsstrafe bis zu 0,3 % der Auftragssumme pro Arbeitstag für die Überschreitung des Fertigstellungstermins ist von der Rechtsprechung nicht beanstandet worden, während 0,5 % als Tagessatz zu hoch, aber als Wochensatz zulässig sein dürfte. Wird die Vertragsstrafe an die Überschreitung mehrerer Fristen (Zwischenfristen und Fertigstellungstermin) geknüpft, kann sich der an sich ausreichend niedrige Tagessatz infolge einer Kumulation zu einem unangemessen hohen Tagessatz wandeln. Auch in diesem Fall kann die Vertragsstrafe unwirksam sein, wenn etwa die Zwischentermine so liegen, dass sie gleichzeitig überschritten werden, sodass eine Verzögerungsur-sache mehrfach wirkt und es bei Anknüpfung der Vertragsstrafe an die volle Auftragssumme zu einer Kumulierung der Vertragsstrafe kommt. Ist eine Klausel unwirksam, gibt es nicht etwa eine „gerade noch zulässige“ Vertragsstrafe, sondern gar nichts.
Dr. Ingo Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Bild: medlay, Jörg Kersten
Info
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Mit 20 Rechtsanwälten, davon sieben Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.