Streit um Umlagen – Was kann im Kleingedruckten wirksam geregelt werden?
Das aktuelle BaurechtsurteilNahezu jeder Bau- und Werkvertrag enthält die Vereinbarung von Abzügen, die der Auftraggeber von der Schlussrechnung des Auftragnehmers vornehmen darf. Dazu zählen etwa der Sicherheitseinbehalt, Nachlass, Skonto, aber auch sog. Umlagen für Strom, Wasser, Baustellenreinigung, Bauleistungsversicherung etc. Werden Umlagen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Verwenders vereinbart, stellt sich die Frage, ob die Regelung wirksam ist. Mit einer Umlage für Baustellenkoordination hat sich das Kammergericht Berlin befasst (Beschluss vom 29.10.2024, 21 U 52/24).
Sachverhalt
Die Parteien schlossen einen vom Auftraggeber gestellten Vertrag über die Elektroinstallation in einem Hochhaus-Neubau zu einem Pauschalfestpreis von knapp 2 Mio. Euro. Nach einer Vertragsklausel war der Auftraggeber berechtigt, von der Schlussrechnungssumme eine Umlage wegen Baustellenkoordination i.H.v. 1% einzubehalten. Der Auftragnehmer hielt diese Regelung für unwirksam. Landgericht und Kammergericht gaben dem Auftragnehmer Recht.
Entscheidung
Das Kammergericht hat die Klausel als AGB qualifiziert und festgestellt, dass der Auftraggeber nicht berechtigt sei, Abzüge wegen der Umlage für die Baustellenkoordination vorzunehmen; denn die entsprechende Vertragsklausel benachteilige den Auftragnehmer unangemessen und verstoße gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Regelung der Kostenbeteiligung halte – so das Kammergericht – einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Regelung weiche von den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes ab und belaste die Auftragnehmer mit einem Pauschalabzug unabhängig von ihrem Verursachungsbeitrag. Bei der Baustellenkoordination handele es sich um eine originäre Aufgabe des Auftraggebers. Damit erbringe der Auftraggeber somit keine Leistung für den Auftragnehmer. Deshalb konnte der Auftraggeber den Abzug für diese Umlage nicht durchsetzen.
Praxishinweis
Dr. Ingo Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Bild: medlay, Jörg Kersten
Dies gilt nur, wenn Vertragsregeln als AGB zu qualifizieren sind; dies sind für eine Vielzahl von Fällen anwendbare vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (der Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Werden Klauseln individuell ausgehandelt, liegt keine AGB vor. Allerdings sind die Anforderungen für eine solche Individualabrede hoch; die Klausel muss „ausgehandelt“ sein, was wiederum voraussetzt, dass z.B. der Auftraggeber als Verwender den Inhalt der Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt hat. Aber auch wenn eine AGB vorliegt, muss diese nicht stets unwirksam sein. Es gibt auch Umlageklauseln, die lediglich als vertragliche Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung zu qualifizieren sind. Das dürfen die Vertragsparteien nämlich. Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Daher ist zu überprüfen, ob einer streitigen Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrunde liegt oder ob es sich um eine kontrollfähige (Preisneben-)Abrede handelt, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH, Urteil 22.11.2012, VII ZR 222/12). So hat die Rechtsprechung entschieden, dass z.B. Umlageklauseln, die ein pauschales Entgelt für eine bestimmte Gegenleistung des Auftraggebers, wie etwa die anteilige Prämie für die vom Auftraggeber abgeschlossene Bauwesenversicherung (Bauleistungsversicherung) enthalten, als vorformulierte Vertragsklauseln nicht der gesetzlichen AGB-Kontrolle unterliegen (BGH, Urteil 06.07.2000, VII ZR 73/00). Denn sie regeln unmittelbar Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflicht. Auch an den Kosten für Bereitstellung von Bauwasser und Baustrom auf der Baustelle kann der Auftragnehmer beteiligt werden. Dabei muss sich ein solcher Abzug am tatsächlichen Verbrauch orientieren oder jedenfalls die Option einer Abrechnung nach tatsächlichem Verbrauch vorsehen. Meist unwirksam sind sog. Schuttklauseln, also die Beteiligung der Auftragnehmer an der Beseitigung von Bauschutt; denn zur Leistungspflicht des Auftragnehmers gehört, seinen Müll selbst wegzuschaffen; eine solche Klausel nähme ihm das Recht, den von ihm zu verantwortenden Mangel selbst zu beseitigen.
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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