Das aktuelle Baurechtsurteil
Zur konkludenten AbnahmeStellen Bauherren (längere Zeit) nach Abschluss der Bauarbeiten einen Mangel fest, so kommt es regelmäßig zum Streit darüber, ob dieser bereits ursprünglich bei Gefahrübergang vorlag. Hier ist regelmäßig entscheidend, wer das Vorliegen des Mangels zu beweisen hat. Ab dem Zeitpunkt der Abnahme ist der Auftraggeber selbst in der Beweislast. Findet eine ausdrückliche Abnahme nicht statt, kann es auf eine konkludente Abnahme ankommen. Mit der Frage einer solchen konkludenten Abnahme beschäftigt sich der folgende Fall.
Sachverhalt
Der Kläger (Auftraggeber) beauftragte die Beklagte (Auftragnehmerin) mit der Errichtung einer Kläranlage. Nach Fertigstellung der Klägeranlage kam es zu keiner ausdrücklichen Abnahme. Vielmehr zahlte der Auftraggeber einen Großteil der Schlussrechnung. Nach mehr als 2 Jahren kam es dann zu Problemen der Anlage. Der Auftraggeber leitete ein selbständiges Verfahren gegen die Auftragnehmerin ein. Er forderte die Auftragnehmerin zur Nacherfüllung auf. Als eine Nacherfüllung nicht erfolgte, hat er Vorschusslage gegen die Auftragnehmerin erhoben. Mit dieser hat sich letztlich der BGH beschäftigt.
Entscheidung
Dr. Michael Kunzmann, LL. M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht.
Bild: medlay, Jörg Kersten
Die von der Auftragnehmerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Dresden vom 24.11.2022 (Az.: 14 U 538/22) hat keinen Erfolg. Der BGH hat sie mit Beschluss vom 06.12.2023 (Az.: VII ZR 7/23) zurückgewiesen. Der Auftraggeber hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Vorschuss zur Beseitigung von Mängeln.
Haben die Parteien eines Bauvertrags keine förmliche Abnahme vereinbart, kommt eine schlüssige Abnahme des Werks durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme bzw. Inbetriebnahme in Betracht. Erforderlich ist eine gewisse von den Umständen des Einzelfalls abhängige Nutzungsdauer und Prüfungsmöglichkeit durch den Besteller. Es genügt, wenn das Werk im Wesentlichen funktionstüchtig bzw. im Wesentlichen fertiggestellt ist, was nicht gleichbedeutend mit absoluter Mängelfreiheit ist.
Nach der (schlüssigen) Abnahme trägt der Besteller die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen von ihm geltend gemachter Mängelrechte. Auch wenn das Werk in der Gewährleistungsphase schwere Schäden aufweist, bleibt der Besteller darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass dies aufgrund eines Mangels in der Errichtung oder einer nicht ordnungsgemäßen Funktionsweise des Werkes begründet liegt.
Der Senat hat festgestellt, dass für die Frage der konkludenten Abnahme eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmende Zeit abgelaufen sein muss. Hat der Auftraggeber die Möglichkeit durch ordnungsgemäßen Gebrauch und regelmäßige Wartung den schadensfreien Betrieb sicherzustellen und hat er durch eine weit überwiegende Zahlung der Schlussrechnung seinen Abnahmewillen manifestiert, so ist von einer konkludenten Abnahme auszugehen. Mithin hat der Auftraggeber die Beweislast für die Mangelhaftigkeit des Werkes bei Abnahme zu tragen.
Im vorliegenden Fall hat der gerichtlich bestellte Sachverständige zudem festgestellt, dass eine unzureichende Wartung und Bedienung der Anlage ursächlich für den streitgegenständlichen Mangel waren.
Praxishinweis
Entscheidend für die Frage von Sekundärrechten des Auftraggebers wie Vorschuss oder Schadenersatz ist stets, ob das Werk bei Übergabe bereits mangelhaft war. Der Gefahrübergang erfolgt hierbei regelmäßig im Rahmen der Abnahme. Findet eine ausdrückliche Abnahme nicht statt, so kann ein Werk auch konkludent abgenommen werden.
Zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt sich also eine ausdrückliche oder formale Abnahme, deren Zeitpunkt regelmäßig vor der konkludenten Abnahme liegen dürfte.
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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