Das aktuelle Baurechtsurteil: Mangel

Wann ist ein Mangel ein Mangel?

Im Allgemeinen verbindet man mit dem Begriff „Mangel“ einen Verstoß gegen technische Vorschriften, insbesondere gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn der Jurist definiert den Mangel als Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit. Deshalb kann ein Mangel auch dann vorliegen, wenn eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werkes oder der Gebrauchstauglichkeit des Werkes führt. Dies hat der Bundesgerichtshof noch einmal ausdrücklich festgehalten (BGH, Beschluss 30. Juli 2015, VII ZR 70/14).

Zum Fall

Der Auftragnehmer sollte Parkplatzflächen für einen Supermarkt
errichten. Bei den Pflas­ter­ar­bei­ten verwandte der Auftragnehmer anstelle des im Leistungsverzeichnis vorgesehenen und damit vertraglich abgestimmten Kieses der Körnung 0/ 5 einen Kies der Körnung 2 / 5, also ohne besonders feinkörnige Anteile. Nach geraumer Zeit zeigten sich in den Flächen Fahrspuren und lockere Pflas­ter­steine, die der Auftraggeber u. a. auf die nach seiner Ansicht fehlerhafte Körnung zurückführt; der Auftragnehmer verteidigte sich damit, der Auftraggeber habe nachsanden müssen. Die unterlassene Nachsandung sei ursächlich geworden. Die Mängel wurden vom Auftragnehmer trotz Fristsetzung nicht beseitigt. Der Auftraggeber nahm die Sanierung selbst vor und verlangte die dafür aufgewandten Kosten vom Auftragnehmer ersetzt.

Zur Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die Sache zwar noch nicht endgültig entschieden, sondern die Sache zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dort muss nun aufgeklärt werden, ob ggf. eine vom Auftraggeber unterlassene „Wartung“ in Form einer Nachsandung für die Mängelsymptome ursächlich war, wie es der Auftragnehmer vorgetragen hatte. Auch wenn die Klärung der Rechtsfragen nun der Vorinstanz überlassen wird, hat der Bundesgerichtshof noch einmal klargestellt, was genau ein Mangel ist. Die Leistung des Auftragnehmers sei schon deshalb mangelhaft, weil nicht dasjenige ausgeführt worden ist, was vom Auftraggeber bestellt war. Auf die Ursachen der Mangelerscheinungen kam es nach Einschätzung des Bundesgerichtshofs gar nicht an, also auch nicht auf die Klärung, ob gegen technische Vorschriften verstoßen worden ist. Allein der Umstand, dass etwas ausgeführt wurde, was nicht bestellt worden war, führt zur Mangelhaftigkeit der Leistung. Im Kaufrecht leuchtet dies einem Laien auch ohne Weiteres ein; bestellt etwa der Kunde ein rotes Kraftfahrzeug, erhält allerdings ein schwarzes, käme niemand auf die Idee, dem Kunden zu sagen, das Fahrzeug sei aber gar nicht mangelhaft, nur die Farbe sei nicht die bestellte. Genauso ist es auch im Werkvertragsrecht. Ein Mangel liegt schon dann vor, wenn eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vorliegt. Zu einer Beeinträchtigung der Leistung oder der Gebrauchstauglichkeit des Gewerks muss es nicht kommen.

Es liegt auf der Hand, dass dies für den Auftragnehmer unbefriedigend ist, wenn etwa die zwar vom Vertrags-Soll abweichende Leistung (nahezu) ebenso brauchbar und funktionstauglich ist, wie die ausgeschriebene und vertraglich vereinbarte Leistung. In solchen Fällen muss stets geprüft werden, ob Mängelrechten des Auftraggebers der Einwand entgegen steht, der Mängelbeseitigungsaufwand sei unverhältnismäßig. An dem Vorliegen eines Mangels in solchen Fällen ändert dies allerdings nichts.

Praxishinweis

Die für Pflasterarbeiten ergangene Entscheidung ist relevant für das gesamte Werkvertragsrecht, also auch für das Gewerk TGA. Ein Auftragnehmer sollte in Ansehung dieser Rechtsprechung tunlichst darauf bedacht sein, die geschuldeten Leistungen 1:1 umzusetzen, um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, er habe nicht das vertraglich Vereinbarte geleistet und damit einen Mangel fabriziert. Auch wenn es den Rettungsanker der Unverhältnismäßigkeit gibt, sollte man diesen nicht überschätzen. Die Anforderungen sind nämlich streng. Eine Mangelbeseitigung ist nur dann unverhältnismäßig, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. So hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem ein Sanitärunternehmen die Warmwasserleitungen in der Bodenplatte nur mit einer 13 mm starken Dämmung versehen hat, obschon eine Mindeststärke von 20 mm geschuldet war, die Unverhältnismäßigkeit bejaht (aber dafür eine Minderung angenommen), BGH, Urteil 11. Oktober 2012, VII ZR 179/11. Darauf sollte man sich aber nicht verlassen. Hat z. B. der Auftraggeber objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, kann ihm der Auftragnehmer regelmäßig die Nachbesserung nicht wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung verweigern. Deshalb hat der Auftragnehmer hier hohe Hürden zu überwinden, um Rechte des Auftraggebers wegen Unverhältnismäßigkeit zu Fall zu bringen.

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