Digitale Planung für Hochbunker-Erweiterung

Gemeinsames IFC-Modell erleichtert Zusammenarbeit

Der ehemalige Hochbunker in der Feldstraße in Sankt Pauli ist eines der markantesten Gebäude der Stadt. Seit 2019 wird der Weltkriegsbau um fünf terrassierte Vollgeschosse aufgestockt. Auf den neuen Flächen entsteht als spektakuläres Highlight ein öffentlicher, frei zugänglicher Stadtgarten. Digitalisierte Planungsprozesse und die Nachführung der Planung als digitaler Zwilling für den anschließenden Betrieb sind wesentliche Grundlagen für den erfolgreichen Projektabschluss noch in diesem Jahr.

Der monumentale Betonkoloss auf dem Heiligengeistfeld in St. Pauli, in Hamburg auch als „Medienbunker“ bekannt, ist seit vielen Jahren die außergewöhnliche Heimat für Unternehmen aus Medien und Kultur sowie für einen Szeneclub. Seit 2019 wird der 38 m hohe Bestandsbau von der Phase 10 Ingenieur- und Planungsgesellschaft aus dem sächsischen Freiberg um fünf weitere Etagen aufgestockt und ausgebaut. Das Büro ist für die Ausführungsplanung und Bauleitung verantwortlich – eine Planungs- und Bauaufgabe, die neben Denkmalschutzauflagen eine Fülle von konstruktiven und technischen Herausforderungen birgt.

Ein neuer Stadtgarten für Hamburg St. Pauli

Ronny Erfurt, Geschäftsführer der Phase 10 Ingenieur- und Planungsgesellschaft, plant und baut mit seinem Büro seit vielen Jahren bundesweit Veranstaltungsstätten. Diese Expertise verhalf dem Unternehmen aus Freiberg zur Aufstockung auf den Medienbunker in Hamburg, den Erfurt gemeinsam mit seinem Büroteam und versierten Fachplanungsbüros nun umfassend erweitert. Der ehemalige Flakbunker aus dem 2. Weltkrieg ist wegen seiner Bedeutung für Stadt und Menschen eng mit Hamburg verflochten. Daher verwundert es nicht, dass ein wesentliches Projektziel die Schaffung neuer Grünflächen für alle Anwohner und Anwohnerinnen sowie Gäste auf dem Dach des massiven Bauwerks ist.

Das Projekt ist ambitioniert wie außergewöhnlich: Auf bis zu 58 m Höhe entstehen eine Veranstaltungshalle für 2.200 Personen mit einer Dreifeldsporthalle, ein Hotel mit 136 Zimmern und ein Informationsort über die Geschichte des Weltkrieg-Flakturms. Hinzu kommen Restaurantflächen im 5. Geschoss der Erweiterung und der öffentlich frei zugängliche Stadtgarten hoch über den Dächern der Stadt. Das komplette Gebäude wird nach der Fertigstellung mit ca. 4.700 Bäumen, Gehölzen und Hecken bepflanzt sein. Hinzu kommen 16.000 Stauden.

Herausforderung Hochbunker

Die Grundlage für das kurz vor dem Abschluss stehende Projekt stammt vom Planungsbüro Bunker und dem Landschaftsarchitekturbüro L+ aus Hamburg, von dem das Begrünungskonzept stammt. Sie lieferten den Entwurf; Phase 10 ist verantwortlich für die Ausführungs- und Detailplanung, die BIM-Gesamtkoordination sowie die Objektüberwachung. Für diesen umfassenden Aufgabenkatalog waren digitale Werkzeuge unverzichtbar. Ronny Erfurt: „Der Hochbunker war eine riesige Herausforderung. Wir haben schon einige Veranstaltungshallen und Hotels realisiert. Aber niemals in 40 m Höhe und auf einem Flakbunker! Bei der Vielzahl der zu planenden Details und notwendigen, abgestimmten Prozesse haben uns digitale Planungsmethoden unterstützt. Vor allem in der Kommunikation mit anderen Fachdisziplinen wie der TGA oder der Tragwerksplanung und in deren Verständnis für unsere Planung konnten sie unheimlich helfen.“

Autarker Solitär auf dem Bestand

Trotz des Einsatzes von Open BIM, das allen Planungsbeteiligten den Austausch von Planungsinformationen im plattformübergreifenden IFC-Format ermöglichte, sowie der Nutzung von Prozessmanagementsoftware und einer softwaregestützten, regelbasierten Qualitätskontrolle stellte der Hochbunker das Planungsteam immer wieder vor neue Aufgaben. Für Ronny Erfurt liegt hierin aber auch ein wichtiger Reiz dieser keineswegs alltäglichen Bauaufgabe. Denn auf die vorhandene Struktur mit den bis zu 4,5 m dicken Stahlbetonwänden waren die neuen Geschosse so zu errichten, dass die darunter liegenden Nutzungen während der Bauphase nicht in ihrer Funktion oder gar statisch-konstruktiv beeinträchtigt werden.

Und so präsentiert sich die Aufstockung auf einer Fläche von 75 x 75 m heute als autarker Solitär, „geschultert“ vom Bestand, der die meisten Steigleitungen für Ver- und Entsorgung vertikal durch ehemalige Munitionsschächte führt. Erschlossen wird der Neubau mit seinen 58 m Höhe über einen neuen, 560 m langen „Bergpfad“, der ebenfalls bepflanzt wird und zum Gesamterlebnis Grüner Bunker zählt.  An der Außenfassade führt er über die Geschosse hinweg ganz nach oben. Hinzu kommen außen liegende Aufzugsanlagen für die Versorgung und das Hotel sowie ein ergänzendes Fluchttreppenhaus als zweiter Rettungsweg.

Offener Datenaustausch

Zentrales Austauschformat zwischen dem Team von Phase 10 und den Fachplanungen war das IFC-Format. Vorrangig waren das Tragwerksplanung und TGA, die auf der Basis des in „Archicad“ erstellten Modells von Phase 10 ihre Fachplanungen entwickelten. Sie nutzten das Modell und entwarfen daraus ihre eigenen Fachmodelle mit spezifischen Parametern und Ergebnissen. Eine exakte Schlitz- und Durchbruchsplanung vor der Bauphase, in der Planung, erwies sich als enorm wichtig. Denn von ihr hing unter anderem ab, wie viele Kernbohrungen vor Ort und auf der Baustelle nötig waren. Ronny Erfurt beschreibt diesen Prozess so: „Aufgrund des Tragwerkskonzeptes haben wir sogenannte ‚No-Area‘-Bereiche festgelegt, in denen die TGA-Planung ihre Installationen führen konnte. Wir starteten parallel die ‚Layoutplanung‘ und definierten die Wand- und Fußbodenkonturen. Diese Planbasis übernahmen wir anschließend in die Ausführungsplanung. Alle zu klärenden Punkte wurden ab diesem Zeitpunkt immer wieder in den Koordinationssitzungen und Baubesprechungen diskutiert und die Ergebnisse ins Modell übertragen. Ganz ohne Kernbohrungen konnten wir jedoch nicht bauen. Denn wo sich Nutzungsanforderungen über den Planungszeitraum veränderten, waren sie trotzdem vereinzelt nötig.“

Das IFC Modell in breiter Anwendung

Bei der Größe und Komplexität der Aufstockung arbeitet ein Team von Spezialisten und Spezialistinnen bei Phase 10 an dem Hochbaubunker. Neben dem Projektleiter und den Planenden kommt die BIM-Koordinatorin hinzu, die den Takt vorgibt. Sie interpretiert die Modellierungsrichtlinien für das Projekt, attribuiert, steuert die Fachplanungsgewerke und verantwortet die regalbasierte Qualitätskontrolle in der Software „Solibri“. Hierunter fällt auch die Kollisionskontrolle beim Abgleich der Fachplanungen mit der Architekturplanung. Mit dabei ist außerdem die interne Ausschreibungsabteilung.

Phase 10 nutzt das IFC-Modell aus ihrer BIM-Autorensoftware „Archicad“, um exakte Massen und Mengen zu ziehen sowie zügig umfangreiche Fenster- und Türlisten auszugeben. Da das Modell über die Planung und Ausführung hinweg nachgeführt wird, blieben die Baukosten und deren Entwicklung über den Projektverlauf hinweg stets transparent. Auswirkungen auf die Kosten, die durch eine baubegleitende Umplanung und Anpassung entstanden sind, konnten wiederum früh im Modell erkannt und exakt definiert werden. Die kontinuierliche Nachführung der Planung mit der Bauausführung ermöglicht es außerdem, einen digitalen Zwilling zu erstellen, der im anschließenden Betrieb vom Facility Management genutzt werden kann und für zukünftige Umbauten wertvolle Informationen zu verbauten Materialien und konstruktiven wie technischen Besonderheiten enthält.

Planung und Ausführung im Einklang

Für Geschäftsführer Ronny Erfurt ist es vor allem die reibungslose Überführung der Planung in den Ausführungsprozess und retour, die in den kommenden Jahren noch große Aufmerksamkeit erfordern wird. BIM leistet hierbei einen wichtigen Beitrag: Die Arbeitsmethode ermöglicht eine neue Qualität in der Umsetzung durch eine koordinierte Planung. Die vielen gesammelten Erfahrungen auf den Baustellen der vergangenen Jahre müssten jedoch an der Schnittstelle Planung/Ausführung zusammenkommen, wünscht sich Ronny Erfurt. Einfließen sollen hier sowohl das Wissen aus den technischen Abläufen vor Ort, die zahlreichen Ausführungsdetails als auch die avisierten Baukosten und deren Entwicklung über den Projektverlauf hinweg.

Im Freiberger Planungsbüro werden sie sich in Zukunft noch stärker verzahnt im Gesamtprozess aus Planen und Bauen abbilden. Die Zusammenarbeit aller ist hier jedoch notwendig, weiß Ronny Erfurt: „Die wichtigste Zutat an einer funktionierenden BIM-Planung ist der Mensch. Wenn sich in einem offenen Planungsprozess alle Protagonisten zusammenfinden, wird die gemeinsame Umsetzung auch komplexer Bauvorhaben wieder Spaß machen. Im Moment sind wir hier aber noch am Anfang. Schauen wir, was die Zukunft uns bringen wird!“

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