Digitaler Zwilling für Energieeffizienz

Klimakomfort im Hochhausensemble

Für den Büroturm T1 des Gebäudekomplexes „FOUR“ in Frankfurt am Main wurde ein digitaler Performance-Zwilling erstellt. So konnten schon in der Planungsphase Optimierungspotenziale identifiziert werden.

Das gemischt-genutzte Hochhausensemble „FOUR“ in Frankfurt am Main wird seit 2018 auf dem ehemaligen Grundstück der Deutschen Bank zwischen der Junghofstraße, Neue Schlesingergasse und der Großen Gallusstraße errichtet. Das Projekt besteht aus insgesamt vier Türmen mit einer geplanten Bruttogeschossfläche von rund 213.000 m2.

Entwickelt wurde das Ensemble von Groß & Partner gemeinsam mit dem internationalen Architekturbüro UNStudio und HPP Architekten aus Düsseldorf. Mit 233 Metern wird der T1 das höchste Gebäude des Komplexes sein, der zur reinen Büronutzung vorgesehen ist.

Für den hochmodernen Büroturm wurde ein intelligenter, digitaler Performance-Zwilling konzipiert, der eine maximale Energieeffizienz bei optimalem Klimakomfort garantiert. „Im Auftrag von Groß & Partner stellen wir sicher, dass einer der Bürotürme des Großprojekts ‚FOUR‘ schon ab der Inbetriebnahme den hohen Ansprüchen an Nachhaltigkeit und Nutzerkomfort des Entwicklers gerecht wird. Indem wir schon in der Planungsphase einen digitalen Performance-Zwilling der komplexen Gebäudetechnik bereitstellen, können automatisiert Optimierungspotenziale identifiziert und erschlossen werden. So können nicht nur bis zu 30 % der Energiekosten und tonnenweise CO2 eingespart, sondern auch das Risiko einer verspäteten oder langwierigen Inbetriebnahme erheblich reduziert werden“, kommentiert Dr. Stefan Plesser, Geschäftsführer der Synavision GmbH. Das Unternehmen bietet KI-gestützte Software zur Optimierung der Gebäudetechnik von Smart Buildings an.

Die Software generiert auf Basis von KI-gestützten Steuerungsalgorithmen für die Komponenten der technischen Gebäudeausrüstung automatisch einen digitalen Performance-Zwilling, der den optimalen Betrieb der Automationsfunktionen eines Gebäudes abbildet. Das ermöglicht die automatische Funktions- und Leistungsprüfung der gesamten Anlagentechnik und die übergreifende Ermittlung der Betriebsqualität des Gebäudes.

Durch die präzise Angabe von Abweichungen in Bezug auf Energieeffizienz und Klimakomfort sowie die intelligente Ableitung von Handlungsempfehlungen und Zuständigkeiten können Optimierungspotenziale schnell und strukturiert erschlossen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass das technisch mögliche Nachhaltigkeitspotenzial eines Gebäudes stets erreicht wird. Das ermöglicht i. d. R. nachhaltige Energiekosten- und CO2-Einsparungen von bis zu 30 %, ohne dabei den Komfort einzuschränken.

„Qualität und Nachhaltigkeit sind für uns zentrale Ziele bei der Realisierung von Großprojekten. Mithilfe der künstlichen Intelligenz der Synavision Software stellen wir sicher, dass die Automationssysteme des ‚FOUR‘ von Anfang an optimal funktionieren und wir unsere geplanten Ziele im Betrieb auch kontinuierlich erreichen“, bestätigt Johanna Kübchen, Projektmanagerin bei Groß & Partner.
 

Interview

tab fragt nach bei Dr. Stefan Plesser

Dr. Stefan Plesser, Geschäftsführer der Synavision GmbH, erläutert die Vorteile eines digitalen Zwillings.

tab: Können alle TGA-Komponenten in den digitalen Performance Zwilling eingebunden werden?
Dr. Stefan Plesser: Ja, das ist grundsätzlich möglich. In einem digitalen Performance-Zwilling können alle technischen Systeme abgebildet werden, von der Wärmepumpe über die Einzelraumregelung bis zum E-Mobility-Parkleit-system.

tab: Welche Voraussetzungen müssen die Systeme dafür erfüllen?
Dr. Stefan Plesser: Vor allem müssen die Systeme Daten liefern können. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um die entsprechenden Informationen zu bekommen. Viele Produkte und Systeme sind heutzutage auch bereits von vornherein so entwickelt, dass das Abrufen der Daten oder sogar eine Kommunikation in beide Richtungen kein Problem darstellt.

tab: Der digitale Zwilling wird bereits in der Planungsphase erstellt. Lassen sich dadurch Unstimmigkeiten im Zusammenspiel der einzelnen TGA-Systeme so frühzeitig erkennen, dass bei Bedarf eine Korrektur der Planung möglich ist? Wie ist das Vorgehen in solchen Fällen?
Dr. Stefan Plesser: Ja, das frühe Erkennen struktureller Planungsfehler ist eine der zentralen Stärken des digitalen Zwillings, denn die Erstellung des digitalen Zwillings in der Planung ermöglicht einen wichtigen Schritt im ­Qualitätsmanagement: Die systematische digitale ­Abbildung erfordert, dass viele Detailfragen beantwortet sind. Sind sie es nicht, fällt dies bei der Erstellung sofort auf, da z. B. einzelne Betriebszustände oder Funktionen nicht definiert werden können. So werden Fehler identifiziert, bevor Aufträge vergeben werden, Beton fließt und das ganze Projekt unter immer mehr Zeit- und Kostendruck steht. Diese Fehler können so frühzeitig in Abstimmung mit den verschiedenen Akteuren behoben werden. Sobald dann die Erstellung des digitalen Zwillings abgeschlossen werden kann, sind auch die zuvor erkannten Fehler behoben, bevor sie sich auswirken.

tab: Die Software nutzt künstliche Intelligenz für das digitale Qualitätsmanagement. Können Sie diese Funktion näher erläutern?
Dr. Stefan Plesser: Künstliche Intelligenz ist ein sehr weitgefasster Begriff. Wir setzen verschiedene Arten Künstlicher Intelligenz in ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern ein, z. B. für die automatisierte Identifikation von Fehlern (Mustererkennung), für die automatisierte Datenpunktklassifikation bzw. -prüfung (Neuronale Netze) oder für die automatisierte Systemoptimierung (Reinforced Learning). Der größte Nutzen entsteht dabei immer bei der intelligenten Nutzbarmachung von Expertenwissen. Das ist in der Praxis viel Fleißarbeit, aber im Ergebnis ein großer Schritt in Richtung digitalisierter Prozesse.

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