Techtextil 2017 in Frankfurt am Main
Buildtech bietet Technik für das Bauen mit Fasern
Ob textilbewehrter Beton, Gewebe für Leichtbaukonstruktionen oder funktionalisierte Textilien: Auf der Techtextil vom 9. bis 12. Mai 2017 auf der Messe Frankfurt erwartet Architekten, Bauherren, -ingenieure und -planer ein breites Angebot faserbasierter Materialien im Anwendungsbereich Buildtech. Es werden wieder über 500 der über 1.400 Aussteller Angebote für diesen Bereich präsentieren.
Im Zusammenspiel von Bautechnik, Architektur und TGA spielen neue Materialien eine wichtige Rolle. Im Bereich der Fasertechnik gibt es auf der Techtextil Neuheiten zu sehen, die weit über den Tellerrand des täglichen Bauens reichen.
„Neue Leichtbau- und Gestaltungsansätze im Bauwesen verlangen geradezu den Einsatz textiler Materialien“, zeigt sich Dr. Werner Sobek überzeugt. Der Architekt bringt im Auftrag des Industriekonzerns ThyssenKrupp derzeit im baden-württembergischen Rottweil eine Glasfaserhülle an einen fast 250 m hohen Aufzugstestturm, zugleich das höchste Membranprojekt der Welt. Die spiralförmige Faserhülle soll die Erwärmung des Turmes mindern und durch ihre irreguläre Oberfläche die Anströmung des Windes schwingungsmindernd abschwächen – und natürlich soll sie Blickfang sein.
Das nötige Spezialgewebe liefert der Textilhersteller und Techtextil-Aussteller Verseidag aus Krefeld – für Dr. Werner Sobek inzwischen so etwas wie ein Baustofflieferant: „Für mich gehört die Zusammenarbeit mit Textilfirmen wie Verseidag genauso zum Arbeitsalltag wie die mit Stahl- oder Betonlieferanten“, sagt der Bauingenieur, der textiles Bauen schon Anfang der 1990er Jahre auf der Techtextil verankert hat. Soweit reichen auch die Anfänge eines weiteren textilen Bauthemas zurück, das auf der Messe im Fokus sein wird: Textilbeton.
Was lange „währt“
1992 startete an der TU Dresden eines der ersten Forschungsprojekte zum Textilbeton, bei dem Fasergelege statt Stahl als Betonbewehrung fungieren. Fast ein Vierteljahrhundert später erhielt der Baustoff als Carbonbeton mit dem Deutschen Zukunftspreis 2016 den renommiertesten Innovationspreis des Landes. Zum Team der Ausgezeichneten gehörte auch Prof. Chokri Cherif, Leiter des Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden, das auf der kommenden Techtextil auch eine sensorische Weiterentwicklung des ausgezeichneten Baustoffs präsentieren wird.
„Wir wollen zeigen, dass sich künftige Bauwerke aus Textilbeton von innen heraus auf Beanspruchungen wie Dehnung, Temperatur und Risse überwachen lassen“, erklärt Cherif. Dazu machen sich die Forscher die Leitfähigkeit von Carbonfasern zunutze: Mechanische und thermische Beanspruchungen eines Bauwerks erzeugen messbare Widerstandsänderungen, die sich über in Carbonbeton-Bauteile eingearbeitete textile Sensoren messen lassen. Interessierte Techtextil-Fachbesucher können sich am ITM-Stand an einem Brücken-Demonstrator vom sensorischen Zusatznutzen der Carbonbewehrung überzeugen.
Brückenbauteile aus Fasern
Auch die im Sommer 2016 fertiggestellte Yavuz-Sultan-Selim-Brücke über den Bosporus bei Istanbul wird auf der Techtextil indirekt eine tragende Rolle spielen: Aussteller solidian aus dem baden-württembergischen Albstadt hatte für die Fassadenplatten der rund 320 m hohen Brückenpfeiler Glas- und Carbonbewehrungen beigesteuert. Kurios: Ohne die Fassadenplatten aus Schwaben hätte das Projekt technisch wohl nicht realisiert werden können. „Die Baufirma hat erkannt, dass Platten aus Stahlbeton zu schwer gewesen wären“, sagt solidian-Geschäftsführer Roland Karle.