Innovative Regenwassernutzung
Konzept zur vor-Ort-NutzungEin neues Gebäude in Baden-Württemberg fängt Regenwasser vollständig auf und nutzt es zur Begrünung und WC-Spülung. Das Besondere: Fast die Hälfte des Wassers verdunstet, wie im natürlichen Gelände vor der Bebauung. Dies ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zweier Firmen, die Produkte für die blau-grün-graue Infrastruktur herstellen.
Niederschläge so zu bewirtschaften, dass möglichst natürliche Verhältnisse beim Verdunsten, der Grundwasserneubildung und dem Oberflächenabfluss entstehen, ist seit Erscheinen des Merkblatts der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) zu Regenwetterabflüssen, dem DWA-M 102-4 vom März 2022, das ehrgeizige Ziel der Siedlungswasserwirtschaft. Ortsbezogene Jahreswerte, die dem unbebauten Zustand entsprechen, stellt dazu die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), Koblenz, mit dem Hydrologischen Atlas Deutschland (HAD) bereit.
Die DWA will mit dem Merkblatt helfen, HAD-Werte bei Bebauung annähernd wieder zu erreichen. Den Genehmigungsbehörden fehlen dazu zwar noch die Durchführungsbestimmungen, in privater Initiative werden aber bereits Pilotprojekte verwirklicht. Ein solches war der Neubau des Vereinsheims des Schellenberg-Sportclubs Donaueschingen (SSC), fertiggestellt im November 2023.
Regenwasser wird dort nicht mehr direkt von Gebäude und Grundstück abgeleitet, sondern in Speichern auf dem Dach, flächig unter der Substratschicht sowie im Untergrund in einer Zisterne aus Betonfertigteilen mit Filtertechnik zurückgehalten.
Damit gelangt kein Tropfen Regenwasser ungenutzt in den „Vorfluter“ Donau. Ein Teil des gespeicherten Wassers wird für WC-Spülungen verwendet, mit einem anderen Teil wird das Gründach bewässert. Abfluss und Überlauf des unterirdischen Regenspeichers münden in eine Versickerungsrigole aus Porenbeton. Diese bietet ausreichend Hohlraum, so dass selbst Starkregenüberläufe Platz finden, bevor diese allmählich in das Grundwasser sickern.
Wasserhaushaltsbilanz
Die im Sportzentrum Haberfeld gemessene jährliche Niederschlagsmenge liegt im Mittel bei 890 mm. Die Wasserhaushaltsgleichung, die es nach Berechnungen der Firma Mall GmbH, ebenfalls aus Donaueschingen, für diese Menge an Niederschlagswasser zu erfüllen gilt, lautet folgendermaßen: 436 mm (49 %) Verdunstung + 285 mm (32 %) Abfluss + 169 mm (19 %) Versickerung.
49 % des Regenwassers verdunsten vor allem durch das extensiv begrünte und zusätzlich aus der Regenzisterne bewässerte Flachdach.
32 % des Regenwassers werden für die WC-Spülung genutzt. Dieses Wasser stammt aus der Regenzisterne. Das entstehende Abwasser wird zur kommunalen Kläranlage geleitet, von wo aus es gereinigt in die Donau geleitet wird.
Die restlichen 19 % versickern. Dies wird durch den Überlauf bei voller Regenzisterne in die unterirdischen Sickerkammern und durch die Fugen der wasserdurchlässig befestigten Flächen vor dem Gebäude erreicht.
Bewässerung im Detail
Ein typisches extensives Gründach mit einer Substratstärke von 8 cm kann 30 l pflanzenverfügbares Wasser pro m² speichern, das entspricht 30 mm Niederschlag. Durch den gewählten Dachaufbau „Sponge City Roof“ des Gründach-Systemhersteller ZinCo in Nürtingen vervierfacht sich dieser Wert dank eines 8 cm hohen Hohlraums für die Retention unterhalb des Substrats. Fällt Regen auf die 240 m² große begrünte Fläche, sättigt sich erst die Vegetationstragschicht, das Substrat. Bei weiterer Durchfeuchtung sammelt sich das Wasser darunter auf einem Aquafleece und tropft durch ein so genanntes Bändchengewebe in den darunter liegenden Hohlraum. Ist dieser gefüllt, läuft das Wasser in Richtung Zisterne über. Bei Trockenheit wird aus diesem unterirdischen Speicher periodisch, durch die Pumpe im Regencenter, das Dach bewässert.
Wetterdaten helfen
Konkurrieren WC-Spülung und die Gründach-Bewässerung? In der Stadtplanung der Zukunft wird das so sein, wenn alle verfügbaren Dächer begrünt sein werden und bewässert werden sollen. Die Pilotprojekt-Partner des SSC, zu denen Mall und ZinCo gehören, haben daher intensiv nach Wegen gesucht, konkurrierende Nutzungen zu vermeiden. Das Ergebnis im Vereinsheim ist eine Technik, die folgendermaßen installiert und programmiert wurde:
Das Gründach wird regelmäßig bewässert, reguliert durch eine automatische handelsübliche Steuerung.
Die Bewässerung setzt aus, falls Regen angekündigt ist und die unterirdische Zisterne weniger als 3,9 m³ Wasser enthält. Dieser Rest ist zur Nutzung im Gebäude vorgesehen.
WC-Spülungen werden durch ein vom Trinkwasser unabhängiges Leitungsnetz versorgt. Den dazu erforderlichen Wasserdruck hält das Regencenter „Tano L“ von Mall aufrecht, das als Hauswasserstation im Technikraum an der Wand montiert ist. Seine Pumpe saugt knapp über dem Zisternenboden an – gereinigtes Regenwasser, das bereits im Zulauf des Speichers gefiltert wurde.
Sind in Trockenzeiten 3,7 m³ von insgesamt 7,6 m³ Zisternenvorrat aufgebraucht, wird der bis zu 19,2 m³ fassende Wasserspeicher auf dem Dach nach und nach in die Zisterne entleert. Dabei wird periodisch die Füllmenge von 3,9 um 1,5 auf nur 5,4 m³ erhöht, so dass mindestens 2,2 m³ Fassungsvermögen für die Rückhaltung von Regenwasser bleiben.
Sind beide Regenspeicher leer, werden für die WC-Spülungen kleine Mengen Trinkwasser im Regencenter eingespeist. Dies geschieht durch „freien Auslauf“ gemäß den beiden Normen DIN EN 16941–1 und DIN 1989–100, ohne direkte Verbindung mit dem Trinkwassernetz.
Um den Trinkwasserbedarf in Trockenzeiten gering zu halten und zugleich die Speichergröße wirtschaftlich vernünftig zu dimensionieren, hat Mall das firmeneigene Bemessungsprogramm eingesetzt. Es nutzt die örtlichen langjährigen Regendaten und verbindet sie durch Simulation mit dem geplanten Regenwasserbedarf. Ergebnis ist ein unterirdischer Betonbehälter mit 7,6 m³ Volumen. Zudem werden Mall- und ZinCo-Fachleute die Daten der Regenwasserbewirtschaftung beim Pilotprojekt sammeln und auswerten. Die Auswirkungen auf die Wasserhaushaltsgrößen Verdunstung, Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluss besser zu verstehen, kann helfen, künftig eine ausgeglichene Wasserhaushaltsbilanz vorab simulieren zu können.
Ideelle und finanzielle Vorteile
„In vorauseilendem Gehorsam hat der Verein SSC, noch ohne Forderung der Genehmigungsbehörden, die Anwendung der neuesten technischen Regel der DWA zu Regenwasserabflüssen beschlossen“, erklärt Martin Lienhard. Er leitet die technische Abteilung bei Mall. Die Firma hat sowohl das Konzept der Regenwasserbewirtschaftung als auch die Anlage zur Regenwassernutzung erstellt und das Versickerungssystem geliefert.
Der Verein als Bauherr belohnt sich selber, indem er jetzt die Niederschlagsableitungs-Gebühr und einen Teil der Trinkwassergebühr – in dem Verhältnis der für die WCs genutzten Regenwassermenge, ohne Abwasseranteil – einspart. Da auch die Außenanlagen mit Regenwasser bewässert werden, entfällt hierbei, wie bei der Gründachbewässerung, zusätzlich der Abwasseranteil, da im Gegensatz zur WC-Spülung kein Schmutzwasser entsteht, das von der Kommune abgeleitet werden muss.
Dass kein Kanalanschluss für das Ableiten des Regenwassers vom Vereinsgelände benötigt wird, entlastet die kommunale Entwässerung. Das Regenwasser-Bewirtschaftungskonzept des SSC-Vereinsheims ist damit ein privater Beitrag zum Gemeinwohl. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass entsprechende Beiträge in Zukunft von allen Gebäude- und Grundstückseigentümern in Deutschland per kommunaler Abwassersatzung oder Baugenehmigung eingefordert werden.
Klima- und Umweltschutzvorteile von Gründächern, durch Bewässerung optimiert:
• Kühlung und Luftbefeuchtung durch Regenwasserverdunstung.
• CO2-Bindung und O2-Produktion.
• Entwicklung der Bepflanzung.
• Staubbindung, Geräuschdämpfung.
• Retention bei Starkregenereignissen.
• Entlastung der Kanalisation durch Regenrückhaltung.
• Biotopvernetzung für Flora und Fauna, speziell für Insekten und Vögel.
• Biodiversitätsentwicklung durch Licht- und Feuchtigkeitsunterschiede.