Wassermangel und Starkregenereignisse

Regenwasserbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels

Zunehmende Versiegelung und häufigere Starkregenereignisse sowie längere Hitzeperioden und geringerer Niederschlag im Sommer zwingen zu einem Umdenken im Umgang mit Regenwasser. Die wasser-orientierte Stadtplanung setzt deshalb auf eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, die die Versiegelung neuer Flächen stoppt, Abwasserkanäle entlastet und Trinkwasservorräte schont. Der Umgang mit Regenwasser stand auch im Mittelpunkt einer Presseveranstaltung mit rund 30 Fachjournalisten und Vertretern der Tagespresse in der Lokhalle Freiburg, die zugleich ein Referenzprojekt der Mall GmbH darstellt: Das anfallende Niederschlagswasser von den Dach- und Hofflächen des Gebäudekomplexes wird in zwei unterirdischen Anlagen zunächst behandelt und anschließend in insgesamt fünf Rigolen aus Stahlbetontunneln versickert.

Starkregenereignisse und ...

Als anerkannte Experten aus Siedlungswasserwirtschaft und Versicherungsbranche beleuchteten Prof. Dr. Heiko Sieker von der gleichnamigen Ingenieurgesellschaft und Dr. Tim Peters von der Westfälischen Provinzial Versicherung Starkregenereignisse, ihre Entstehung, Folgen und erforderliche Maßnahmen aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven.

Übereinstimmend forderten die Referenten den verstärkten Einsatz dezentraler Maßnahmen, um die bestehenden Entwässerungssysteme mit den bei Stark­regen plötzlich ansteigenden Niederschlagsmengen nicht zu überfordern. Wenn Regenwasser am Ort seines Anfalls zurückgehalten wird, kann es in Gärten und Parks über die Oberfläche versickert und im Boden gespeichert oder in Zisternen gesammelt und zur Gartenbewässerung in Trockenperioden genutzt werden.

Dass Starkregen für Gebäude- und Grundstückseigentümer schnell existenzbedrohend werden kann, zeigte Dr. Tim Peters in seinem Vortrag anhand von eindrücklichen Beispielen für schon jetzt auftretende Schäden und Kosten nach Starkregen­ereignissen aus Sicht der Versicherungswirtschaft. Aktuelle Umfragen zeigen allerdings, dass das Naturgefahrenrisiko – und hier vor allem das Risiko durch Starkregen – von Hausbesitzern nach wie vor stark unterschätzt wird. Versicherer erstellen aus den Landformen und der Nähe von Bächen Starkregengefährdungsklassen und berechnen so das Starkregenrisiko für einzelne Standorte. Denn rund 70 % der Gesamtelementarschäden, die seiner Versicherung gemeldet werden, können Starkregen aus Ursache zugeordnet werden.

... dezentrale Regenwasserbewirtschaftung

Ein klares Plädoyer für die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung hielt Prof. Dr. Heiko Sieker. Er sieht die großen Herausforderungen für unsere Städte in einer zunehmenden Trockenheit, der dadurch entstehenden urbanen Hitze, häufigeren Stark­regen­ereig­nis­sen sowie der durch wachsende Städte bedingten fortschreitenden Versiegelung von Flächen. Das reine Ableiten des Wassers verschärfe jedoch die Hochwassergefahr nur und entziehe der Landschaft Wasser, so Prof. Dr. Heiko Sieker. Stattdessen setzt die Siedlungswasserwirtschaft für die Zukunft auf das Prinzip der „Sponge City“ – der „Schwammstadt“ („Sponge City“ – die Stadt als Schwamm, tab 9/2018): Das Konzept basiert darauf, dass anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufgenommen und gespeichert wird, anstatt es einfach abzuleiten. So sollen Überflutungen vermieden, das Stadtklima verbessert und auch die innerstädtische Vegetation gefördert werden. Denn „Stark-regen kann jeden treffen“, wie Prof. Dr. Heiko Sieker betonte.

Dass ein Umdenken in der Branche stattfindet, bestätigen die Ergebnisse einer aktuellen Marktbefragung der Mall GmbH zum Umgang mit Regenwasser in Deutschland, Österreich und der Schweiz, an der im Sommer 2020 insgesamt 5.079 Personen aus Architektur- und Ingenieurbüros, Handwerk, Behörden, Hochschulen und dem Baustofffachhandel teilgenommen haben. 76 % der befragten Architekten, Ingenieure und Behördenvertreter sehen die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv und zeigen so den Paradigmenwechsel im Umgang mit Regenwasser, der seit zwei Jahrzehnten stattfindet. Deshalb erwarten insgesamt 98 % der Umfrageteilnehmer auch eine steigende oder zumindest gleichbleibende Nachfrage bei Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Die ungleiche Verteilung des Regenwassers spiegelt sich auch in den Topthemen der Zukunft wider: In der Umfrage stehen der Umgang mit Starkregen und das Thema Regenwassernutzung bei den Befragten ganz oben. So ist es auch der Ausgleich zwischen Wasserüberschuss und Wassermangel, der von 69 % der Befragten als größte Chance bei den Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung angesehen wird. Im Vergleich zu einer von Mall 2015 durchgeführten Umfrage bei Planungsbüros haben dabei die Bereiche Versickerung, Rückhaltung und Nutzung mit jeweils plus 5 bis 10 % deutlich an Bedeutung gewonnen.

Das Bauvorhaben Lokhalle Freiburg passt in diese aktuelle Diskussion: Die Regenwasserentwässerung der gesamten Hof- und Dachflächen erfolgte nämlich bislang über den öffentlichen Kanal. Im Zuge der Sanierung des 1905 erbauten, ehemaligen Bahnbetriebswagenwerks war die Auflage der Baubehörden, dass das Regenwasser des gesamten Areals künftig vor Ort versickert wird. Dipl.-Ing. Martin Lienhard, Leiter der technischen Abteilung bei Mall, zeigte, wie die Anlage anhand der Wasserdurchlässigkeit des Bodens und des erforderlichen Rückhaltevolumens bemessen wurde und welche Anlagenteile nun dafür sorgen, dass das Regenwasser zunächst behandelt wird und anschließend unter den Parkflächen der Lokhalle langsam versickern kann. Eine Besichtigung der Anlage schloss die Veranstaltung ab.

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