Konzept der Schwammstadt hilft gegen Überflutung

Dezentrale Versickerung und Nutzung von Niederschlag

Immer häufiger sind Städte und Gemeinden von Starkregen, Hochwasser und Trockenheit betroffen. Zudem hat das rapide Absinken des Grundwasserspiegels Wissenschaftler und Entscheidungsträger alarmiert, den lokalen Wasserkreislauf an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. Als eine der besten Anpassungsstrategien gilt das Konzept der Schwammstadt.

Das Konzept der Schwammstadt basiert darauf, Niederschlag durch urbane Grünzonen, Feuchtgebiete, Wasser- und Überflutungsflächen sowie unterirdische Speicherräume dezentral zu speichern und/oder kontrolliert versickern zu lassen. So können die Bildung von Grundwasser unterstützt und Abwasserkanäle bei Starkniederschlägen entlastet werden. Die Anlagen zur Nutzung und Versickerung gilt es bei der Planung der Technischen Gebäudeausrüstung entsprechend zu berücksichtigen.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert hat bereits in einer früheren Studie des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) gefordert, dass die bestehenden gesetzlichen Vorgaben von den Planungs- und Genehmigungsbehörden umgesetzt werden. Zudem sei vor allem die Abflussreduzierung durch ein dezentrales Regenwassermanagement mit Verdunstung, Nutzung, Rückhaltung und vor allem Versickerung zu fördern.

Kommunales Starkregenmanagement als wichtige Aufgabe

Bei der IFAT 2022 (Weltleitmesse für Umwelttechnologien) legten Forschende der Uni Kaiserslautern die Studie „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030“ vor, die erläutert, wie diesen Gefahren in der Baupraxis effektiv begegnet werden kann. Im Fokus der Studie steht ein kommunales Starkregen-Management. „Dies ist eine komplexe Aufgabe, mit der man lieber heute als morgen beginnen sollte“, betont Prof. Dr. Roland Müller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig in einem Interview mit dem Graf-Magazin „for a greener Planet“.

Ein Projekt in Freiburg

Wie die dezentrale Versickerung auch in großer Dimension bei hoher Verdichtung und komplexer unterirdischer Baugeometrie gelingen kann, wird beim Projekt Businessmile in Freiburg aufgezeigt. Das von Strabag Real Estate (SRE) realisierte Quartier „Businessmile“ zählt zu den größten Bauprojekten Freiburgs. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich im Herbst/Winter 2023 abgeschlossen. In unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof entstehen bis dahin 45.000 m2 Mietfläche.

Den Einbau nur 60 cm unter der Tiefgarage, die besondere Form und die Anforderungen der örtlichen Behörde an die Anzahl der zur Behandlung des Niederschlags eingesetzten Substratfilter hat das Graf-Projektteam zusammen mit dem Fachplaner Dieter Bühler Ingenieurbüro und dem Ausführenden Walter Keune Bau gemeistert.

Zur Dimensionierung wurden entsprechend des Arbeitsblatts DWA-A138 die Abflussbeiwerte und die Kostra-DWD-Niederschlagsdaten für den Standort zugrunde gelegt. Die darin enthalten Aussagen zu den Niederschlagsmengen (98,1 l/(s/ha)) in Abhängigkeit von der Niederschlagsdauer (60 min) und der Jährlichkeit (Wiederkehrintervall) bilden eine wichtige Bemessungsgrundlage von Versickerungsanlagen.

Bodenverhältnisse sind wichtiges Auslegungskriterium

Ein ebenso wichtiges Kriterium für die Planung einer Versickerungsanlage sind die Bodenverhältnisse und der Schichtenaufbau. Die Durchlässigkeit des Bodens sowie Grund- und Schichtenwasser bestimmen die Lage und Größe der Rigole. Der Boden hat entsprechend des Arbeitsblatts DWA-A138 eine mittlere Durchlässigkeit. Der Durchlässigkeitsbeiwert (Kf-Wert) wird mit 7,2 x 10-5 m/s angegeben.

Das Team des Unternehmens hat für dieses Projekt auf Basis der behördlichen Anforderungen der Stadt Freiburg eine bauaufsichtlich zugelassene Komplettlösung zur Behandlung und Versickerung nach Merkblatt DWA-M153 entwickelt. Das anfallende Niederschlagswasser wird entsprechend der in Baden-Württemberg gültigen Verordnung in Substratfilteranlagen behandelt. Die „EcoClean 1500“-Module haben eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (DiBt).

Die tab fragt nach

Dieter Bühler ist Gründer und Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbüros in Bahlingen/Kaiserstuhl. Er hat die Versickerungsanlage beim Projekt Businessmile geplant.

tab: Was war die besondere Herausforderung bei der Dimensionierung der Regenwasserversickerung bei dem Projekt?

Dieter Bühler: In der Entwässerungssatzung der Stadt Freiburg ist der VF-Wert (Behandlungsdurchfluss) bei 16 l/s festgelegt. Die Stadt Freiburg trägt damit präventiv erwarteten Starkregenereignissen Rechnung. Der Wert ist in etwa doppelt zu hoch angesetzt wie bei anderen Kommunen.

 

tab: Die Bebauung beim Projekt Businessmile ist sehr verdichtet, deshalb stand auch wenig unterirdische Fläche zur Versickerung zur Verfügung. Wie haben Sie das gelöst?

Dieter Bühler: Die Rigole ist nur 60 cm unter der Tiefgarage eingebaut und wegen der umgebenden geologischen Formation mit 36 cm sehr flach. Um dennoch 133,4 m3 Wasser kontrolliert versickern zu lassen, erstreckt sie sich über eine Grundfläche von rund 370 m². Möglich wurde dies nur wegen der modularen Elemente von Graf. Damit lassen sich auch verwinkelte Flächen für eine Versickerungsanlage nutzen.

 

tab: Wie beeinflusst das Planungsideal einer Schwammstadt Ihre Arbeit als TGA-Fachplaner?

Dieter Bühler: Wir sind wesentlich früher in der Planung einzubeziehen, da die dezentrale Nutzung, Versickerung oder Rückhaltung von Niederschlagswasser von Dach- und unbefahrenen Wegeflächen zu bemessen und unterirdischer Bauraum für die Anlagen einzuplanen ist.

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