Mieterstrom für Filialisten

Einfache Teilnahme dank modernen Messkonzepts

Strom von der PV-Dachanlage vor Ort zu beziehen, zahlt nicht nur auf die Nachhaltigkeitsstrategie gewerblicher Mieter ein, sondern ist für sie auch sehr kosteneffizient. Gleichzeitig sind insbesondere Filialisten großer Einzelhandelsketten oft in Rahmenverträgen gebunden. Vor diesem Hintergrund wird die Abrechnung von Netzstrom und lokalem PV-Strom zur kniffligen Rechenaufgabe. Doch alle gängigen Bedenken rund um die Umsetzung eines On-Site-PPAs (Power Purchase Agreement) lassen sich ausräumen – vorausgesetzt, die Technik und das Messkonzept stimmen.

Große Einzelhandelsketten schließen in der Regel für alle Filialen langfristige Rahmenstromverträge zum Bezug von Netzstrom mit zentralen, bisweilen auch unternehmenseigenen Energiedienstleistern. Damit sind sie wenig flexibel hinsichtlich des Bezugs von Strom aus lokaler Erzeugung, bspw. von der PV-Dachanlage des Gewerbeareals. Außerdem gelten strikte gesetzliche Anforderungen hinsichtlich des Messkonzepts und der Abrechnung innerhalb einer Kundenanlage (engl. Microgrid). Hier wird es kleinteilig. Viertelstündlich muss exakt erfasst werden: Wie viel Strom hat jeder einzelne Teilnehmer innerhalb des Microgrids erzeugt und wie viel Strom wurde verbraucht? Diese Erhebung setzt eine intelligente Infrastruktur zur Messung und Bilanzierung voraus.

Interessante Option

Dabei sind Gewerbeareale mit mehreren großen Filialisten nahezu prädestiniert für dezentrale Energieerzeugung und -nutzung. Zum einen stehen große Dachflächen für PV-Anlagen zur Verfügung, entsprechend kann der PV-Stromertrag beachtlich ausfallen. Zum anderen sind die Stromkosten für PV-Strom aus der lokalen Anlage für die Mieter eines Gewerbeareals in der Regel geringer als die Strompreise inkl. Stromnebenkosten für den Strom aus dem Netz. Für lokal erzeugten Strom müssen keine Netzentgelte entrichtet werden. Außerdem fällt bei PV-Anlagen unter 2 MW Leistung auch keine Stromsteuer an. Vorausgesetzt, der erzeugte Strom wird auch im Microgrid verbraucht. Berücksichtigt man all diese Einsparungen, kann der Mieterstrom aus der Kundenanlage preislich mit den zentral eingekauften Netzstromtarifen mithalten und bietet eine nicht nur nachhaltige, sondern auch wirtschaftlich interessante Option für alle Beteiligten.

On-Site-PPAs

Von den Vorteilen von In-Site-PPAs konnte sich auch die OSP Ollisa Solar Power GmbH überzeugen. Die Gesellschaft stand vor der Aufgabe, ein rechtssicheres PV-Direktverbrauchsmodell für die Mieter auf dem Carl-Metz-Areal in Karlsruhe auszurollen. Zu den Mietern zählen große Handelsketten wie Kaufland, Tedox und JYSK. Bei diesem Projekt – dem bislang ersten seiner Art – stand nun die Frage im Fokus: Wie können die gewerblichen Mieter auf dem Carl-Metz-Areal trotz Rahmenstromverträge vom Onsite-PPA der OSP profitieren ?
Power Purchase Agreements (PPAs), langfristige Stromversorgungsverträge, sind nicht nur für Betreiber von Post-EEG-Anlagen ab 300 kWp ein Weg zu mehr Rendite.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Off-Site-PPA (Stromversorgung außerhalb des Standorts) und On-Site-PPA (Stromversorgung direkt vor Ort). In On-Site-PPAs stellt der Anlagenbetreiber den erzeugten PV-Strom Verbrauchern innerhalb eines Hausanschlusses oder Netzverknüpfungspunktes direkt zur Verfügung. Die Vertragspartner profitieren hier besonders durch die Einsparung der Netzentgelte sowie durch langfristige Preisstabilität. So kommen Filialisten auch On-Site in den Genuss von langfristiger Planbarkeit. Dies macht sich insbesondere in Zeiten volatiler Strompreise mehr als bezahlt.

Gute Voraussetzungen

Auf dem Dach in Karlsruhe hat die OSP eine 750-kWp-PV-Anlage installiert, die neben den Filialen auch die Ladesäulen für E-Autos mit PV-Strom versorgt. Die zugehörigen RLM-Zähler (Registrierende Leistungsmessung) wurden bereits vor Projektbeginn durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber implementiert. Das Messkonzept und die Bilanzierung für die Kundenanlage wurden durch die Solarize Energy Solutions GmbH geplant. Das Stuttgarter Unternehmen kombiniert intelligente Messkonzepte, Software-Expertise sowie ein profundes Verständnis der Regularien des Strommarkts, um neben Immobilieneigentümern auch PV-Anlagenbetreibern, Stadtwerken und Energieversorgern den Einstieg in Mieterstrommodelle und On-Site-PPAs zu erleichtern. Mit der skalierbaren Meter-to-Cash-Softwareplattform werden Betreiber von PV-Anlagen allen Regularien rund um die Abrechnung auf vollautomatisierte Weise gerecht.

Virtuelle Abbildung

Aufbauend auf der bestehenden technischen Infrastruktur wurde gemeinsam mit dem Netzbetreiber eine Bilanzierungslösung und ein innovatives Messkonzept erarbeitet. Um Netzstrom und Mieterstrom sauber abzugrenzen, wurde die bestehende physische Messlokation in zwei virtuelle Marktlokationen aufgeteilt: Der bezogene Netzstrom sowie der bezogene PV-Strom jedes einzelnen Mieters werden unabhängig von der Herkunft über den RLM-Zähler im Viertelstundentakt gemessen. Eine Bilanzierungsformel trennt diesen proportional zum Anteil am Gesamtverbrauch aller Mieter rechnerisch in Netz- und PV-Strom – immer verbrauchsgenau pro Viertelstunde.

Neue Marktgegebenheiten

Zusammen mit dem Stromerzeugungszähler der PV-Anlage lässt sich damit bei jedem Mieter genau errechnen, wie viel Strom er aus welcher Quelle bezogen hat und wie viel ins öffentliche Netz eingespeist wurde. Auf Basis dieser Bilanzierung generiert die Meter-to-Cash-Plattform von Solarize automatisch jeden Monat eine Stromrechnung für das On-Site-PPA. Die Reststrommenge wird weiterhin vom jeweiligen Lieferanten des Mieters bezogen und in Rechnung gestellt. Langfristig müssen sich der gewerbliche Strommarkt und die Energieversorger der Filialisten an den neuen Marktgegebenheiten mit lokaler Stromproduktion orientieren und die starren Rahmenbedingungen flexibilisieren. Die technischen Voraussetzungen für eine saubere Abrechnung sind bereits heute gegeben.

tab fragt nach

Der Unternehmer und Software-Entwickler Frederik Pfisterer ist Gründer und Managing Director der Solarize Energy Solutions GmbH. Während seiner Studien und danach war er mehrere Jahre als Web-Entwickler, Projektmanager und Usability Lead tätig, bevor er 2010 das inzwischen zum Mehrfach-Unicorn aufgestiegene Startup Mambu gründete, das moderne Finanzdienstleistungen für Banken, Kreditinstitute und Fintechs bereitstellt. Bis er Solarize 2020 gründete, war er bei Mambu als Chief Operating Officer angestellt.

tab: Gibt es einen Unterschied zwischen Mieterstrom und PPA oder ist das identisch?

Frederik Pfisterer: Grundsätzlich sind PPAs langfristige Stromversorgungsverträge, die Anlagenbetreiber mit Stromhändlern oder direkt mit Abnehmern abschließen. Es gibt verschiedene Formen. Beim On-Site-PPA erfolgt die Stromversorgung direkt vor Ort. Gewerblicher Mieterstrom ist ein Sonderfall des On-Site-PPAs, bei dem auch der Reststrom vom Anlagenbetreiber beschafft und an die Mieter weiterverkauft wird. Im Prinzip ist das Modell ähnlich zum geförderten Mieterstrom der Wohnungswirtschaft, durch die Zeitgleichheit von Produktion und Verbrauch im Gewerbe jedoch deutlich attraktiver. Off-Site-PPAs (der klassische PPA) sind Stromlieferverträge mit Abnehmern außerhalb des Hausanschlusses der Erzeugungsanlage.

tab: Rahmenstromverträge zeichnen sich oft durch eine gewisse Mindestabnahmemenge Strom aus, um günstige Konditionen zu erhalten. Wie kann ein Filialist, der gerne Mieterstrom beziehen möchte, dafür aus starren Verträgen „aussteigen“ – was ist hier möglich?

Frederik Pfisterer: In einem solchen Fall wird mit einem On-Site-PPA, durch die PV-Strategie der Bundesregierung auch bekannt als „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung”, nur der PV-Strom lokal eingekauft. Der Rahmenvertrag bleibt bestehen. Je nach vertraglicher Ausgestaltung ergeben sich daraus folgende Optionen: Der Rahmenstromvertrag erlaubt explizit die Nutzung von Lokalstrom. Unserer Erfahrung nach werden PV-Anlagen in Rahmenverträgen von Filialisten regelmäßig erlaubt. Filialisten müssen darauf achten, dass eine Mindermengenregelung im Gesamtportfolio nicht unterschritten werden darf. Oft haben Mindermengenregelungen einen Grenzwert von 20 % unter der Mindestabnahmemenge. Solange also nur an vereinzelten Standorten Lokalstrom bezogen wird, sind diese nicht weiter kritisch. Diese Variante kommt zum Beispiel im von uns betreuten Carl-Metz-Areal in Karlsruhe zum Einsatz. Bei der flächendeckenden Nutzung von Lokalstrom muss langfristig weniger Strom über einen Rahmenstromvertrag eingekauft werden. Dies sollte bei der Vertragsverhandlung berücksichtigt werden.

tab: Bietet Solarize alleine die Planung und technische Umsetzung solcher Projekte an, also Inhouse-Lösungen, oder könnten das z. B. auch andere Planungsbüros mit Unterstützung von Solarize machen?

Frederik Pfisterer: Wir unterstützen beide Modelle. Wir haben In-House-Expertise, um Mieterstromprojekte von der Planung über die Projektierung und Implementierung bis zum laufenden Betrieb zu unterstützen. Für die Planung der lokalen Stromproduktion, zum Beispiel über Photovoltaik, arbeiten wir mit Partnern zusammen, die sich unter anderem um die Prüfung der Dachstatik sowie die Planung, Installation und Inbetriebnahme der PV-Anlage kümmern. Darüber hinaus unterstützen wir auch Planungsbüros – sowohl bei der Definition und Abstimmung der Messkonzepte als auch bei der Projektierung und der Implementierung. Die Auftraggeber der Planungsbüros sind in der Folge potenzielle Kunden für unsere Software.

tab: Warum sind PPAs erst für Post-EEG-Anlagen ab 300 kWp interessant?

Frederik Pfisterer: Klassische (Off-Site-)PPAs erfordern eine intensive Vorbereitung und erzeugen hohe Kosten bei der Initialisierung, zum Beispiel für das Einbeziehen eines Bilanzkreismanagers. Das ist besonders für ausgeförderte Anlagen attraktiv, weil sie dadurch über die Spot-Direktvermarktung hinaus Planungssicherheit erhalten. Ab 300 kWp amortisiert sich der Aufwand für die Projektinitialisierung. Im On-Site-PPA-Bereich sehen wir eine Wirtschaftlichkeit bereits ab 100 kWp bzw. ab 600 m² nutzbarer Dachfläche.

tab: Wie wird die Verlässlichkeit der Stromlieferung aus PPAs garantiert, bezogen auf Menge und ggf. Zeitfenster? Lassen sich z. B. an dieser Stelle Unterschiede zwischen On- und Off-Site PPA festmachen, ggf. auch noch an anderen?

Frederik Pfisterer: Beim On-Site-PPA erfolgt die Lieferung gemäß der produzierten Strommenge. Das Restmengenrisiko liegt also beim Stromabnehmer, da es keine Garantien für gelieferte Strommengen gibt. Beim regulären (Off-Site-)PPA-Geschäft besteht hingegen ein Verhandlungsspielraum darüber, wer das Restmengenrisiko trägt. In der Regel erstellt der Bilanzkreismanager eine Prognose und kauft zusätzlich benötigte Strommengen am Termin- oder Spotmarkt ein. Überschüsse werden ebenso dort vermarktet.

tab: Welche Fehler können/werden in der Planung von Mieterstrom/PPA-Konzepten im Gewerbebereich gemacht? Was sind hier typische Fallstricke?

Frederik Pfisterer: Zunächst sollten das Interesse der Mieter und ihr Verbrauch frühzeitig abgeklärt werden. Dabei ist der jährliche Verbrauch der interessierten Mieter im Idealfall etwa doppelt so hoch wie die produzierte Strommenge. Dann kann es vorkommen, dass die Anlagengröße zu niedrig bemessen ist. Kleine Anlagen unter 40 kW speisen häufig direkt den Allgemeinstromzähler, da bei kleineren Anlagen ein Mieterstrommodell nur selten wirtschaftlich darstellbar ist. Außerdem beobachten wir oft, dass die Komplexität des Messkonzepts unterschätzt wird. Dieses sollte bereits frühzeitig in der Elektroplanung berücksichtigt werden, da sonst im Nachhinein höhere Installationskosten anfallen.

tab: Wo finde ich Off-Site-PPA-Angebote im Netz, gibt es da Handelsplattformen?

Frederik Pfisterer: Bisher ist uns eine solche Handelsplattform nicht bekannt, vermutlich ist die Nachfrage noch nicht groß genug. Was nicht heißen soll, dass es in naher Zukunft solche Plattformen nicht geben könnte. Bisher laufen Off-Site-PPAs in der Regel über die Stromhändler.

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