Optimierung von Lüftungsanlagen
Regelmäßige Inspektion sichert EnergieeffizienzDie Sanierung von Gebäuden und die Inspektion von Lüftungsanlagen sind aus Sicht von Lüftungsexperten ein willkommener Zusatz in der vorgeschlagenen Revision der EPBD. Denn die überarbeiteten und konsistenten Vorschriften sind in Verbindung mit der interdisziplinären Zusammenarbeit, neuen Technologien und dem Nutzerverhalten wichtige Faktoren bei der Schaffung energieeffizienter Gebäude und gesunder Innenräume, die sowohl in der Theorie als auch in der Praxis funktionieren. Fallstudien zeigen, dass es in der Praxis aktuell einen großen Nachholbedarf hinsichtlich der Optimierung von Lüftungsanlagen gibt.
Moderne Regelungsverfahren in Lüftungsanlagen optimieren den Energiebedarf auf der Grundlage des Nutzerverhaltens, das bedeutet, dass ein gutes Raumklima mit der niedrigsten Energieleistung kombiniert werden kann. Studien haben gezeigt, dass solche Regelungsverfahren, insbesondere bedarfsgesteuerte Lüftungsanlagen (DCV/ demand-controlled ventilation systems), den Energieverbrauch des Gebäudes senken und gleichzeitig die Luftqualität und das Raumklima insgesamt verbessern können. Der Einsatz dieser Regelungsmethoden für die Lüftung ist eine Notwendigkeit für die Energieeffizienz in neuen Gebäuden, sollte aber auch bei energieeffizienten Renovierungen und Sanierungen in Betracht gezogen werden.
Eine vom Lindab Innovation Hub in den Jahren 2020-2021 durchgeführte Fallstudie zeigte, wie durch die Änderung eines bestehenden Lüftungssystems und den Einbau eines drahtlosen DCV-Systems auf Raumebene in einem Bürogebäude in Hamburg nach der Installation bis zu 68 % Energie eingespart werden konnte. Das System besteht aus Volumenstromreglern mit Ultraschallmesstechnik, Bluetooth-Raumsensoren für CO2- und Anwesenheitserkennung sowie Smartphone-Apps, die den Zugang für die Inbetriebnahme, aber auch für den Raumnutzer zur Steuerung sowie Überwachung des Systems und der Raumluftqualität ermöglichen.
Studien zeigen Bedeutung der Überwachung von Lüftungsanlagen
Um das akzeptierte Innenraumklima in Bezug auf die Energieleistung zu verstehen, führte das Innovationszentrum mehrere Langzeituntersuchungen in bestehenden Gebäuden mit verschiedenen kontrollierten Lüftungssystemen durch. Die Ergebnisse zeigten bei fast allen Projekten, dass die Systeme Störungen, falsche Einstellungen, fehlende Abgleiche oder Warnmeldungen des Gebäudemanagementsystems aufwiesen, die von den Verantwortlichen ignoriert oder nicht gesehen wurden.
Die Schlussfolgerung ist, dass ohne eine präzise Installation, gut funktionierende Sensoren und Steuerung ein hohes Risiko besteht, dass die geplante Energieleistung eines Systems nicht erreicht wird. Im schlimmsten Fall wird ein Energiesparsystem zu einem hohen Energieverbraucher, der kein ausreichend gutes Raumklima garantieren kann.
Daher muss bei der Planung von intelligenten Lüftungssystemen berücksichtigt werden, wie das System als Ganzes im Alltag funktionieren soll. DCV-Systeme basieren auf der Anwesenheit von Menschen, um Energieeffizienz und gesunde Innenraumluft zu gewährleisten. Bei der Übergabe an das Gebäudemanagement und bei künftigen Kontrollen sowie Inspektionen sollte der Energieverbrauch des Systems über einen definierten Zeitraum berücksichtigt werden.
In der Fallstudie des Innovationszentrums aus einem Bürogebäude in Zürich, Schweiz, war ein Facility Manager eines DCV-Systems der Meinung, dass es nicht gut funktionierte und die Energiekosten zu hoch waren. Die Untersuchung umfasste eine Prüfung der Systemzeichnung, Neuberechnungen des System- und Gebäudeenergiebedarfs sowie eine Langzeitbeobachtung verschiedener Faktoren, die das System beeinflussen könnten. Die Analyse der Ergebnisse ergab, dass bei der praktischen Handhabung der Lüftungsanlage in den vergangenen Jahren Fehler unbemerkt geblieben waren. Nach Korrekturen konnte der Energiebedarf der Lüftungsanlage bei gleichbleibend guter Raumluftqualität um 71 % gesenkt werden.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie wichtig eine regelmäßige und geregelte Inspektion sowie Überwachung von Lüftungsanlagen ist, aber auch, dass es notwendig ist, Informationen zugänglich zu machen, die Folgen von Fehlern und Warnsignalen zu verstehen sowie einen Aktionsplan für die Korrektur zu erstellen. Die Ergebnisse verdeutlichen weiterhin, wie wichtig es ist, die Inspektionen mit der ursprünglichen und beabsichtigten Leistung des Lüftungskonzepts zu vergleichen, und dass alle Konfigurationen sowie Änderungsvorschläge für künftige Referenzen im Dialog mit dem Facility Manager, dem Auftraggeber und dem Systemdesigner dokumentiert werden sollten.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Einbeziehung der Endnutzer
Die Ausrichtung auf Gebäuderenovierungen und Inspektionen von Lüftungsanlagen ist ein begrüßenswerter Akt in der vorgeschlagenen Überarbeitung der EPBD und ein wichtiger Schritt, um die anhaltenden Herausforderungen des Energieverbrauchs und der Kohlenstoffemissionen in der Immobilienbranche zu bewältigen.
Der Handlungsbedarf ist vielen Akteuren klar, aber die Zeit zum Handeln wird knapp. Ein neuer Bericht über den Global Retrofit Index (2022) stellt fest, dass weniger als 1 % der bestehenden Gebäude in den großen Volkswirtschaften die notwendige Nachrüstung erhalten haben. Um das 1,5-Grad-Szenario des IPCC zu erfüllen, sollte die durchschnittliche jährliche Nachrüstungsrate bis 2030 2,5 % betragen, während die Energieintensität um 45 % gesenkt werden sollte.
Abgesehen von den nationalen Vorschriften muss die Bauindustrie mit intelligenten Systemen und einer interdisziplinären Zusammenarbeit aller Beteiligten in Einklang gebracht werden, um die laufenden Bauanforderungen und Umweltziele zu erfüllen. Immobilieneigentümer müssen beraten werden, um die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu verstehen, damit das Raumklima und der notwendige Energiebedarf ihren Erwartungen entsprechen. Wartung und Instandhaltung müssen von Organisationen durchgeführt werden, die die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb übernehmen. Die Planer sollten die Möglichkeit haben, dafür zu sorgen, dass alle technischen Anlagen zusammenpassen und entsprechend der Leistung sowie dem Design optimal funktionieren. Die Einweisung des Auftragnehmers ist ebenfalls wichtig, damit das System wie geplant installiert wird und wie vorgesehen funktioniert.
Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, wie wichtig eine klare Dokumentation, intelligente Lösungen und einfach zu bedienende Produkte und Systeme sind, die den Endnutzer stärker einbeziehen. Die Entwicklung digitaler Lösungen für eine konstante und langfristige Überwachung, zusammen mit dem Nutzerverhalten, dem Design und der Erfahrung, ist ein Weg, um die Effektivität und die Auswirkungen einer gesunden Innenraumluft und des Energieverbrauchs eines Gebäudes besser zu verstehen. Die benutzerfreundliche Darstellung von Daten dient darüber hinaus der Verbesserung der Zufriedenheit sowie des Vertrauens - und ermutigt die Endnutzer, sich mit der Leistung und den Auswirkungen eines Lüftungssystems auf das Raumklima und den Energieverbrauch eines Gebäudes zu befassen.
Die tab-Redaktion sprach mit Jan Behrens, Manager Project and Support Center Lindab, u. a. über die Fragen, warum Probleme mit Lüftungsanlagen nicht wahrgenommen werden und wie aufwändig eine Nachrüstung ist.
tab: Sie beschreiben, dass Störungen oder ineffizienter Betrieb von Anlagen von den Verantwortlichen nicht wahrgenommen oder ignoriert wurden. Welche Gründe kann dies haben?
Jan Behrens: Am besten lässt sich diese Frage mit der Aussage: „Wo kein Kläger, da kein Richter“ beantworten. Sobald eine Lüftungsanlage in Betrieb genommen wird, wird sie eingemessen. In der Regel findet die Einregulierung bei Volllast-Betrieb statt. Oft sind in Anlagen nur die Volumenströme in den Hauptsträngen mit einer hohen Ungenauigkeit gemessen worden, das war z. B. in Deutschland bis 2013 laut DIN EN 12599 („Prüf- und Messverfahren für die Übergabe eingebauter raumlufttechnischer Anlagen“) mit +/- 20 % ausreichend. Eine Luftmengenmessung per Raum oder sogar per Luftdurchlass hätte vertraglich gesondert vereinbart werden müssen. Es war somit nur der Nachweis der maximalen Luftmenge am Tag der Messung gefordert. Bei Anlagen mit variablen Volumenströmen wurde häufig die Funktionsfähigkeit nur grob geprüft, nach dem Motto „schließt der Volumenstromregler oder nicht“. Vergleiche des Energieverbrauchs Soll und Ist werden noch immer viel zu selten angestellt. Wir haben Systeme analysiert, bei denen Fehlermeldungen die Fehlfunktion von Regelklappen aufgezeigt hatten, die schon mehrere Monate alt waren. Die Techniker hatten sich anscheinend dazu entschieden, diese einfach zu ignorieren, da die Anlagen beschwerdefrei funktionierten. Es sind noch viele Anlagen im Betrieb, die durch einen besseren hydraulischen Abgleich ein hohes Energieeinsparpotenzial haben. Aber diesen Aufwand anzugehen, wird anscheinend gern vermieden, solange die Anlage ausreichend vernünftig läuft. Heute sind Luftmengenmessungen mit einer höheren Genauigkeit gefordert und Messungen im Verteilsystem vorgeschrieben, jedoch auch dieses nur als einmalig ermittelter Wert für das Abnahmeprotokoll. Im Betrieb der Anlage sollen Volumenstromregler dafür sorgen, dass die Luftmengen dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden, um somit stets für eine gute Raumluftqualität und eventuell auch für ein gewünschtes Innenraumklima zu sorgen und dabei ein Maximum an Energieeinsparungen in der Lüftungsanlage auszuschöpfen. Die Überprüfung der Regelfunktionen kann jedoch nur über ein Langzeitmonitoring erfolgen, was eben in der vorgeschlagenen Revision der EPBD eingebunden ist.
tab: Lässt sich moderne Regelungstechnik in allen Lüftungsanlagen nachrüsten? Wie hoch ist der Aufwand und was ist bei der Planung zu berücksichtigen?
Jan Behrens: Die Antwort ist schlicht mit Ja zu beantworten. Vereinfacht gesagt, benötigt jede Zone eine Zonenregelung mit variablem Volumenstromregler und Raummonitor. Weiterhin muss das Lüftungsgerät auf den Systemdruck reagieren können. Bei sehr einfachen und meist alten Anlagen ist hierzu ein Umbau am Lüftungsgerät notwendig, z. B. mit neuen EC-Ventilatoren, die über einen Drucksensor im Lüftungssystem gesteuert werden. Ein luftdichtes Luftverteilsystem ist ebenfalls wichtig, da die Druckregelung auf einen Anstieg des statischen Drucks im System reagieren soll, wenn die Volumenstromregler schließen. Unverschlossene Kanäle oder Stutzen sind da eher kontraproduktiv. Natürlich benötigt jede Systemänderung eine sorgfältige Planung. Bei allen Anlagen, die wir bisher untersucht und umgebaut haben, lagen Pläne der Lüftungsanlage vor, digital oder in Papierform. Diese wurden nachberechnet, um herauszufinden, wo Volumenstromregler eingefügt werden sollten und welches Energieeinsparpotenzial gegeben ist. Der Einbau von Volumenstromreglern in ein bestehendes Verteilsystem erfordert nur einen geringen Aufwand und kann meist auch im laufenden Betrieb des Gebäudes vorgenommen werden. Die neueste Generation von Volumenstromreglern beinhaltet auch schon die Raumregelung und kommuniziert mit den Raummonitoren kabellos. Batteriebetriebene Raummonitore sind ebenfalls verfügbar, die eine kabelgebundene Installation überflüssig machen. Somit können Sensoren schnell und so platziert werden, dass ihre Datenerfassung optimal ist. Die Systemüberwachung kann per App-Steuerung erfolgen oder über Internetplattformen überwacht werden.
tab: Sie plädieren für mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit und das Einbeziehen des Nutzers. Wie ist denn der Status quo und welche Auswirkungen hat dieser?
Jan Behrens: Wir treffen immer häufiger auf Nutzer mit eigenen Raumqualitätsmonitoren. Vielfach aufgeweckt durch die Informationen in allen Medien während der Corona-Zeit, ist die Überwachung der CO2-Werte, VOC-Werte, PM-Werte und anderen Luftqualitätsdaten als Indikator für eine gute Belüftung bekannt. Wenn CO2 Monitore in Gebäuden mit Lüftungsanlagen hohe CO2-Werte anzeigen, muss die Luftmenge erhöht werden. Oftmals sind die Regelparameter jedoch für den Nutzer versteckt, er hat keine Erkenntnisse über den Regelprozess und die aktuellen Daten. Für mich ist dies vergleichbar mit einem Autofahrer, der nur nach Gefühl fährt und keinen Tachometer besitzt. Ich halte es für sehr wichtig, dem Gebäudenutzer klar zu visualisieren, ob er eine gute Raumluftqualität einatmet oder eben nicht und bestenfalls diese auch zu zertifizieren.