Brandschutz im Holz- und Strohhaus

Ein Mehrzweckgebäude als Beitrag zur ökologischen Bauwende

Mit dem Neubau des Hauses St. Wunibald hat das im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz gelegene Kloster Plankstetten ein Referenzprojekt für klimaschonendes Bauen in Europa geschaffen: Das dreigeschossige Mehrzweckgebäude ist mit Holz aus dem klostereigenen Forst und Stroh von den ökologisch bewirtschafteten Feldern des Klosters errichtet sowie innenseitig mit Lehm verputzt. Das Kloster Plankstetten zeigt, wie der Klimaschutz im Gebäudesektor durch den Einsatz des nachwachsenden Baustoffs Stroh gelingen kann.

„Nachhaltig und im Einklang mit der Schöpfung wollen wir unser Kloster gestalten. Dafür werden nachwachsende, ressourcenschonende Baustoffe verwendet. Gemäß unseres regionalen Autarkiekonzepts beziehen wir diese vorzugsweise aus der Gegend“, so der bauverantwortliche Frater Andreas Schmidt OSB. So verfügt das Kloster bereits über ein Biomassekraftwerk und mehrere Photovoltaikanlagen. Dementsprechend werden alle Gebäude mit Energie aus nachwachsenden Rohstoffen versorgt.

Im Haus St. Wunibald mit einer Nutzfläche von 1.555 m² entstehen neben Kindergarten und Pfarrverwaltung 30 jeweils mit einem Badezimmer ausgestattete Einzelzimmer für den Gäste- und Tagungsbereich des Klosters. Die neuen Zimmer stehen ab Januar 2022 zur Verfügung.

Bauen mit Stroh ist
dreifacher Klimaschutz

Ein Strohbau schützt das Klima dreifach:

Im Wachstum entzieht Stroh der Atmosphäre CO2,
die Herstellung der Strohballen benötigt wenig Energie und
als hervorragender Dämmstoff hilft Stroh, Heizenergie zu sparen.

Um CO2-Emissionen im Bauwesen zu senken und die Klimaschutzziele zu erreichen, ist diese Bauweise hervorragend geeignet.

„Wir Mönche empfehlen allen Bauherrschaften, die das Klima schützen und die Ressourcen der Erde für zukünftige Generationen erhalten wollen, mit Holz und Stroh zu bauen. Diese Bauweise ist inzwischen technisch ausgereift und hat eine herausragende Ökobilanz“, so Frater Andreas Schmidt OSB.

Im Vergleich zu einem emissionsintensiven konventionellen Massivbau spart ein ökobilanziell optimal gebautes Strohballenhaus 97 t CO2-Äquivalent ein.

Bauweise und Baustoffe Haus St. Wunibald

Den Entwurf und die Planung des dreigeschossigen Neubaus, der sich an einem Hang hinter dem Kloster Plankstetten befindet, hat das Münchner Architekturbüro hirner & riehl Architekten und Stadtplaner erstellt: „Die Nutzung von Stroh als Baustoff ist so naheliegend, dass man in einem von der Verwendung von Industrieprodukten geprägten Planungsalltag fast nicht darauf kommt. Bei der Umsetzung von unserem Entwurf standen wir vor ganz neuen Herausforderungen“, so Architekt Robert Härtl.

Das Erdgeschoss wurde in den Hang hinein gebaut. Da diesem Geschoss eine wichtige statische Funktion bei der Hangsicherung zukommt und Holz innerhalb der Erde aufgrund der Feuchtigkeit nicht verwendet werden kann, besteht ein Großteil der Wände aus Beton. Alle Wände, die das Gewicht des Hangs nicht abfangen müssen und die nicht erdberührt stehen, wurden aus Holz und Stroh gebaut. Das Büro Lerzer ING + Plan GmbH aus Neumarkt, dem die Tragwerksplanung anvertraut war, gelang die statische Sicherung der instabilen geologischen Verhältnisse des Baugrundes in Zusammenarbeit mit den Bodengutachtern.  „Das Argument, wir bauen ein Schutzbauwerk in Richtung des Berges, hat sich mehr als bestätigt. Im Zuge der Umsetzung hat er sich mehr als gewünscht in Bewegung gesetzt“, so Stefan Lerzer.

Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen und
regionaler Herstellung

Neben der geforderten energetischen Einhaltung des Passivhausstandards kamen, soweit baukonstruktiv möglich, ausschließlich CO2-neutrale Baustoffe aus regionaler Herstellung zur Verwendung. So konnten die Hauptgewerke an Firmen in der Region vergeben werden. Die im eigenen Klosterforst geschlagenen und im Sägewerk zugeschnittenen Baumstämme – 400 m3 Fichtenholz – wurden nach deren Trocknung direkt vor Ort von der Zimmerei Holzbau Bogner als nebeneinanderliegende Deckenbalken eingebaut. Hierfür wurden insgesamt 500 massive Balken verwendet. Die sogenannte Mann-an-Mann-Decke, eine Massivholzdecke, die im Gegensatz zur Holzbalkendecke keine Zwischenräume zwischen den Balken hat, hat eine sehr hohe Tragfähigkeit hat – eine Konstruktionsweise, die schon im Mittelalter verwendet wurde.

Die Wände bestehen aus Holzrahmen, in welche die Mitarbeiter der Zimmerei Holzbau Bogner insgesamt 2.500 Strohballen gepresst haben. Die Strohballen wurden auf dem Klostergut Staudenhof gefertigt. Die mobile Strohpresse der österreichischen Firma Sonnenklee hat das Stroh entstaubt, geformt und verdichtet. Anschließend wurden die Strohballen von der Baustroh GmbH als Baustoff geprüft und ausgewiesen. Beim Innenausbau kommt im gesamten Gebäude Hanf zur Isolation und Schallschutzdämmung zum Einsatz.

„Die natürlichen Baustoffe ergänzen sich perfekt. Ich würde es auf jeden Fall wieder so bauen“, resümiert Zimmermeister Manfred Bogner.

Das gesamte Gebäude wurde aus 100 strohgefüllten Wandelementen, 25 Massivholz-Deckenelementen und 30 strohgedämmten Dachelementen zusammengefügt.

Der Neubau ist mit dem historischen Gebäudekomplex des Klosters über ein neues Kellergeschoss, in dem sowohl die umfangreiche Gebäudetechnik als auch die Gastroküche der Klosterschenke untergebracht ist, verbunden.

Brandschutzanforderungen erfüllt

Das Haus St. Wunibald ist ein „Sonderbau“ nach Bayerischer Bauordnung, so dass es höchste Anforderungen beim Brandschutz zu erfüllen hat. Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts war dabei der Aufbau der Außenwände. Die Strohballen sind normalentflammbar wie z.B. Holz auch, da sie durch das Pressen der Halme im Brandfall von Sauerstoff abgeschlossen sind. Sie sind innen wie außen jeweils durch eine nicht brennbare Schicht bedeckt: von innen mit Lehmputz und von außen mit einer Gipsplatte. Dabei konnte auf die seit 2014 in Deutschland existierende Strohbaurichtlinie zurückgegriffen werden, in der die Erfahrungen und das Wissen zum Strohballenbau zusammengefasst sind.

Die Flucht- und Rettungswege mussten aus Beton bzw. Gipskartonwänden mit nicht brennbaren Dämmstoffen gebaut werden.

Die Geschossdecken des 3-geschossigen Holzbaus wurden als Holz-Beton-Verbunddecke ausgeführt, welche als Basis eine 20 cm dicke Balkenlage aufweist. Auf dieser flächigen Balkenlage (Mann-an-Mann-Decke) liegt eine 10 cm dicke Betonschicht, welche als Lastverteilschicht dient. Darauf ruht ein klassischer Bodenaufbau mit Dämmschicht und Estrich.

Da für diese Decken von Seiten des Brandschutzes eine Feuerwiderstandsdauer von 60 min. gefordert ist, wurden sämtliche Durchdringungen durch die o.g. Holz-Betonverbunddecke entsprechend abgesichert. Die Holzbalken und die Betonschicht wurden auf das kleinstmögliche Maß durchdrungen, und die entstehende Aussparung wurden nach der Durchführung der Installationsleitungen mit Brandschutzmörtel vergossen.

Bei den Durchdringungen von feuerhemmenden Holzständerwänden wurde ebenfalls die Nassverpressung mit Brandschutzmörtel gewählt.

Es wurden drei zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung installiert (im Neubau Haus St. Wunibald, in der Küche, und im Altbau). Die Lüftungsleitungen mussten bei Durchdringung eines Brandabschnittes jeweils mit Brandschutzklappen versehen werden.

Eine direkt mit der Leitstelle verbundene Brandmeldeanlage mit Brandmeldern in allen Räumen sichert die Brandüber-wachung.

Einfacher Brandversuch

Strohgedämmte Wände können einem Brand lange standhalten. Um das zu demonstrieren baute Benedikt Kaesberg, Leiter des Interreg-Projektes UP STRAW, während eines Pressetermins einen Strohballen in ein vorgefertigtes Holzgefach und beflammte ihn 90 min lang. Die Vorderseite des Wandelements war unverkleidet. Die Rückseite war mit einer Gipsplatte verkleidet, um eine Durchströmung von Rauch und heißer Luft zu unterbinden. In Gebäuden sind strohgedämmte Bauteile immer innen und außen verkleidet. Damit wird der eigentliche Brandschutz erreicht und die Feuerwiderstandskraft im Vergleich zum nackten Stroh beim Versuch ist nochmals erhöht. Das Testmodul wurde auf der unverkleideten Seite über eine Stunde mit einem handelsüblichen Dachdecker-Brenner beflammt. Anschließend wurde das Feuer mit Wasser gelöscht und die Rückwand abgenommen. Die Strohdämmung war nicht einmal zur Hälfte durchgebrannt und das rückwärtige Stroh war nicht einmal warm. Brandtests wurden auch bereits unter Laborbedingungen durchgeführt. Hier wurde kein Dachdecker-Brenner verwendet, sondern in einem Ofen eingespannte Prüfkörper wurden bei einer Einheitstemperaturkurve und unter Druck erhitzt. Auch unter diesen Prüfbedingungen hielt das Stroh dem Brand lange Stand. Ausgedrückt hat sich das in einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis mit nachgewiesenen Wandaufbauten mit Feuerwiderstand F30 bzw. F90.

Haus St. Wunibald macht Strohbau erlebbar

Mit der Entscheidung für die Holz-Strohbauweise haben die Benediktinermönche ein Vorbildgebäude (www.kloster-plankstetten.de/strohbau) geschaffen, das mit drei strohgedämmten Geschossen das aktuell größte seiner Art in Süddeutschland ist.

„Uns war es wichtig, ein Haus mit Vorbildcharakter zu bauen, dass für alle zugänglich und erlebbar ist. Wir hoffen, dass wir viele mit unserem Vorhaben inspirieren und es vorangeht mit der ökologischen Bauwende“, so Frater Andreas Schmidt OSB. Der Neubau zeigt, dass ökologisch nachhaltiges und energieeffizientes Bauen auch im öffentlichen Bauwesen in dieser Größenordnung möglich ist und in eine historische und denkmalgeschützte Klosteranlage integriert werden kann. Ulrich Bauer von der natürlich-baubio-logisch GmbH, der das Kloster im Rahmen der Generalsanierung umfassend baubiologisch beraten hat, fasst zusammen: „Wenn wir es mit der Klimaneutralität im Bauwesen ernst meinen, müssen die konventionellen, mit hohem energetischem Aufwand hergestellten Bauprodukte wie Stahl und Beton durch die Konstruktion mit Holz substituiert und mit jährlich nachwachsenden Rohstoffen gedämmt werden. Dann werden auch strohgedämmte Häuser im größeren Umfang einen Platz in Deutschland finden.“

Info

Einfacher Brandversuch

Materialien: Holzgefach aus Fichtenholz, Strohballen, rückseitig Gipsplatte

Maße des Testmoduls: 36 cm x 92 cm x 80 cm

Durchführung des Brandversuchs

Der in ein Holz-Gefach gepresste Strohballen wird 90 min lang mit einem Gasbrenner beflammt. Zunächst verbrennen herausstehenden Strohhalme mit direktem Kontakt zur Luft, danach frisst sich das Feuer langsam in die Dämmung hinein.

Nach 90 min wird die Platte an der Rückseite abgenommen. Die Strohdämmung war nicht einmal zur Hälfte durchgebrannt und das rückwärtige Stroh war nicht einmal warm. In der linken oberen Ecke war nach dem Löschen noch Glut verblieben, so dass es nach über zwei Stunden dort weiter verkohlt war.

Info

Der Neubau in Plankstetten ist eines von fünf beispielgebenden Bauprojekten im europäischen Interreg-Projekt UP STRAW (gefördert Interreg-Programm North-West-Europe). Ziel des Projekts ist es, in den beteiligten EU-Staaten einen Markt für das Bauen mit Stroh zu entwickeln. Weitere Förderer des Projekts sind das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Diözese Eichstätt sowie die Stadt Berching.

Brandschutz im Strohbau

Nur loses Stroh brennt leicht, verdichtetes Stroh jedoch nicht („Telefonbucheffekt“). Verbaute Strohballen sind stark verdichtet und – wie Holz auch – als normalentflammbar klassifiziert.

Mit entsprechenden Verkleidungen erfüllen strohgedämmte Gebäude gängige Brandschutzanforderungen wie F30 und F90, d.h. sie sind nachgewiesen in diesen Feuerwiderstandsklassen herstellbar und widerstehen einem Brand 30 oder 90 min. So bleibt genügend Zeit, um z.B. das Gebäude im Brandfall zu verlassen.

Steckbrief

Haus St. Wunibald

Gebäudeart: Mehrzweckgebäude, Passivhausstandard

Auftraggeberin: Benediktinerabtei Plankstetten

Jahr der Fertigstellung: Ende 2021

Baubeteiligte (Auswahl):

Architekturbüro: hirner & riehl architekten und stadtplaner

https://www.hirnerundriehl.de/project/haus-st-wunibald/

Tragwerksplanung: LERZER ING + Plan GmbH

Objektüberwachung: Ingenieurbüro Seibold + Seibold

Holz-Stroh-Konstruktion: Holzbau Bogner GmbH

Planung der Technischen Gebäudeausrüstung: IG Frey-Donabauer-Wich mbH

Ausweisung der klostereigenen Strohballen als Baustoff: Baustroh GmbH

 

Nutzungsfläche: 1.555 m²

Kosten (gesamt): 6.000.000 € (Die Kosten beinhalten Aufwendungen, die im Zusammenhang mit besonderen Anforderungen an den Brandschutz, den Schutz des kulturellen Erbes und das Georisiko eines Erdrutsches stehen.)

Strohbauweise: Holzständerkonstruktion mit Strohballenausfachung aus vorgefertigten Elementen

Menge des im Projekt verwendeten Strohs: 300 m³

Entfernung zwischen der Strohversorgung und dem Projekt: 1,5 km

Menge des im Projekt verwendeten Holzes: 400 m3 Fichtenholz aus dem eigenen Klosterforst

 

Projektförderer:

Interreg-Projekt UP STRAW (gefördert vom Interreg-Programm North-West-Europe)

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

der Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

Stadt Berching

Diözese Eichstätt

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