Human Centric Lighting
Lernumgebungen richtig beleuchtenWer kennt sie nicht, die (meist flackernde) Neonröhre im Klassenzimmer. Viele Schülergenerationen haben ihre gesamte Schulzeit mit dieser Beleuchtung verbracht. Selbst heute ist sie noch nicht aus allen Lern- und Ausbildungsstätten verschwunden. Dabei ist eine gute Beleuchtung einer der Faktoren für konzentriertes, aufmerksames Arbeiten und optimale Lernergebnisse. Auch Bildschirmarbeitsplätze erfordern besonders durchdachte Lichtkonzepte, um Blendwirkungen, Reflexionen oder den Einfall von zu hellem Tageslicht zu vermeiden. Beleuchtung muss deshalb als umfassendes Konzept gedacht, geplant und ausgeführt werden.
Licht für jede Tageszeit
Wissenschaftler unterscheiden zwischen visuellen, psychologischen und (neuro-)biologischen Lichtwirkungen. Licht ist aus neurobiologischer Sicht der wichtigste Faktor für unseren circadianen Rhythmus und unser natürlicher „Taktgeber“. Es beeinflusst eine Vielzahl physiologischer und psychologischer Vorgänge und wirkt sich so auf Wohlbefinden, Konzentration, Leistungsfähigkeit und Stimmung aus. Nicht umsonst kommt es im Winterhalbjahr häufiger zu Müdigkeit und Stimmungsschwankungen. Der physiologische Vorgang des Sehens ist energieintensiv: Bis zu 25% unseres Energiehaushaltes entfallen – je nach verfügbarer Lichtmenge – allein auf den Sehvorgang. Ist die Beleuchtung zu schwach, ermüden wir schneller. Flackernde Lichtquellen wie die berüchtigte Neonröhre lassen die Pupillen besonders schnell ermüden. Dann drohen auch Kopfschmerzen bis hin zur Migräne.
So genannte Human Centric Lighting (HCL)-Konzepte stellen die über den Tag unterschiedlichen „Lichtbedürfnisse“ und den circadianen Rhythmus des Menschen in den Mittelpunkt und zielen darauf ab, die Lichtverhältnisse jederzeit flexibel an Aktivitäts- und Ruhephasen anzupassen. Ihre technische Umsetzung besteht deshalb nicht nur aus Leuchtkörpern, sondern auch aus einem ausgeklügelten System von Verdunklungsmöglichkeiten und modernen Lichtsteuerungen mit Sensoren, die die Tageslichtmenge erfassen.
Soll konzentriert gearbeitet werden? Ein Tageslichtprogramm (mindestens 5.500 K und mind. 750 lx) schafft optimale Bedingungen. Liegt der Fokus auf Entspannung, kreativem Arbeiten und Erholung? Dann eignet sich eine gedämpftere Beleuchtung mit höchstens 3.000 K und ca. 300 lx). Zu diesem Schluss kam Dr. Nino Wessolowski in seiner Dissertation „Wirksamkeit von Dynamischem Licht im Schulunterricht“ [1].
Wie wirkt sich Licht auf kognitive Prozesse aus?
Wessolowski, heute Professor für Forschungsmethodik an der MSH Medical School Hamburg und zertifizierter Lichtplaner für Innenbeleuchtung sowie Mitglied im Ausschuss „Wirkung von Licht auf den Menschen“ des Deutschen Instituts für Normung (DIN), untersuchte für sein Promotionsvorhaben im Rahmen einer kontrollierten Feldstudie die Auswirkung von Licht auf 116 Schüler. Die Untersuchung ergab, dass bei Verwendung des Tageslichtprogramms eines dynamischen Beleuchtungskonzepts die Fehlerwahrscheinlichkeit in einem d2-Konzentrationstest deutlich reduziert und die Lesegeschwindigkeit in einem Lesetest deutlich erhöht war.
Eine weitere Studie mit 95 erwachsenen Teilnehmern verzeichnete ähnliche Ergebnisse. Der Einsatz optischer Messverfahren in der Schulstudie ergab zudem bei warmweißem Licht in niedriger Beleuchtungsstärke einen signifikant größeren und schnelleren Rückgang motorischer Unruhe als in einer Kontrollgruppe, die mit einer nicht-dynamischen Standardbeleuchtung arbeitete.
Energieeffizientes Lichtmanagement von Lernumgebungen
Die Beleuchtung in Lernräumen muss also veränderbar sein, um den tageszeitlichen Rhythmus des Menschen, Lernumgebung, Aufgabe sowie idealerweise auch individuelle Bedürfnisse berücksichtigen zu können, was etwa durch akzentuierte Beleuchtung wie beispielsweise zuschaltbare Spots an Arbeitsplätzen erreicht werden kann. Sie sollte mindestens ein Tageslicht- und ein Entspannungsprogramm bieten, also eine tageslichtabhängige Lichtregelung sowie die Steuerung der Lichtfarbtemperatur ermöglichen. Zudem muss sie der Energieeinsparverordnung, die künftig weiter verschärft werden wird, effizient gestaltet sein.
Die Verbindung von Lichtqualität und Energieeffizienz wird durch neue technische Lösungen ermöglicht. Moderne Leuchtmittel bieten eine bessere Lichtausbeute, das Flackern von Leuchtkörpern wird durch Vorschaltgeräte reduziert. Lichtmanagementsysteme, die Beleuchtung und Verdunkelung integrieren, können nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Modernisierungen von Schulgebäuden einfach nachgerüstet werden. Eine besondere Rolle spielt sowohl in Bezug auf das Wohlbefinden der Raumnutzer als auch auf die Energieeffizienz die Tageslichtnutzung. Ein optimales Lichtmanagement verbindet deshalb benutzerfreundliche Bedienung durch voreinstellbare Lichtprogramme und smarte Steuerlösungen mit der aktiven Tageslichtnutzung, auch bekannt als „Daylight Harvesting“ oder Kontrastlichtregelung. Dabei wird die Intensität des Tageslichts von Sensoren erfasst und in Echtzeit ausgewertet, um die elektrische Beleuchtung anzugleichen und die Gesamtlichtintensität konstant zu halten.
Wie werden HCL-Konzepte für Lernräume technisch umgesetzt?
Wurde früher bei der Raumplanung nur die visuelle Wirkung des Lichts berücksichtigt, stellen HCL-Konzepte heute vor allem auf die bereits erläuterte neurobiologische Wirkung des Lichts ab und beziehen deshalb Parameter wie Lichtspektrum, Farbtemperatur, Lichtverteilung, Beleuchtungsstärke und deren Zeitabfolgen ein [2]. Planung und Betrieb HCL-konformer Beleuchtungsanlagen stellen Architekten, Systemintegratoren und spezialisierte Lichtplaner daher vor komplexe Herausforderungen. Das gilt im Besonderen für Lernräume, in denen nicht nur konzentriertes Arbeiten, sondern auch Pausen, sozialer Austausch, Gruppenaktivitäten und kreative Aufgaben stattfinden, teils konventionelle, teils digitale Lernmittel genutzt werden und in denen verschiedene Menschen mit unterschiedlicher individueller Lichtwahrnehmung zusammentreffen und entsprechend viele Lichtszenarien benötigt werden.
Ein solches Maß an Dynamik und Flexibilität ist nur mit Hilfe smarter Lichtsteuerungen umzusetzen. Mit ihrer Hilfe lässt sich das Zusammenspiel von Tages- und Kunstlicht optimieren, bei maximaler Bedienerfreundlichkeit sowohl an Vorgaben wie Lichtstärke und Helligkeit für Tageslicht- und Wohlfühl-Szenarien anpassen als auch – etwa durch zuschaltbare Spots am Arbeitsplatz – individuell gestalten und so energieeffizient betreiben, dass Energieeffizienzvorgaben eingehalten werden.
Dynamische Lichtsteuerung mit Tageslichtnutzung: DALI 64
DALI64 ist ein voll ausgestattetes, eigenständiges DALI2-Lichtsteuersystem mit 64 Adressen, das in einen Multisensor für Bewegung und Lichtstärkemessung (PIR-Sensor) eingebettet ist. Die Farbtemperatur des weißen Lichts kann auf jeden Wert bis hin zu Tageslicht eingestellt werden, um optimale Bedingungen für konzentriertes Lernen und Arbeiten zu schaffen. Bediener können bis zu 16 verschiedene Lichtszenen für Arbeits- und Entspannungssituationen einfach und intuitiv erstellen und jederzeit abrufen.
Centraline, Honeywells Partnermarke für Building Management Solutions (BMS), bietet eine DALI64-Lichtsteuerung an, die über „Bluetooth Low Energy“ (BLE) drahtlos mit der „Light Touch”-App einfach und schnell in Betrieb genommen und über die Modbus-Kommunikation nahtlos und effizient in das „Merlin NX“-Raumautomationssystem und in das „Arena NX“-Gebäudeleitsystem integriert werden kann. Sie ermöglicht so eine auf den Menschen abgestimmte Beleuchtungssteuerung zur Anpassung an den zirkadianen Rhythmus. Über das „Arena NX BEMS“ (Building Energy Management System) können Daten wie Brenndauer der Leuchten, Farbtemperatur und -intensität oder Fehlermeldungen visualisiert, ausgewertet und für die vorbeugende Wartung, die Energiekostenreduzierung und die Anpassung an die Tageslichtintensität genutzt werden.
Fazit
Lernumgebungen benötigen dynamische Lichtkonzepte, die im Besonderen eine tageslichtabhängige Lichtregelung für konzentriertes Arbeiten und eine Lichtfarbtemperatur-Steuerung für Beruhigung, Entspannung und Erholung bieten müssen. So können verschiedene Unterrichtskonzepte, Aufgaben und Tagesphasen optisch so gestaltet werden, dass dem circadianen Rhythmus Rechnung getragen wird und je nach Anforderung Konzentration oder Entspannung leichter fallen. Eine dynamische Lichtgestaltung im Rahmen von HCL-Konzepten ist ein wissenschaftlich validierter Teil eines gesundheitsfördernden Raum- und Gebäudekonzepts und leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung von Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in Lern- und Arbeitsumfeldern. Um solche Konzepte energieeffizient umzusetzen bedarf es moderner Lichtsteuerungen, die eine optimale Tageslichtnutzung ermöglichen und den Einsatz von Kunstlicht an Tageszeit und Raumauslastung ausrichten. Die einfache Integration geeigneter Lichtsteuerungen wie etwa die DALI64-Modbus-Lösung von Centraline in übergeordnete Building Management-Systeme (BMS) bzw. Building Energy Management-Systeme (BEMS) erlaubt inzwischen die bedienerfreundliche, energie- und kostenschonende Einbindung in übergeordnete Raum- und Gebäudemanagementsysteme. So können auch bestehende Lernräume mit vergleichsweise geringem Aufwand mit modernen, HCL-konformen Lichtmanagementsystemen ausgestattet werden, um bessere Lern- und Arbeitsbedingungen für die Raumnutzer zu schaffen.
Quelle:
[1] „Wirksamkeit von Dynamischem Licht im Schulunterricht“, ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/5418 , 2014 [2] licht. wissen 21, „Leitfaden Human Centric Lighting (HCL)“, www.licht.de/fileadmin/Publikationen_Downloads/1806_lw21_HCL_web.pdf , abgerufen am 30. April 2021