In BIM planen und denken
Im Gespräch mit Rainer Walser
tab: Herr Walser, das Release von „DDS-CAD 10“ steht kurz bevor – womit können die Anwender rechnen?
Rainer Walser: Auf der Light+Building und ifh/Intherm haben wir dieses Jahr zum ersten Mal die Neuerungen der kommenden Version „DDS-CAD 10“ gezeigt. Dabei hat die erweiterte Bauteillageerkennung für begeistertes Feedback gesorgt. DDS-CAD kann jetzt für eine Wand oder Fläche mehrere unterschiedliche, angrenzende Situationen in der Vertikalen erfassen und in der Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 berücksichtigen.
Auf horizontaler Ebene gehört die Funktion branchenweit zum Standard. Jetzt funktioniert die Flächenerkennung auch geschossübergreifend, etwa bei Treppenhäusern. Besonders in großen Projektdimensionen mit komplexer Architektur, wie versetzten Geschossen, bringt das eine immense Zeitersparnis, erst recht, wenn man auch die Revisionsprozesse betrachtet. Wir erhalten automatisch sehr präzise Heizlastergebnisse – ohne umständliche, manuelle Tricks. Einer unserer Kunden sagte, dass er mit dieser Funktion in seinem jüngsten Projekt 75 % der Arbeitszeit sparen konnte.
tab: Welche Konsequenzen hat das für die weitere Planung?
Rainer Walser: Die berechnete Heizlast ist direkt mit der automatischen Auslegung von Heizkörpern, Fußbodenheizungen und der Rohrleitungsdimensionierung verknüpft. Der Anwender braucht nur den gewünschten Produkttyp in der Artikeldatenbank auszuwählen; dabei kann er auf Basis der im BIM-Modell enthaltenen Parameter, die Positionierung vordefinieren, wie z. B. Abhängigkeiten zu Fenstern etc. Die Auslegung, Dimensionierung und Platzierung erfolgt dann automatisch. Das hindert ihn nicht daran, individuelle Anpassungen vorzunehmen. Berücksichtigen lassen sich auch Wärmebrücken. Je exakter die Heizlastberechnung, desto effizienter die Materialausstattung und Energieversorgung des Gebäudes. Man denke nur an die Anforderungen von Null- und Plusenergiehäusern und natürlich von großen Industrieanlagen. Deren effizienter Betrieb muss mit den ersten Planungsschritten beginnen.
tab: Wie weit reichen die Planungsmöglichkeiten von Heizungsanlagen in DDS-CAD?
Rainer Walser: Die gesamte Rohrnetzkonstruktion ist flexibel und erlaubt jederzeit Änderungen. Der „DDS-CAD“-Planer hat hier uneingeschränkte Planungsmöglichkeiten: Er kommt von 2D zu 3D und umgekehrt. Strich-, 2D- und 3D-Darstellung sind unterschiedliche Repräsentationsformen desselben Objekts im System. Anwender können Rohrleitungen so direkt als 3D-Objekte einplanen und von Anfang an Größe und Abstände der Rohre zueinander sehr gut einschätzen. Berechnungen sind dabei jederzeit möglich, die Dimensionierungen passen sich automatisch an. Davon profitiert man natürlich besonders bei der gewerkeübergreifenden Planung mit Sanitär- und Lüftungskanalnetz.
Für die Berechnung des Heizrohrnetzes ermittelt der Planer in „DDS-CAD“ zunächst den Volumenstrom, den die Verbraucher fordern, und dimensioniert dann die Nennweiten der Rohrleitungen. Dabei kann er die maximale Fließgeschwindigkeit des Heizmittels und einen festgesetzten Druckabfall berücksichtigen. Im Dialog für die Heizungsrohrnetzberechnung werden die Leistungen, Volumenströme, Geschwindigkeiten und Druckverluste jedes Teilstranges angezeigt und die berechneten Einstellwerte für die Ventile und die Werte der Sicherheitsanlage ausgegeben. Dokumentiert werden kann die Anlage in Ausführungs- und Montagezeichnungen, Strang- und Anlagenschemata.
tab: Die politische Zielsetzung sieht vor, Gebäude zu errichten oder so zu sanieren, dass sie im Laufe eines Jahres mehr Energie bereitstellen, als sie benötigen. Welches Potential bietet „DDS-CAD“ für diese Zukunftsprojekte?
Rainer Walser: Für die außerordentlich guten Energiebilanzen heutiger Neubauten ist in erster Linie die extrem dichte Gebäudehülle verantwortlich. Durch diese ist es im Wohnbau notwendig, einen rechnerischen Nachweis nach 1946-6 für den Feuchteschutz zu erbringen. Der dafür zu erzielende, berechnete Mindestluftwechsel kann nicht über die freie Lüftung realisiert werden, so dass andere technische Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Forderungen der Norm zu erfüllen.
„DDS-CAD“ ermöglicht hierfür die Planung und Berechnung der kontrollierten Wohnraumlüftung und auch industrieller Großlüftungs- bis hin zu Vollklimaanlagen und kann diese auch automatisch in der Heizlastberechnung berücksichtigen.
Die Luftwechselrate teilt sich automatisch unter den einzelnen Luftdurchlässen auf und dient durch die Eingabe einer Zulufttemperatur gleichzeitig als thermische Information für die Heizlastberechnung. Werte, die man für viele verschiedene Berechnungen benötigt, müssen nur einmal eingetragen werden. Dies steigert die Geschwindigkeit, die Effizienz und vermeidet Fehler. Die Lüftungsanlage ist ein zentrales Element der TGA, aber auch PV, Solarthermie, Gebäudeautomation per KNX-System werden immer selbstverständlicher. Mit Lösungen für Heizungs-, Sanitär-, Lüftungs- und Elektrotechnik sowie PV und Blitzschutz liefert „DDS-CAD“ ein flexibles Instrumentarium für gewerkeübergreifende Projekte. Für die PV-Planung etwa wurden die Eigenverbrauchsprofile in „DDS-CAD 10“ erweitert, um einen exakten Vergleich von Ertrag und Eigenverbrauch anstellen zu können.
In größeren Projekten wird die Planung in allen Modulen sehr durch die aktive gewerkeübergreifende Kollisionsvermeidung erleichtert. Bereits während der Trassenplanung ist es möglich, bestehende Objektkomponenten im Kollisionsfall automatisch zu umfahren. Hierfür müssen keineswegs alle beteiligten „DDS-CAD“-Module auf dem Rechner des kontrollierenden Planers installiert sein. Für eine Kollisionsprüfung genügt es, die übrigen Gewerke einzublenden.
tab: Wie wird dabei das Thema Building Information Modeling (BIM) integriert, das in Zukunft an Bedeutung gewinnen soll?
Rainer Walser: BIM ist für uns der Schlüssel zur Zusammenarbeit in der Baubranche. Es geht um die Fähigkeit zur freien Kommunikation zwischen Softwaresystemen, deswegen sprechen wir auch von OpenBIM. „DDS-CAD“ ist eine vollintegrierte OpenBIM-Plattform und war im Kerngedanken von Beginn an eine BIM-Lösung, in der mit „intelligenten“ Daten in einem 3D-Gebäudemodell geplant werden konnte. Die Branche wird noch stark durch herstellerbezogene Lösungen bestimmt. Firmeneigene Formate werden aber immer begrenzt bleiben. Wir müssen von dieser Selbstbezogenheit wegkommen und allein die Planungseffizienz für den Anwender zum Ziel haben. Wenn alle Beteiligten mit ihrer Software auf die Daten desselben Grundmodells zurückgreifen können, weil diese in einem übernahmefähigen Format vorliegen, bedeutet das einen Riesengewinn an Zeit und Effizienz.
Der gegenwärtig weit verbreitete Aufwand durch Mehrfacheingaben und die Nachbearbeitung von DWG- oder PDF-Plänen etwa würde sich samt den daraus folgenden Fehlerquellen erübrigen. Für eine solche offene Kommunikation in der Baubranche braucht es eine gemeinsame Sprache und das ist das IFC-Format, die „Industry Foundation Classes“, entwickelt durch die buildingSMART-Organisation. Ich vergleiche IFC gern mit html: Wir können auch heute auf einer Webseite aus den 1990ern surfen, obwohl wir keinen Browser aus dieser Zeit nutzen. Seit über zehn Jahren investieren wir in den unabhängigen Datenaustausch über IFC: „DDS-CAD“ ist offiziell durch buildingSMART zertifiziert. Gemeinsam mit weiteren Softwareanbietern, die derselben Philosophie folgen, wie Nemetschek Allplan, Graphisoft und Tekla, haben wir uns zur OpenBIM-Allianz zusammengeschlossen, um die Methode auch im deutschsprachigen Raum so stark zu etablieren, wie es international längst der Fall ist.
Der Zusatz „Open“ ist entscheidend, weil es in erster Linie um die Bereitschaft zu einem „intelligenten“ Datenaustausch geht. Daher bezieht sich dieses „Open“ auch nicht ausschließlich auf IFC, sondern ebenso auf gbXML, COBie, BCF und generell direkte Schnittstellen zwischen verschiedenen Anwendungen.
Ein weiterer Vorteil von OpenBIM ist, dass die Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes genutzt werden können. In der Planungsphase sorgen sie für effizienten Austausch und eine übergreifende Kollisionskontrolle. Aber auch als Input für Facility-Management-Lösungen, bei späteren Umbauarbeiten etc. können die Daten für die Planung und Kostenschätzung u. a. wieder genutzt werden.
tab: Welche Konsequenzen hätte ein funktionierender, systemunabhängiger Datenaustausch?
Rainer Walser: Anwender können mit der jeweils besten verfügbaren Software für ihren Fachbereich arbeiten und müssen nicht aus Kompatibilitätsgründen eine für sie weniger geeignete Lösung verwenden. „DDS-CAD“+ z. B. ist im Bereich TGA und 3D-Modellierung ein mächtiges Instrument und bietet sehr flexible Möglichkeiten, aber keine Software der Welt wird auf absehbare Zeit alle an den Planer gestellten Anforderungen im Bauprozess abdecken können.
tab: Herr Walser, vielen Dank für das Interview.