TGA-CAD: Berechnend konstruieren

Hilfestellung für die Softwarewahl

Mit den steigenden Ansprüchen an den Komfort und die Energie­effizienz von Gebäuden wächst auch die Bedeutung der Haustechnik. TGA-CAD wird deshalb zu einem zunehmend wichtigen Werkzeug fürs Planen, Bauen und Nutzen von Gebäuden.

Ohne CAD kann heute kein TGA-Fachingenieur wirt­schaft­lich arbeiten. Immer früher müssen haustechnische Anlagen konzipiert, immer schneller muss auf Änderungen während der Planungs- und Bauphase reagiert werden. Der Wahl des richtigen Werkzeugs kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Doch ein Markt mit knapp 30 deutschsprachigen CAD/CAE-Lösungen für die Haustechnik macht eine Auswahl nicht gerade einfacher. Viele Programme sind für alle TGA-Gewerke konzipiert, andere haben ihren Schwerpunkt in den Bereichen Heizung, Klima/Lüftung und Sanitär, teilweise auch Elektro. Während sich einige Lösungen auf die Konzeption und Berechnung konzentriert, haben andere ihre Stärken in der Ausführungsplanung. Was sich für wen eignet, sollte deshalb im Vorfeld sorgfältig geprüft werden.

Was kann TGA-CAD?

Zu den Kernaufgaben gehört die Unterstützung des TGA-Planers bei Routinetätigkeiten: der Dimen­sionierung von Heizungs-, Trinkwasser- und Abflussrohren oder Lüftungskanälen, der Ge­ne­rie­rung von Schema-, Übersichts- und Leitungsplänen in Form von Grundrissen, Schnitten oder 3D-Darstellungen sowie der Aus­gabe von Stücklisten, Längen, Flächen und Mengen für Aus­schreibungen oder Kosten­er­mittlungen. Da TGA-Planer um eine komplette Eingabe der Gebäudestruktur häufig nicht herum­kom­men, lassen sich auch Gebäudebauteile, Räume, Geschosse, teil­weise sogar komplette Gebäudegeometrien konstruieren. Somit steckt in jedem TGA- auch ein Bau-CAD-Programm. Gebäude- und Installationsbauteile werden streng getrennt und auto­matisch auf separate Zeichnungsfolien abgelegt, um in den meist sehr komplexen TGA-Plänen Chaos zu vermeiden und die Darstellung ausgewählter Planinformationen zu ermöglichen. Für die Ausschreibung relevante Daten werden automatisch ermittelt und exportiert, wobei Einzelmassen den Leitungssträngen, Räumen und Geschossen prüfbar zugeordnet werden können. 3D-Darstellungen von Lüftungskanälen, Heizungsleitungen etc. ermöglichen die Visualisierung, Präsentation und As-Built-Doku­men­tation der Leitungsführung, die später im Bodenaufbau, in der Wand oder abgehängten Decke verschwindet.

Ein wichtiger Aspekt sind Änderungen, denn sie machen in der Praxis den bei weitem größten Teil des Planungsaufwandes aus. Problematisch wird es dann, wenn haustechnische Installationen zunächst grafisch konzipiert, extern berechnet und die Ergebnisse in das CAD-System übertragen werden. Wird im weiteren Pla­nungs­verlauf die Grafik weiterentwickelt und geändert, die Be­rech­nungen aber nicht nachgeführt, weil der Aufwand für das Zu­rück­schreiben der CAD-Daten in die Berechnungsprogramme zu aufwendig ist, kommt es zu Dateninkonsistenzen und Fehlern. Inte­griertes TGA-CAD beinhaltet deshalb sowohl eine geometrische Kon­struktion als auch eine parallele Berechnung nach DIN, VDI, EN, ISO etc., so dass jede geometrische Änderung auch in der Be­rech­nung automatisch nachführt wird und umgekehrt.

Integriertes TGA-CAD kann noch mehr

Mit den wachsenden Anforderungen an die Haustechnik hat sich auch TGA-CAD weiterentwickelt. Zur reinen Konzeption und Kon­struktion von Anlagen kamen sukzessive integrierte Visua­li­sierungs-, Berechnungs-, Simulations- und Analysefunktio­nen sowie Werkzeuge für die technische, energetische und wirt­schaft­liche Anlagenoptimierung hinzu. Deshalb verfügen die Pro­gramme bei­spiels­weise nicht nur über eine automatische Be­rech­nung der Heiz- und Kühl­last unter Berücksichtigung der Raum-/Gebäu­de­geometrie, indivi­dueller Wandaufbauten und Bau­elemente. Integrierte TGA-Lösungen können darüber hinaus teilweise auch Gebäude thermisch simulieren. Dabei werden neben dem Standort und der Gebäudeausrichtung auch die jeweiligen Jahres-Klimadaten, individuelle Nutzungsprofile, interne Lasten und zahlreiche weitere Parameter berücksichtigt. In Zeitschritten mit hoher zeitlicher Auflösung können anschließend Kühl- und Heiz­lasten, Raum- oder Zonentemperaturen für beliebige Tage im Jahr berechnet werden. So lassen sich insbesondere bei Gebäu­den besonderer Art oder Nutzung Schwachstellen aufdecken oder Entwurfsalternativen per Variantenvergleich optimieren. Mit einigen Programmen lassen sich zusätzlich Energieausweise nach DIN/EnEV ausstellen oder bauphysikalische Nachweise führen. Gegenüber alphanumerischen Energieausweis-Programmen bieten CAD-basierende Lösungen Vorteile, wie etwa die automatische Geo­metrie-/Bauteilübernahme, eine komfortable Zonierung komplexer Gebäudegeometrien, Verschattung etc.

Welche TGA-CAD-Lösungen gibt es?

Je nach Einsatzbereich, unterscheidet sich TGA-CAD teilweise erheblich: Von den etwa 30 deutschsprachigen CAD-Lösungen sind einige für alle haustechnischen Gewerke geeignet, andere auf die Bereiche Heizung, Klima/Lüftung, Sanitär oder Elektro spezialisiert. Ein Teil konzentriert sich auf die Kon­zeption und Berechnung, andere haben ihre Stärken in der Ausführungsplanung. Das hat u.a. historische Gründe: Während CAD-Anbieter in ihre Produkte nach und nach Berechnungsmodule integriert oder entsprechende Schnittstel­len zu externen Kalkulationsprogram­men geschaffen haben, wurden ursprünglich nur für die Be­rechnung ausgelegte Lösun­gen zunehmend um grafische Funk­tionen erweitert. Diese CAE-Lösungen (Computer Aided Engineering) bieten in der Kon­zeptionsphase Geschwindigkeitsvorteile gegenüber klassischem CAD: Leitungssträn­ge müssen nicht manuell dreidimensional konstruiert werden. Stattdessen generiert sie die Software auf Grundlage eines vom Anwender definierten Linien-Schemaplans automatisch als 3D-Volumenmodell, so dass CAD-Kenntnisse nicht (unbedingt) erforderlich sind. Für die Definition der Gebäudestruktur, die Erstellung von Fertigungs- und Montageplänen oder die Änderung des Leitungsnetzes erforderliche CAD-Funktionen sind allerdings begrenzt, so dass die weitere Planung meist mit einem „echten“ CAD-Programm fortgesetzt werden muss. Zu den Trends im TGA-CAD gehört die objektorientierte 3D-Pla­nung aller Gewerke, was unter anderem die Möglichkeit von Visualisierungen und Kollisionsprüfungen bietet. Da zunehmend die Elektroinstallation in das Auf­ga­bengebiet von Sanitär-, Hei­zungs-, Klima- und Lüftungsplanern einfließt, haben Kom­plett­lösungen Vorteile.

Worauf sollte man achten?

Für Planungsbüros, die alle haustechnischen Bereiche abdecken, sind diese Komplettlösungen ideal, weil damit Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Gewerken berücksichtigt und Eingabedaten mehrfach und damit effizienter genutzt werden können. Auf bestimmte Bereiche (z. B. Trinkwasser- oder Sprinkleranlagen) spezialisierte CAD-Programme können umgekehrt aber auch Vorteile, wie etwa spezielle, in die Tiefe gehende Funktionen bieten, über die andere Lösungen nicht verfügen. Unterschiede weisen die Programme beim Eingeben und Ändern auf.

Zwar sind reine 2D-Lösungen in der Minderheit, aber keineswegs zum Standard gehören beispielsweise parametrisierbare Bauteile oder das beliebige Ändern von HLSE-Objekten. Auch das in der Praxis so wichtige mehrstufige Undo/Redo zuletzt ausgeführter Aktionen ist nicht bei allen Programmen selbstverständlich, erst recht nicht das komfortablere Undo/Redo aus einer Auswahlliste.

Ein zentrales Auswahlkriterium sind die Bereiche Berechnung und Ausgabe, die man sich pro Gewerk im Detail anschauen sollte. Ist die Berechnung wichtiger Kenngrößen, etwa des U-Werts, des Wärmebedarfs, der Heizlast, der Heizkörper, des Rohrnetzes, der Verteiler etc. integriert oder laufen diese extern ab? Werden dabei alle relevanten Normen erfüllt? Kollisionsprüfungen innerhalb eines oder mehrere Gewerke bietet nur ein Teil der Programme, dagegen beherrschen alle Lösungen grundlegende Plandarstellungen, wie Grundriss, Ansicht oder Schemaplan.

Unterschiede gibt es auch bei den 3D-Präsentationstechniken, die vom einfachen Einfärben von Objektflächen (Shading), über eine nahezu fotorealistische Objektdarstellung (Rendering), bis zur virtuellen, interaktiven „Begehung“ haustechnischer Anlagen reichen können (Walkthrough). Erhebliche Unterschiede weisen die Programme auch bei der Auswertung und Übergabe von Objekt- und Berechnungsdaten auf. Während insbesondere einfache 2D-Lösungen teilweise keine alphanumerische Datenübergabe bieten, verfügen andere über die volle Bandbreite. Diese reicht von der einfachen ASCII-, über die Tabellenkalkulations- und Datenbankausgabe, die Übergabe von Ausschreibungsdaten per GAEB-Standard an AVA-Programme oder die Anbindung an kaufmännische Software – bis hin zum Abgleich und zur Verknüpfung von Daten mit Facility-Management-Programmen (z. B. C.A.T.S. Software oder liNear-Desktop). Für den Austausch von Vektorgrafik-Daten verfügen nahezu alle Programme über eine DXF-Import- und Exportschnittstelle. Weitere wichtige Exportformate sind DWG, DWF sowie das PDF-Format. Eine IFC-Schnittstelle zum Austausch von BIM-Daten (siehe unten) kann lediglich etwa ein Drittel aller Programme vorweisen. Unterschiede gibt es auch in der Programmkonzeption: Etwa die Hälfte aller Lösungen verfügt über einen eigenen CAD-Kern, der Rest ein so genannter „Aufsatz“ auf einem branchenunabhängigen CAD-Programm („AutoCAD“, „Bricscad“, „Microstation“ etc.). Beides hat Vor- und Nachteile: Bei der Weiterentwicklung kann sich ein Applikationshersteller voll auf Haustechnik-spezifische Funktionen konzentrieren und muss seine Kapazitäten nicht parallel auch noch in die CAD-Basis stecken. Andererseits ist man vom Applikationsentwickler und vom Basis-CAD-Hersteller abhängig. Bei der Softwareinvestition muss man zudem zu den Kosten des TGA-Aufsatzes die Kosten des Basis-CAD-Programms hinzuzählen und wird auch bei den jährlichen Software-Wartungskosten doppelt zur Kasse gebeten.

Neue Impulse durch BIM

Neue Impulse erhält TGA-CAD durch Building Information Modeling (BIM). Das ist eine am Gebäudelebenszyklus orientierte, rechnergestützte Pla­nungs­methode, die zum Ziel hat, die Planung und Ausführung sowie spätere Bewirtschaftung von Gebäuden zu optimieren. Im Zentrum von BIM steht ein digitales Gebäudedatenmodell, das sowohl Geometriedaten als auch Objekteigenschaften wie Materialien, Mengen, Kosten, Termine etc. (so genannte Attribute) enthält und im Projektverlauf von allen Projektbeteiligten immer weiter verfeinert wird. So entsteht eine umfassende Informationsgrundlage für die Planung, Realisierung und vor allem für die zeitlich längste Phase – die Gebäu­de­nutzung. Im Zusammenhang mit der Auslegung, Berechnung und Planung haustechnischer Anlagen bietet BIM u.a. den Vorteil, dass viele der für die Berechnung relevanten Bauteilinformationen im digitalen Raum- bzw. Gebäudemodell bereits enthalten sind. Dadurch reduziert sich der Aufwand für Heiz- und Kühllastberechnungen, Luftkanal- oder Rohrnetzberechnungen, bauphysikalische oder thermische Simulationen etc.

Zu den weiteren Vorteilen zählen eine bessere Verständigung mit Planungsbeteiligten durch die Visualisierung technikintensiver Bereiche wie Haustechnikzentralen oder Ins­tallationsschächten. Die Visualisierung beliebiger Details aus beliebiger Perspektive ermöglicht darüber hinaus eine wirksame Kollisionskontrolle: Rohrleitungen oder RLT-Kanäle können per Sichtkontrolle auf mögliche Kollisionen mit der Archi­tektur-, Tragwerks- oder Elek­troplanung überprüft werden. Zusätzlich ist auch eine Optimierung der Leitungsführung möglich. Das setzt jedoch eine konsequente Koordination und einen kontinuierlichen Abgleich der Fachmodelle voraus. Schließlich lassen sich haustechnische Anlagen einfacher dokumentieren und per IFC-Schnittstelle an Gebäudebewirtschaftungs-Systeme (CAFM) für die Wartungs- und Serviceplanung übergeben. Allerdings bieten die strikte Trennung von Gewerken und Verantwortlichkeiten, die Ar­beits­teilung und die damit zusammenhängende Schnittstel­len­problematik sowie die kon­ven­tionellen Arbeits- und Pro­jekt­ab­läufe keine idealen Vor­aus­setzungen für den BIM-Einsatz. Deshalb stehen hierzulande viele Anwender und Soft­ware-Hersteller der neuen Pla­nungs­methode noch skeptisch gegenüber. Mittel- und lang­fristig wird BIM dennoch ein Stan­dard und sowohl die Bau­pla­nung als auch alle daran angegliederten Prozesse nachhaltig verändern, darin sind sich die Experten einig – so wie es in vielen Ländern Europas, in Asien oder in den USA bereits der Fall ist.

Info

Produkte/Anbieter*

AutoCAD MEP (HLSE) www.autodesk.de

AX3000 (HLSE) www.ax3000-group.de

C.A.T.S. (HLS, Sprinkler) www.cats-software.com

DDS-CAD (HLSE) www.dds-cad.de

Dendrit Studio (HS) www.dendrit.de

Elrond (HS, Gas) www.consoft.de

HT 2000 (HLS) www.ht2000.com

Linear Desktop (HLSE) www.linear.de

MagiCAD (HLSE) www.magicad.com/de

mh-software (HLS) www.mh-software.de

Nova (HLSE) www.plancal.de

pit-cup CAD (HLSE) www.pit.de

RauCAD (HS) www.rehau.de

Revit MEP (HLSE) www.autodesk.de

Rukon-TGA (HLSE) www.tacos-gmbh.de

TriCAD MS (HLSE, Sprinkler) www.venturisit.de

Vitodesk (HS) www.viessmann.de

Viptool Engineering (HS) www.viega.de

*Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit!
(Gewerke: H = Heizung, L = Lüftung/Klima, S = Sanitär,
E = Elektro)

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