Wege zur Effizienz

„Smart Meter“ – das „E 10 der Energiepolitik“?

Die Energiewende kommt – und mit ihr eine Fülle an Änderungen für Verbraucher und Energieversorger. Der Weg ist indes noch unklar. Deswegen entstehen zahlreiche neue Konzepte teils mit, teils ohne politische Unterstützung. „Intelligente“ Stromzähler – „Smart Meter“ – sind eines davon. Von ihrem Einsatz verspricht man sich neben flexibel einsetzbaren digitalen Messdaten einen Rückgang des Stromverbrauchs im Haushalt. Laut einer Analyse im Auftrag der Yello Strom GmbH sind bis zu 3 % Verringerung möglich. Nun widerspricht dieser Studie ausgerechnet ein Schwergewicht der Branche – RWE. Der Energieversorger hält die „intelligente“ Zählung zwar für einen wichtigen Schritt in Richtung Energieeffizienz, aber nur in Kombination mit geändertem Verbraucherverhalten, wie Ingo Alphéus, Vorsitzender der Geschäftsführung RWE Effizienz im Interview erklärt.

 

tab: Herr Alphéus, was ist Ihr wesentlicher Kritikpunkt an der Studie zum ökonomischen Potential „intelligenter“ Stromzähler in Deutschland?

 

Ingo Alphéus: Die Kernaussage der Studie ist: „Intelligente“ Stromzähler haben das größte Einsparpotenzial, wenn die Kunden selber entscheiden können, ob sie einen entsprechenden Zähler installieren wollen. Das ist grundsätzlich richtig. Natürlich wird eine neue Technik eher akzeptiert, wenn man sich aus eigenem Antrieb dafür entscheidet. Auch für den Anbieter ist es dann reizvoller, innovative Geräte zu entwickeln und zu vermarkten. Wir glauben aber nicht, dass sich alleine durch den Einbau eines „intelligenten“ Stromzählers automatisch Energie einsparen lässt – die Rede ist allgemein von 3 %. Erforderlich ist auch eine kontinuierliche Beschäftigung der Verbraucher mit dem Thema Energie bzw. Energiesparen.

 

tab: Auf welcher Grundlage basiert Ihre Meinung?

 

Ingo Alphéus: Ganz einfach: Wir haben Kunden befragt und mehrjährige Feldversuche in Essen und in Wesel durchgeführt. Die Ergebnisse gehen in die gleiche Richtung: Wenn ein Haushalt einen „intelligenten“ Stromzähler zuhause installiert bekommt, ist das eine wichtige Voraussetzung, die Thematik Energiesparen ernsthaft anzugehen. Das heißt aber nicht, dass er damit automatisch auch Energie spart. Er lässt schlicht und ergreifend nur digital zählen. Im Gegenteil: Unsere Studien zeigen, dass in manchen Fällen sogar mehr Strom verbraucht wird, weil die Kunden annehmen, dass sie ja jetzt eine automatisch sparsamere Technik haben. Das nennen die Wissenschaftler den „Rebound-Effekt“, den sie interessanterweise auch in Haushalten nachweisen können, die ganz bewusst effiziente Haushaltsgeräte kaufen.

 

tab: Warum sollten wir eher den RWE-Studien Glauben schenken? Was unterscheidet sie von der Untersuchung von Yello Strom?

Ingo Alphéus: Ich kann nicht im Detail beurteilen, was ande­re untersucht haben. Aber ich kann beurteilen, was wir gemacht haben. Beim „ECOdrei Projekt“ in Essen haben wir mit 42 Test-Haushalten gearbeitet mit einer Gesamtwohnfläche von 5000 m². Die Gebäude entsprechen KfW 60-Standard, haben also eine anerkannt hohe Energieeffizienz. Wir haben sie zum Erstbezugstag mit „Smart Metern“ ausgerüstet. Außerdem haben wir in den Woh­nungen ein „intelligentes“ Moni­toring eingebaut, also Bildschir­me, auf denen man den Verbrauch von Strom, Wärme und Wasser anschaulich dargestellt bekommt. Im Rahmen unserer Forschungsreihe „Energiehaus der Zukunft“ haben wir damit eine reale Testumgebung geschaffen, um die Praxistauglichkeit von „intelligenten“ Produkten zu überprüfen. Ganz nach dem Motto: Schön, dass wir eine funktionierende neue Technik haben – aber nimmt der Kunde sie auch an? Das ist ein Punkt, der bei vielen der „Smart“-Themen unserer Meinung nach zu kurz kommt. Auch auf Seiten der politischen Wegbereiter.

In Wesel lief das ähnlich. Wir haben 2008 50 technikinteressierte Haushalte mit „intelligen­ten“ Zählern ausgerüstet inklusive der Visualisierung, so dass der aktuelle Stromverbrauch quasi vom Wohnzimmertisch aus mitverfolgt werden kann. Das Ergebnis aus beiden Tests war ernüchternd: Die Testhaushalte haben es begrüßt, dass sie die neue Technik haben und sie auch genutzt, zumindest in den ersten Monaten. Echte Einspareffekte kamen aber kaum heraus.

 

tab: Streiten Sie denn ab, dass „intelligente“ Zähler eine Verhaltensänderung beim Gebrauch elektrischer Geräte in Gang setzen?

 

Ingo Alphéus: Nein. In unseren Praxistests konnte klar nachgewiesen werden, dass 60 % der Teilnehmer sich bewusster mit dem Thema Energieverbrauch befasst und zum Teil auch ihr Verhalten verändert haben. Die Hälfte hat sich sogar neue, energiesparende Elektrogeräte angeschafft oder sich den Kauf vorgenommen. 80 % aller Teil­neh­mer würden „intelligente“ Stromzähler in Verbindung mit einer Visualisierung des jeweils aktuellen Stromverbrauchs sogar weiter empfehlen. Problem war aber, dass die Anzeigegeräte nach einer Weile schlicht links liegen gelassen wurden. Wie ein neues Spielzeug, das im Kin­der­zimmer in der Ecke liegt, wenn die Neugier befriedigt ist. In weiteren Studien haben wir festgestellt, dass Kunden „intelligente“ Zähler schätzen, wenn sie mit ihnen unbekannte „Ener­gie­fresser“ im Haus aufspü­ren können. Alte Kühlschränke, die kaum ge­nutzt werden, aber durchlaufen; oder auch Wasserlecka­gen. Aber auch dieser Effekt erschöpft sich nach einiger Zeit, wenn die Schwachstellen gefunden sind.

 

tab: Wenn die Einsparung elektrischer Energie nicht durch „Smart Metering“ erfüllt werden kann – hätte aus RWE-Sicht dann der flächendeckende Einsatz „intelligenter“ Zähler überhaupt einen Sinn?

 

Ingo Alphéus: Ja, aber eher auf freiwilliger Basis. Wenn Sie heute am Hauptbahnhof einer Großstadt eine Umfrage zur Akzeptanz von „intelligenten“ Zählern durchführen, werden die meisten sagen, dass sie nicht bereit sind, dafür mehr zu zahlen. Erst, wenn sie davon etwas haben, wie spürbar niedrigere Energiekosten. Auch die 3 % würden bei den heuti­gen Energiekosten aber kaum ins Gewicht fallen, wenn man das mit den Kosten der „Smart Meter“ und der Visualisierung vergleicht. Also fällt dieses Argu­ment aus.

Laut einer forsa-Studie von 2010 gibt es beim Verbraucher weitere Vorbehalte zum Einsatz „intelligenter“ Stromzähler. 71 % aller Befragten erwarten, dass die Stromtarife gezielt gesteigert werden. 59 % befürchten, dass Verbrauchsdaten missbräuchlich weitergegeben werden. 47 % gehen davon aus, dass erhebliche Zusatzkosten entstehen und 33 % meinen, dass nur die Stromanbieter von der neuen Technologie profitieren würden.

Der Entwurf des EnWg sieht einen verpflichtenden Einsatz von „Smart Metern“ ab einem Jahresverbrauch von 6000 kWh vor. In welcher Form die damit verbundenen Mehrkosten vom Kunden getragen werden, lässt das Gesetz offen.

Dies soll in einer nachfolgenden Verordnung geregelt werden. Ich bin skeptisch, ob sich der Zwangseinbau durchsetzen lässt.

tab: Welche Argumente könnten ziehen, um die erwünschte Akzeptanz von„Smart Metering“ zu erreichen?

Ingo Alphéus: „Smart Meter“ können eine Basis dafür schaffen, das zunehmend volatilere und dezentral erzeugte Energieangebot erfolgreich zu managen und den Bedarf besser an das Angebot anzupassen. Hierzu benötigt man genau die Messwerte, die „Smart Meter“ liefern. An dieser Stelle müsste dann aber auch das SLP-Beschaffungs-/Vermarktungsmodell überdacht und angepasst werden. Der Kunde wird solche Modelle nur akzeptieren, wenn sie für ihn weitestgehend unbemerkt und ohne Einschränkungen im Alltag umgesetzt werden können. Hierfür wird aber auch wieder deutlich mehr Infrastruktur als nur ein „Smart Meter“ benötigt.

Viel gewonnen ist schon, wenn man dazu anreizt, sich mit dem Thema Energie zu beschäftigen. Ein „intelligenter“ Zähler kann dabei helfen, wenn seine „Botschaft“ in einfachen Bildern in den Haushalt transportiert wird. Energiesparen muss Spaß machen, muss einfach sein.

Wichtig ist auch, dass der „intelligente“ Zähler die Eintrittskarte in die Energiewelt von morgen ist; z. B. in der Verbindung mit zeit- und lastvariablen Tarifen. Seine digitalen Zählwerte werden dann in Verbindung mit neuen Tarifmodellen gebracht, die wiederum auf Impulse aus dem Stromnetz reagieren. Im Zeitalter von immer mehr erneuerbaren Energien wird es immer mehr Schwankungen im Netz geben. Hier ist die neue Zähltechnik mit ihrer Kommunikationsfunktion die Schnittstelle zum Stromnetz.

 

tab: Herr Alphéus, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview für die tab führte Martin Schellhorn,

45721 Haltern am See

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