Transformation der Objektstruktur

Phasenübergang des Bauens in den Betrieb

Nach Fertigstellung eines Bauprojektes wird die Objektstruktur der Planung und Ausführung für das Betreiben und Bewirtschaften neu definiert – verbunden mit einem Transfer von Ausführungsdaten in Betriebsdaten – von Konstruktionen, Anlagen, Bauteilen. Mit dem Wechsel der Objektdefinitionen wechseln zugleich prozessorientierte Verantwortungen – für nachhaltige Herstellung, Beschaffung, Errichtung im Projekt und danach für nützlichen, sicheren Betrieb.

Der Autor hat in der Fachzeitschrift „FACILITY MANAGEMENT“ [1, 2, 3] berichtet, wie im Rahmen einer Organisationsentwicklung des Landratsamtes Miltenberg (LRM) die Neuausrichtung der Projektdokumentation in laufenden Schulsanierungen methodisch untersucht und umgesetzt wird. Die folgenden Ausführungen knüpfen an diese Beiträge an. Aus dem breiten Feld der Objektbereiche wird im Beitrag der Ausschnitt „Betriebsgerechte Dokumentation für Anlagen der Technischen Ausrüstung“ vertieft und ist daher auch für TGA-Fachingenieure von besonderem Interesse:

Transfermodalitäten im Brennpunkt der Digitalisierung

Das methodische Verständnis über den Wechsel von Objektbestimmungen und Objektdaten ist wenig erforscht, gleichwohl eine Voraussetzung digitaler Prozessgestaltung. Dabei geht es um nicht weniger als durchgängige Wertschöpfungsketten, die seit langem durchzogen sind von Medienbrüchen und zerrissenen Datenketten. Am gravierendsten ist der strukturelle Bruch nach Fertigstellung der Bauwerke. Dann verlassen Projektbeteiligte die Baustelle, Bauherrn bleiben zurück, Nutzer und Betreiber werden unzureichend eingeführt. Das sollte sich seit den 1980er Jahren mit der Einführung von Facility Management und modernisierten Dienstleistungen rund um bestehende wie entstehende Bauwerke und Ausrüstungen ändern, vor allem durch die Integration IT-gestützter Prozesse.

Tatsächlich ist das bis heute kein etablierter Standard – eher ein gescheitertes historisches Projekt. Auch nach vier Jahrzenten FM-Entwicklung kommen Serviceanbieter nicht umhin, weiterhin Bestandsdaten vor Ort – mühsam und ungenau – zu erfassen. Schlimmer noch, Datenerfassung im Bestand gehört inzwischen zum regulären Geschäftsmodell – sogar dann, wenn man diese Daten eigentlich von Planern, Errichtern und Herstellern übernehmen könnte – dazu aber nicht bereit sind. Die einzige Entschuldigung für beide Seiten ist die immer schon für das Baugeschehen eigentümliche technologische Rückständigkeit. Das könnte sich nun ändern – besonders durch BIM. Aber nur, wenn IT-Kompetenz nicht zu kurz greift, wenn Architekten und Ingenieure zusammen mit den Verantwortlichen der Betriebsphase anfangen, die Transfermodi ihrer Prozesse als Entwicklung von „Wissen“ zu verstehen – nicht nur von Daten und Software. Wenn es also gelingt, Informationsmanagement (Hardware + Software) mit Wissensmanagement (Verstehen + Gestalten) zu verbinden. Dieses Wunschbild ist leider ebenso alt und unerfüllt wie die bisher weithin vergeblichen Nachhaltigkeitsforderungen seit den 1970er Jahren – und zunehmend zeitkritisch.

Was muss sich ändern? Tatsächlich sehr viel – und tiefgreifend:

Methodisch gesehen haben alle Facility Services eine unverzichtbare Datengrundlage: Bestandsdaten der Objekte, an denen das Betreiben und Bewirtschaften durchgeführt wird. Besonders für das Technische FM bedingt das eine durchgängige Objektorientierung, die ihren Ursprung in der Planung und Ausführung Technischer Anlagen hat. Folglich wäre es eine selbstverständliche Forderung, dass Akteure dieser Projektphasen benötigte Objektdaten an Nutzer und Betreiber weitergeben. Das ist auch machbar – allerdings nur, wenn zuvor Bauherren und Betreiber zusammen mit diesen Projektbeteiligten bereit sind, bestehende Bauparadigmen grundlegend anpassen. Betrachten wir dazu in einer Zusammenschau Kernprobleme im herkömmlichen Projektgeschehen, um dafür Lösungsansätze pragmatisch in die Auftragsgestaltung einzubeziehen.

Betriebsgerechte Anlagenlisten und Bauteillisten –
Fehlanzeige in der HOAI

Eine Schlüsselforderung zur Strukturierung von Betreiberleistungen gemäß AMEV- bzw. VDMA-Leistungsprogramm sind Anlagenlisten und zugehörige Bauteillisten. Tatsächlich werden sie im TGA-Leistungsbild der HOAI 2021 bis zur Entwurfsphase als Grundleistungen verlangt: „Auflisten aller Anlagen mit technischen Daten und Angaben“. Erstaunlich ist aber, dass dazu auch diese neueste HOAI in den Phasen 4 – 9 keine Aussagen macht – nicht einmal in Form besonderer Leistungen. HOAI-gemäß haben TGA-Planer demnach strenggenommen gar keinen Anlass betriebsbezogene Dokumente zu liefern.

Dieser Orientierungsmangel verstellt ein wichtiges Planungspotential der Nachhaltigkeit. Denn erst, wenn durch „Planungsfortschreibung der Ausführungsplanung“ As-built-Details und reale Eigenschaften tatsächlich verbauter Produkte nachgewiesen wurden, können Anlagen- und Bauteillisten mit einem Genauigkeitsgrad aufgestellt werden, der den Erfordernissen des Betreibens und Instandhaltens gerecht wird. Das aber geschieht nicht, wenn es nicht ausdrücklich gefordert wird. Mit gravierenden Folgen: in Organisationsmängeln der Betreiberverantwortung und im Nichterreichen von Nachhaltigkeitszielen.

In den Prozessen der Ausschreibung und Vergabe, bis hin zur Bauleitung, ist ein weiterer Informationsverlust hinsichtlich der TGA-Struktur sogar zum Standard der Baubranche geworden, ebenfalls mit folgenreichen Nachteilen für die Prozesse im technischen Betrieb. Durch die Neuausrichtung der Objektgliederung im Übergang von den Entwurfsstrukturen (z. B. umgesetzt nach DIN 276) in die Gewerkegliederung (z. B. STLB / GAEB) werden anstelle von funktionalen bzw. räumlichen Ganzheiten – wie Konstruktionen / Anlagen / Bauteile / Komponenten – nur noch die zugehörigen zu liefernden und zu verbauenden Produkte in Positionsform aufgeführt. Benannt werden unverbindlich empfohlene Leitprodukte oder gemäß vergaberechtlichem Standard lediglich produktoffene Anforderungen. Ausschließlich nach Erfordernissen der Herstellungsprozesse wird damit auf der Datenebene „Bauteilwissen“ reduziert. Funktionale Eigenschaften im Anlagenzusammenhang, ursprünglich ein Ergebnis der Ausführungsplanung, sind in AVA-Daten nur noch verschlüsselt oder nicht mehr enthalten. Das wird aber im Projektgeschehen nicht als Mangel wahrgenommen. Der wird jedoch dann zum Problem, wenn sachverständige Akteure in Prüfungs- und Wartungsleistungen wissen müssen, welche identifizierbaren Anlagen – mit welchen darin verbauten Teilen – zu Objekten der Betreiberverantwortung werden sollen. Dieser Informationsverlust hat aber noch eine weitere Tücke.

Informationsverluste in der Bestandsdokumentation – unvollständige, teilweise falsche Objektdaten

Anders als in der nur verfahrensabhängig FM-fremden AVA-Welt, betraten wir beim Thema Bestandsdokumentation ein Terrain, in dem die erwartbaren Realdaten eigentlich alle Erfordernisse der FM-Prozesse abdecken sollten. Alles ist gebaut – alles ist zu dokumentieren. Die Wirklichkeit ist meistens ganz anders. Das beginnt damit, dass vorhandene Regelwerke zu Dokumentationen keine klaren Leistungsbilder abbilden und nicht eindeutig sind. Daher raten Juristen dringend zu detaillierten Anforderungen durch die Auftraggeber. Die sind allerdings selten dazu in der Lage – auch deswegen, weil dafür, wie zuvor dargelegt, anerkannte Standards fehlen.

Verbunden mit dieser Unsicherheit in den Voraussetzungen der Fertigstellung von Bauwerken ist ein weiterer Informationsverlust, der mit technologisch-organisatorischen Schnittstellen zwischen Planerwelt und Bauwirtschaft zu tun hat: Zur HOAI-Phase 8 Objektüberwachung und Dokumentation gehören die Prüfung auf „Vollzähligkeit und Vollständigkeit der Dokumentation“ als Bedingung der Abnahme. Praktiker wissen aber, dass die Realitäten am Bau das kaum zulassen. Zudem erlaubt die HOAI die „stichprobenartige Prüfung auf Übereinstimmung mit dem Stand der Ausführung“. Das ist verständlich – aber eigentlich eine Bankrotterklärung gegenüber dem As-built-Anspruch. Das Erstaunliche ist die damit einhergehende juristisch anfechtbare Duldung dieser Praxis bei allen Projektbeteiligten. Im öffentlichen Bereich verschärft sich dieses Abnahmeproblem sogar durch häufig unvermeidbare „Abnahmen durch Ingebrauchnahme“ – i.d.R. ohne juristische Folgen.

Schwachstelle Planung + Dokumentation in ausführenden Firmen

Für den Anlagenbetrieb unverzichtbaren Revisionsunterlagen werden daher eher selten gemäß den beauftragten AVA-Positionen geliefert – nicht zeitgerecht, nicht vollständig und teilweise fehlerhaft – ggf. mit Einbußen in der Qualität von Raumkonditionen (z. B. Hygiene bei Lüftung und Trinkwasser) und nahezu unvermeidbaren Mängeln in der Betriebssicherheit. Tatsächlich sind viele ausführende Firmen in dem Dilemma, dass sie immer seltener geeignetes Personal für technische Werkplanung und aufwendige Dokumentationen haben. Hinzu kommt, dass sie unter Kosten- und Zeitdruck weder über die erforderliche Bearbeitungszeit verfügen noch auskömmliche Preise anbieten können.

Die beschriebenen Datenmängel haben gravierende Folgen, denn Datenmangel bedeutet Unkenntnis. Darüber, ob verbaute Produkte energetisch, ökologisch und ökonomisch richtig ausgewählt wurden – darüber, welche Betreiberplichten „anlagen- und bauteilscharf“ auch rechtlich unbeachtet bleiben und folglich nicht in betriebsgerechte Serviceleistungen umgesetzt werden können.

Was lässt sich ändern?

Vieles, wenn Bauherrn und Betreiber eigene Regularien entwickeln und mit engagierten Projektpartnern umsetzen.

Ausgangspunkt in unseren Pilotprojekten waren Verzeichnisse verbauter Produkte in Schlussrechnungen. Durch deren As-built-Status sind sie eine erstrangige projektinterne Datenquelle – aber leider schwer zugänglich. Daher  haben wir schrittweise Auswertungen vorgenommen. Zunächst wurden nur die produktbezogenen AVA-Daten in den „Produktzeilen“ erfasst, denn sie enthalten alle Daten der „verbauten“ Substanz – allerdings mit dem Makel der oben beschriebenen Informationsverluste. In weiteren Schritten mussten die fehlenden Anlagen- und Bauteilzuordnungen identifiziert werden. Es folgte die Übertragung in erweiterte DIN 276-Kostengruppen gemäß der Standardgliederung nach CAFM Connect (Ausführungen des Autors in [3]). Das war eine weitere Hürde, denn es mussten AVA-Daten rückübersetzt werden in Objekte der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Dazu war es hilfreich auf „Anlagenwissen“ der Bestandsdokumentation zuzugreifen. Das gelang aber nur teilweise, weil Bestandsdaten nicht immer ausreichend genau von den Errichtern übergeben wurden – wie beschrieben leider branchentypisch.

Grundlegend für die Neuausrichtung von Objektdokumentationen ist die vom Autor eingeführte Unterscheidung zwischen Primärbauteilen und Sekundärbauteilen. Sie ermöglicht die Festlegung von Servicestrategien für unterschiedliche Lebenszyklusphasen der Anlagen und Bauteile. Am Anfang stehen Aufstellungen von Anlagen- und Bauteillisten, die von Betreibern an Dienstleister zur Angebotskalkulation übergeben werden. Es folgen Umsetzungen in CAFM. Anschließend eine „objektscharfe“ Steuerung der Leistungserbringung, verbunden mit Nachweisen bis auf die Bauteilebene. Am Ende steht ein neues Benchmarking mit Auswertungen zu objektorientierter Nutzungsperformance / ökologischer Verträglichkeit / energetischer Betriebskosten / Benchmarks für Instandhaltung und Erneuerung und schließlich resultierende Anlagen- und Bauteilhistorien.

Tabelle 1 zeigt das Mengengerüst der Bestandteile für in 2021 fertiggestellte Technische Anlagen am Beispiel einer der begleiteten Schulsanierungen. Basis der Auswertungen sind die zuvor beschriebenen As-Built-AVA-Dateien, die nun nach Primär- und Sekundärbauteilen sortiert wurden. Zusammen mit den Fachplanern wurden sie den planerisch unterschiedenen Einzelanlagen zugeordnet. Diese Übersicht verdeutlicht, dass Primärbauteile in der TGA nur einen geringen Anteil an den investiven Kosten haben. Umgekehrt sind sie aber die Hauptverursacher regulärer Betriebskosten. Der Autor hat dazu in Forschungsprojekten typische Größenordnungen ermittelt: AVA-Primärbauteile generieren ca. 20 % der gesamten Investitionskosten und ca. 80 % prognostizierbarer Folgekosten in den ersten 20 Jahren – und sie deswegen „Strategische Bauteile“ genannt (www.ips-institut.de/ Forschung ZukunftBAU).

FM-Anforderungen an BIM-Objektdaten –
Potentiale und Herausforderungen

Softwareanbieter werben beim Einstieg in BIM-gestützte Bauprojekte mit dem Versprechen, dass bei Projektabschluss komplette Daten über all das verfügbar sind, was gebaut wurde – in idealer Form als „digitale Zwillinge“. Was daran realistisch ist muss sich noch zeigen. Nach den Erfahrungen in unseren Projekten – derzeit in einer „Vor-BIM Stufe“ – sieht die Erwartung an eine derartige Zukunft (noch) etwas anders aus:

- Durch Konzentration auf Daten technischer Objekte mit Servicerelevanz ist ein „FM-Datenfilter“ zu beachten: Nur ein geringer Anteil der in Projekten generierten Bestandsdaten wird auch im Betrieb benötigt – folglich mit einem entsprechend reduzierten Pflegeaufwand (!).
- Es gibt Diskontinuitäten im Datentransfer aufgrund von Ordnungsgrenzen und Regularien. Als besonders schwierig zeigten sich strukturelle Brüche zwischen der AVA-Welt und Objektmodellen, die Bauteildaten „anlagenscharf“ im funktionalen Kontext abbilden. Wie das in BIM-Projekten umgesetzt werden kann, halten wir für eine Schlüsselfrage.
- Wünschenswert ist ein Standard der Objektgliederung, der auf der aktuellen DIN 276 basiert, die auf zwei bis drei Stellen erweiterbar ist. Eine Referenz dafür ist die angesprochene CAFM-Connect-Systematik.
- Wünschenswert sind Dokumentationsordnungen, die über CAFM-Anwendungen hinaus gehen und beliebige Dokumente (auch Scans) wie in einem Expertensystem erfassen und zugänglich machen.

Ausblick

Durch alle Projektabläufe hindurch, bis in die Betreiberprozesse müssen Objektdaten aktuell, richtig, und rechtlich belastbar sein! Wenn man bedenkt, dass die beschriebenen Strukturprobleme branchentypisch sind, wird klar, vor welchen Herausforderungen alle Projektbeteiligten stehen – wenn sie nicht nur eine erfolgreiche „Errichtung“, sondern auch den Erfolg im Betrieb anstreben. In den angesprochenen Sanierungsprojekten hat der Autor zusammen mit dem Architekten Andreas Wosnik (Leiter Immobilien, Gebäudewirtschaft, Landratsamt Miltenberg) und seinem Team diese Grundprobleme erkennbar gemacht. Die verfolgten Lösungsansätze sind derzeit in einem experimentellen Stadium. Sobald prüfbare Ergebnisse vorliegen,  werden sie zur Diskussion gestellt.

Quellen

[1] Digitalisierung in der Gebäudewirtschaft, FACILITY MANAGEMENT 3/2020, Bauverlag BV GmbH

[2] Rechtssicher und wirtschaftlich in vernetzten Prozessen, FACILITY MANAGEMENT 5/2020, Bauverlag BV GmbH

[3] As built Dokumentation, FACILITY MANAGEMENT 1/2021, Bauverlag BV GmbH

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