Lernen mit guter Aussicht und Luft
Neubau einer Grundschule mit nachhaltiger EnergieversorgungIn Sachseln in der Schweiz gehen die Schüler mit großer Begeisterung in die neue Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten. Rund 17,5 Millionen Franken investierte die Gemeinde in den Neubau des Schulhauses „Türli und Arni“ und setzte dabei auf ein nachhaltiges Lüftungssystem, das den größten Teil des Jahres freie Kühlung nutzt und die Bauteilaktivierung mit einer Lüftungsfunktion vereint.
Das 1958 erbaute alte Schulhaus Türli in Sachseln war sanierungsbedürftig und die Anpassung an heutige Anforderungen wäre mit großem Aufwand verbunden gewesen, zumal das Gebäude asbesthaltig war. Daher entschied sich die Gemeinde für einen Neubau. Den Architekturwettbewerb gewann der Entwurf „Türli und Arni“ von Durrer Architekten aus Luzern. Dieser sah zwei verschiedene Gebäude vor – ein Schul- und ein Kindergartenhaus, die in unterschiedlichen Etappen bei laufendem Schulbetrieb gebaut werden sollten, wodurch keine Provisorien benötigt wurden.
Das Türli-Gebäude ist vierstöckig mit einem niedrigen Walmdach. Außen wirkt es kompakt, innen sorgt ein großer Lichtschacht im Dach für natürliches Licht und die überwiegend in hellem Holz gehaltene Ausstattung für einen offenen, freundlichen Empfang. Zwölf Klassenräume, vier Gruppenräume, Musikzimmer und Singsaal, Lehrerzimmer, Logopädiezimmer und Räume für Werken und Basteln sowie Nebenräume für Lager oder Gebäudetechnik finden Platz im neuen Schulhaus. Vor allem die Klassenräume in den beiden oberen Stockwerken mit ihren großzügigen Panoramafenstern samt umlaufender Fensterbank sind ein echtes Highlight für die Schüler: Sie bieten eine grandiose Aussicht auf den Sarnersee oder die Kirche und den Dorfplatz und lassen die Klassenzimmer hell und freundlich wirken.
Das langgestreckte, zweigeschossige Arni-Gebäude beherbergt fünf Kindergartenräume sowie zwei Schulküchen und wurde in einer zweiten Etappe nach Fertigstellung des Türli gebaut. Auf den Firstdächern ist eine Photovoltaikanlage Richtung Süden platziert. Beide Gebäude wurden in einer Mischung aus Skelett- und Massivbauweise erstellt, was eine flexible Raumnutzung ermöglicht.
Innovative Bauteilaktivierung überzeugt die Architekten
Bei der Planung legten die Architekten großen Wert auf eine nachhaltige Energieversorgung in den beiden Gebäuden. Die neuesten gesetzlichen Energievorgaben wurden u.a. durch die kompakte Bauform und die Wärmedämmung erfüllt. Zusätzlich bieten eine Dreifachverglasung der Fenster und textile Markisen im Sommer Wärmeschutz. Der Solarstrom aus der PV-Anlage versorgt neben den Schulgebäuden die Turnhalle und das Gemeindehaus. Darüber hinaus entschied sich der Architekt Reto Durrer für ein Lüftungssystem auf Basis einer Betonkerntemperierung. Hierfür wurden während der Bauphase Kühlrohre aus wärmeleitendem Aluminium in die Betondecken auf jeder Ebene verlegt. Diese sind ähnlich einer Kühldecke, aber mit zusätzlichem großen Energiespeichervolumen. Dies ermöglicht, die gespeicherte Wärme zu einem späteren, energetisch sinnvolleren Zeitpunkt abzugeben, bspw. in der Nacht oder den frühen Morgenstunden. Über den Tag hinweg führt die Wärmekapazität des Bauteils nur zu einem geringen Anstieg der Raumtemperatur.
Beim Projekt kam das BTA-Lüftungssystem „Concretcool“ von Kiefer Klimatechnik zum Einsatz. Das TGA-Planungsbüro Berchtold aus Sarnen hatte bereits positive Erfahrungen mit diesem System und es daher speziell für dieses Objekt beim Stuttgarter Hersteller angefragt. Das Lüftungssystem nutzt die freie Kühlung und vereint die Bauteilaktivierung mit der Lüftungsfunktion. Die Bauteilaktivierung mit Luft statt Wasser verwendet frische Außenluft als Energieträger. Diese steht bis zu 70 % des Jahres, sprich im Frühjahr, Herbst und Winter, mit Temperaturen unterhalb von 12 °C kühl und kostenlos zur Verfügung.
Einfache Funktion – unauffälliges Design – hohe Energieeinsparungen
Die kühle Außenluft, mit einem optimalen Zuluftvolumenstrom von 6 bis 7,5 m3/ h2, wird nicht direkt den Räumen zugeführt, sondern durchströmt die Rohre innerhalb der Betondecke und erwärmt sich dabei auf annähernd Deckentemperatur. Rippen in den Aluminiumrohren vervierfachen die innere Oberfläche nahezu. Dadurch wird ein hoher Wärmeübertragungsgrad erreicht. Die notwendige Energie wird der Decke entzogen. Aufgrund der heute vorgeschriebenen sehr hohen Dichtheit und der sehr guten Wärmedämmung moderner Gebäude sind in einem Betrachtungszeitraum von 24 h die Wärmemengen durch innere und äußere Wärmegewinne in den allermeisten Fällen größer als die Wärmeverluste durch die Fassade. Deshalb erfolgt einerseits permanent ein Einspeichern von Wärmeenergie in die Decke, während dieser andererseits durch die durchströmende Luft Energie entzogen wird. Dabei müssen in einem 24 h–Zyklus eingespeicherte und abgeführte Energiemenge im Gleichgewicht stehen.
Dieser Wärmeentzug stellt gleichzeitig die Bauteilkühlung dar. Anschließend wird die erwärmte Zuluft über Deckendralldurchlässe des Herstellers vom Typ GLS 230 den Räumen zugeführt und deckt den hygienischen Frischluftbedarf. Es wird eine Austrittstemperatur der Zuluft von ca. 21 °C komplett ohne Nacherhitzer erreicht. Der Prozess erfolgt selbstregulierend und fast schwankungsfrei mit hoher Stabilität der Temperatur aufgrund der großen Speicherkapazität der Betondecken.
An warmen Sommertagen hingegen, speziell in Hitzeperioden, reicht die natürliche Auskühlung des Gebäudes in den Nachtstunden nicht aus, die Deckentemperatur, die durch innere und äußere Wärmegewinne überladen wurde, auf die Starttemperatur von 22 °C abzukühlen. Durch die hocheffektive Nachtauskühlung des Systems wird daher die Temperatur des Deckenkerns vorzugsweise in den Nachtstunden bis zum Startzeitpunkt des Unterrichts auf die Temperatur von 22 °C abgekühlt.
Zusätzliche Lüftungsrohre benötigt das System nicht: Die Luftleitungen sind im Raum nicht zu sehen, lediglich die Luftdurchlässe sind in den Betondecken unauffällig integriert. Dadurch können auch ästhetische Ansprüche der Architekten erfüllt werden: Da die Anschlusskästen auch in wasserdichter Ausführung in die Decke einbetoniert werden können, sind bspw. durchgehend glatte Betondecken möglich.
Im Sommer 2020 konnte das Schulhaus Türli und im Sommer 2021 auch das Arni feierlich eröffnet werden – ein Jahr früher als geplant und sogar mit etwas niedrigeren Gesamtkosten wie ursprünglich vorgesehen.
Bautafel
Objekt: Schulhaus Türli, Sachseln, Schweiz
Bauherr: Einwohnergemeinde Sachseln, Schweiz: www.sachseln.ch
Fachplaner TGA: Ingenieurbüro P. Berchtold, Sarnen, Schweiz: www.ing-berchtold.ch
Architekt: Durrer Architekten, Luzern, Schweiz:
www.durrerarchitekten.ch
Bauarbeiten: 2018 – 2021