WRG als Schlüsseltechnologie
Studie belegt hohe Effizienz der kontrollierten WohnungslüftungDie hohe Energieeffizienz von Wohnraumlüftungssystemen mit einer Wärmerückgewinnung von über 90 % ist hinlänglich bekannt. Aber wie schlägt sich diese moderne Haustechnologie im Vergleich zu oder in Kombination mit anderen energiesparenden Systemen, beispielsweise der zurzeit stark nachgefragten Wärmepumpe? Genau dieser Frage ist das ITG (Institut für Technische Gebäudeausrüstung) in Dresden in seiner Auftragsarbeit für den VfW (Bundesverband für Wohnungslüftung e.V.) nachgegangen. Dabei kam die Äquivalenzstudie zu erstaunlichen Leistungskennzahlen: So würde nach einer Berechnung des ITG bereits bei einer Ausstattung der Hälfte aller deutschen Wohngebäude mit Lüftungssystemen mit Wärmerückgewinnung (WRG) die Netzbelastung im Winter um bis zu 10 Gigawatt reduziert werden. Der Beitrag stellt Ergebnisse der Studie sowie Ziele und Aktivitäten des VfW dar.
„Wenn man bedenkt, dass zurzeit noch gut zwei Drittel aller Wohngebäude ohne Wohnraumlüftung mit WRG neu gebaut werden und vor allem bei der Sanierung leider noch oft auf diese Technologie verzichtet wird, zeigt sich das enorm hohe Potenzial dieser Technologie, ein entscheidender Einflussfaktor auf die Wärmewende in Deutschland zu werden“, erklärt Ralf Lottes, Geschäftsführer des VfW.
Um Vergleichbarkeit zu schaffen, greift das ITG in der Studie auf das elektrische Wirkverhältnis aus der Wärmeschutzverordnung 1995 zurück. Dabei handelt es sich um ein Verhältnis von Nutzen zu Aufwand und damit um eine äquivalente Leistungszahl (Coefficient of performance – COP bzw. COPäquivalent), die unmittelbar mit dem Kennwert von Wärmepumpen verglichen werden kann. Für typische Verhältnisse in der Heizperiode (Außentemperatur -10 °C bis +10 °C) und die heute marktübliche Anlagentechnik (WRG 85 % und elektrische Leistungsaufnahme der Ventilatoren 0,25 W/(m³/h)) ergeben sich äquivalente Leistungszahlen in einem Bereich von ca. 11 bis 25. Zum Vergleich: Leistungszahlen von Wärmepumpen liegen typischerweise in einem Bereich von ca. 3 bis 6, ein bereits sehr gutes Verhältnis von eingesetzter elektrischer Energie zu erlangter Heizenergie. Außerdem ist festzuhalten, dass die höchsten äquivalenten Leistungszahlen der Lüftung mit WRG bei niedrigen Außentemperaturen erreicht werden, was die WRG zu einem natürlichen Komplementärsystem von Wärmepumpen macht, die bei großer Kälte an Effizienz einbüßen.
Eine solche Kombination entlastet der Studie nach das Stromnetz vor allem bei niedrigen Außentemperaturen, insbesondere in der kalten Dunkelflaute (also in kalten, sonnen- und windarmen Winterzeiten), und zwar um 4 bis 9,8 GW unter der zuvor genannten Annahme.
Ferner ist die Wiedernutzung von Wärme, die sich bereits im Gebäude befindet, mit Effizienzvorteilen gegenüber der Nutzung von Erneuerbarer Energie aus der Umgebung verbunden; da diese erst ins Gebäude transportiert und unterwegs ggf. umgewandelt werden muss. Dabei entstehen jeweils Verluste.
Wie Bild 3 zeigt, liegt die Heizlast nach DIN EN 12831, insbesondere bei den hocheffizienten Gebäuden deutlich über den berechneten Werten nach der Passivhaus Projektierung (PHPP), mit der seit langem erfolgreich tausende von Projekten geplant wurden, inkl. des darauffolgenden Monitorings. Gründe dafür liegen einerseits in der nach PHPP detaillierten Betrachtung der Lüftungswärmeverluste, unter präziser Anrechnung des Wärmebereitstellungsgrades und der Infiltrationsverluste, sowie der Einbeziehung der solaren und internen Gewinne in die Berechnung. Dadurch ergibt sich insbesondere bei hoch effizienten Gebäuden wie dem Effizienzhaus 40 eine sehr hohe prozentuale Reduktion der Heizlast. Bei Einsatz von Lüftungssystemen mit Wärmerückgewinnung fällt die Einsparung besonders hoch aus.
Mit der Senkung der Heizlast durch die WRG kann den Ergebnissen nach auch der jeweilige Wärmeerzeuger im Gebäude kleiner dimensioniert werden. Beim Neu- und Ausbau von Strom- und Wärmenetzen kann der Heizlast-senkende Effekt der WRG mitbedacht und die Netze kleiner gebaut werden, je nachdem wie weit die Technologie Verbreitung findet. Die Studie legt also nah, dass Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung auf allen Ebenen Kosten und Aufwand spart – vom Gebäudenutzer bis zum Gesamtenergiesystem.
Nachgefragt beim VfW
In Bezug auf die Studie und die Arbeiten sowie das Be-
streben des Bundesverbands für Wohnungslüftung e.V. (VfW), sprach die tab-Redaktion mit dem Geschäftsführer des VfW, Ralf Lottes.
tab: Herr Lottes, man hat in den letzten Jahren wenig vom VfW gehört. Nun ist der Verband plötzlich wieder präsent in der TGA-Szene und gegenüber der Politik. Wie kommt das?
Ralf Lottes: Bei der letzten VfW-Mitgliederversammlung im März 2022 ist ein neuer Vorstand ins Amt gekommen. Dieser hat neben großem Elan und dem Willen wieder die politische Vertretung der Wohnungslüftungsbranche in Berlin zu sein auch Ressourcen mitgebracht. So wurde es möglich, einen Vollzeitgeschäftsführer einzustellen. Mein Vorgänger war nur ehrenamtlich für den VfW tätig. Im Vergleich dazu können wir nun ein ganz anderes Aktivitätsniveau erreichen, mit regelmäßigen Kontakten zu Bundesministerien und Bundestagsabgeordneten, aktiver Teilnahme an Konsultationen und Veranstaltungen. Und es freut mich, dass das wahrgenommen wird!
tab: Und wie sind Sie zum VfW gekommen? Was ist Ihr Background?
Ralf Lottes: Ich bin Volljurist, habe aber immer politiknah gearbeitet, jahrelang in Brüssel. Dort habe ich u.a. für über sieben Jahre ECOS1) geleitet, die europäische Vertretung der Umweltverbände in technischen Prozessen wie Normung und Umsetzung der Ecodesign-Richtlinie. In Berlin hatte ich ab 2014 u. a. für die Brüsseler Denkfabrik „BPIE“2) im Bereich Gebäudeenergieeffizienz ihr Berliner Netzwerk aufgebaut. Aus dieser Zeit stammt der größte Teil meiner Kontakte in diesem Politikfeld in Deutschland, inkl. derjenigen, die mich zum VfW gebracht haben.
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1) Environmental Coalition on Standards, https://ecostandard.org
2) Buildings Performance Institute Europe, https://www.bpie.eu
tab: Was sind die Ziele des VfW und der von Ihnen beauftragten Studie?
Ralf Lottes: Laut Satzung soll der VfW nicht nur Gesetzgebung und Verwaltung unterstützen, sondern auch Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Beratung leisten. Zunächst möchten wir der Wohnraumlüftung in Berlin wieder eine vernehmbare eigene Stimme geben, die von der Politik auch gehört und verstanden wird. Andere kümmern sich auch mit um das Thema, aber wir konzentrieren uns auf die Wohnraumlüftung. Mit der Studie wollten wir die ungeheure Effizienz der Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung aufzeigen und mit anderen Technologien vergleichbar machen. Gemessen am Echo in Politik, Wissenschaft und Presse scheint uns das gelungen zu sein. Die Effizienz der Wärmerückgewinnung liegt sogar noch wesentlich höher als diejenige der Wärmepumpe, die schon sehr gut Strom in Wärme umwandelt. Daher bilden beide ein gutes Paar, nicht zuletzt aufgrund der gegenläufigen Effizienzen im Verhältnis zur Außentemperatur. (Anmerkung der Redaktion: siehe Bild 1).
tab: Woran liegt es Ihres Erachtens, dass mechanische Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung noch nicht stärker verbreitet ist? Nicht einmal im Neubau wird annähernd die Hälfte der Wohnungen damit ausgestattet – trotz der immer größeren Luftdichtheit unserer Gebäude.
Ralf Lottes: Noch gibt es keine gesetzlich verankerte Verpflichtung zur entsprechenden Ausstattung von Wohnungen. Und die DIN 1946-6 allein reicht nicht. Wir setzen uns daher dafür ein, dass zukünftig in jedem Anlagenkonzept eines Wohnneubaus eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verpflichtend vorzusehen ist, damit endlich hygienisch und nutzerunabhängig be- und entlüftet wird. Mir sagen Architekten, die mit energieeffizientem Bauen Erfahrung haben, dass ein Effizienzhaus 40 in der Regel nicht mehr ohne eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung darstellbar ist, und ein Effizienzhaus 55 nur schwer. Der praktisch größere Schritt wäre also, die Komponente Wärmerückgewinnung verpflichtend zu machen.
tab: Und was sieht Ihr Vorhaben konkret für die Gebäudesanierungen vor?
Ralf Lottes: In der Sanierung spielt die Lüftung weiterhin oft nach Dämmung, Heizung und Fenstern nur die dritte oder vierte Geige. Die für das Gebäude sinnvollste Abfolge sollte über einen Sanierungsfahrplan erstellt werden. Heizung und Lüftung sollten immer zusammen gedacht werden, da die Heizlast und damit die notwendige Größe des Wärmeerzeugers durch die Wärmerückgewinnung gesenkt wird. Und wird die Luftdichtheit verbessert (etwa durch Dämmung, dichtere Fenster), darf die Lüftung nicht vergessen werden. Wir werben deshalb für einen Kombi-Bonus in der BEG. Das in einem Schritt umzusetzen ist letztendlich auch kosteneffizienter, da bestimmte Kosten, z. B. für das Gerüst an der Fassade, sowieso anfallen. Die dezentrale Lüftung hingegen ist noch nicht überall hinreichend bekannt. Gerade im Bestand kann eine Lüftungsanlage so minimalinvasiv eingebaut werden. Wir plädieren dafür, dass, sobald bei einer Sanierung ein Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 erstellt werden muss, auch hier eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verpflichtend vorzusehen ist.
Last but not least bestehen bei vielen Menschen falsche Vorstellungen von Einsparpotenzial, Energieverbrauch sowie der Notwendigkeit, Schwierigkeit und Häufigkeit von Filterwechsel bzw. Reinigung bei Lüftungsanlagen.
tab: Und was wollen Sie dafür tun, dass sich das ändert?
Ralf Lottes: Wir möchten weiter gegenüber der Politik und künftig auch gegenüber der Öffentlichkeit unsere Argumente für die mechanische Lüftung und die Wärmerückgewinnung deutlich machen. Bei der Politik sind wir erst am Anfang unserer Arbeit, aber spüren bereits eine wachsende Offenheit. Richtung Öffentlichkeit haben wir noch nicht wirklich begonnen, da wir uns zunächst auf die politische Arbeit konzentrieren. Darüber hinaus möchten wir unsere Website mittelfristig zu einem Ort machen, an dem die bereits existierenden Informationen zusammenlaufen und jede Person konkrete Antworten auf seine Fragen zur Wohnungslüftung findet.
Dazu gehört auch das Werben für sonstige wichtige Vorteile der Lüftung wie Innenraumluftqualität, Komfort und Gesundheit der Bewohner:innen sowie der Vermeidung von Feuchteschäden und damit dem Werterhalt der Gebäudesubstanz.
Studie Wohnungslüftung zum Download
Den Volltext sowie eine Zusammenfassung der Kurzstudie „Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimaziele“, steht zum Download unter: https://wohnungslueftung-ev.de zur Verfügung.
Der Bundesverband für Wohnungslüftung (VfW)
Der VfW ist das Sprachrohr der deutschen Wohnungslüftungs-Branche. Er repräsentiert Hersteller zentraler und dezentraler Wohnungslüftungsanlagen, aber auch wissenschaftliche Einrichtungen, Prüfinstitute sowie Handwerks-, Architektur- und Ingenieurbetriebe.
Gegründet 1996, war der VfW aufgrund fehlender Ressourcen in den letzten Jahren kaum aktiv und sichtbar. Seit einem Vorstandswechsel im März 2022 spielt der Verband wieder eine aktive Rolle gegenüber Politik und Verwaltung. Er artikuliert die Anliegen der Branche gegenüber der Politik in Bund und Ländern, sowie in der Normung und setzt sich für eine adäquate Be- und Entlüftung von Wohnräumen ein. Die Schaffung klarer gesetzliche Rahmenbedingungen zur Wohnungslüftung hat dabei Priorität. Ziel ist es, jedem Bewohnenden eines Wohngebäudes (ob Alt- oder Neubau) gesunde und hygienische Raumluft zu gewährleisten. Zu den Aufgaben des Verbandes gehören laut Satzung u.a.:
Unterstützung von Gesetzgebung, Verwaltung und Forschung,
Information der Mitglieder und der Öffentlichkeit, Aufklärung und Beratung zur Wohnungslüftung, auch bei mess- und regeltechnischen Verfahren,
Korrektur falscher und irreführender Aussagen über Wohnungslüftungssysteme mit und ohne Wärmerückgewinnung,
Förderung der qualifizierten Systemanbieter für Wohnungslüftung mit und ohne Wärmerückgewinnung.