2. Forum Wohnungslüftung am 24. Juni 2010 in Berlin
Ein lebendiges Forum zu Machbarkeiten, strategischen Allianzen und Markthemmnissen versprach Dr. Jan Witt, Geschäftsführer der HEA-Fachgemeinschaft, den Teilnehmern des 2. Forums Wohnungslüftung Ende Juni in Berlin. Eingeladen hatten HEA und Solarpraxis AG; erstmals war der Bundesverband für Wohnungslüftung (VfW) Mitveranstalter.
80 Fachleute aus Politik, Forschung, Planungspraxis, Energiewirtschaft und Industrie nahmen dieses Dialogangebot an und informierten sich über neue Richtlinien, Innovationen, Trends und Markterfahrungen. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass Lüftungstechnik im Neubau etabliert ist. Nachholbedarf bestehe bei Sanierung und Modernisierung, insbesondere in der Wohnungswirtschaft. Hier gilt es, deren Vorteile gerade in Fachkreisen noch bekannter zu machen und Hemmschwellen abzubauen, leistet diese Technik doch einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbesserung von Raumluftqualität und Schallschutz sowie zur Vermeidung von Bauschäden durch Schimmel und Feuchte.
Neue Weichenstellungen
Peter Rathert vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) beleuchtete den wachsenden Stellenwert der Lüftungstechnik im Kontext des EnEG, der EnEV 2009 und der neuen EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD). Angesichts luftdichter Bauweise, steigender Wärmelasten im Gebäudeinneren und wachsender Anforderungen an die Innenraumhygiene wird Lüftungstechnik unverzichtbar. Nach § 5 des EnEG müssen sich Kosten für die Durchführung von Energiesparmaßnahmen generell innerhalb der Lebensdauer dieser Technik durch eingesparte Energiekosten amortisieren. Mechanische Lüftungsanlagen erweisen sich deshalb als sinnvoll, um den energetischen und hygienischen Anforderungen gleichermaßen gerecht zu werden.
Komfort gefragt
Anton Höß, TÜV Süd, beleuchtete unterschiedliche Lösungen für Geräte- und Systemtechnik. Klar erkennbar sind Trends zur Minimierung des Außenluftvolumenstroms und zur Wärmerück-gewinnung – zunehmend in Kombination mit Wärmepumpen. Ein gestiegenes Interesse an Kühlfunktionen lässt erkennen, dass diese Komfortleistung der Wohnungslüftung – ob passiv oder aktiv – im Gespräch ist. Abluftwärme wird entweder für die Anhebung der Zulufttemperatur oder in Kombination mit Wärmepumpen für die Erwärmung von Trink- oder Heizungswasser genutzt. Innovationen der Wärmepumpentechnik wie Digital-Scroll-Verdichter, elektronische Expansionsventile u.a. machen bis zu 15 % höhere Jahresarbeitszahlen möglich. Der zunehmende Einsatz von Flächenheizungen unterstützt zudem den Komfortfaktor.
Vertraglich vereinbaren
Über ein „heißes Eisen“, Haftungsfragen von Planern und Bauunternehmern bei Neubau oder sanierten Wohnräumen ohne Lüftungsanlagen, referierte Raimund Käser, Bundesverband für Wohnungslüftung, (VfW). Immer noch viel zu wenig in der Baupraxis beachtet wird, dass die allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik nur Mindestanforderungen an die Bauausführung darstellen. Das gilt insbesondere für die Lüftung. Die Rechtspraxis zeigt, dass für den Planer oder Bauunternehmer ein beträchtliches Haftungsrisiko entsteht, wenn der zu gewährleistende Luftwechsel nur durch zusätzliche Lüftungsmaßnahmen des Nutzers erreicht werden kann. Durch das Lüftungskonzept nach DIN 1946 Teil 6 lässt sich ermitteln, ob lüftungstechnische Maßnahmen notwendig sind. Werden diese nicht ausgeführt, sollte vertraglich vereinbart werden, wie oft und wie lange vom Bewohner gelüftet werden muss. Solch ein Lüftungskonzept wird auch bei Sanierungen mit dem Austausch von mehr als einem Drittel der Fenster oder der Abdichtung von mehr als einem Drittel der Dachfläche relevant. Zum Lüftungskonzept ist bei der HEA oder beim VfW ein kostenloses Planungstool erhältlich, das objektspezifische Lösungen abbildet.
Fachbetriebe gefragt
Prof. Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG), widmete sich den Chancen für die Wohnungslüftung bei der Umsetzung des EEWärmeG. Die Pflicht zum Einsatz erneuerbarer Energien kann alternativ auch durch Abwärmenutzung erfüllt werden. Es müssen dann 50 % des Wärmeenergiebedarfs dadurch gedeckt werden. Zumindest anteilig wird dies durch ventilatorgestützte Lüftungssysteme möglich, beispielsweise durch Wärmerückgewinnung mit einer Abluft-Wasser-Wärmepumpe oder einem Zu- und Abluftsystem mit Wärmeübertrager. Prof. Oschatz stellte dar, dass bei zentralen Zu- und Abluftsystemen die Zulufterwärmung auch aus dem Erdreich erfolgen könne. Der HEA-Wegweiser zum Einsatz von Lüftungssystemen nach EnEV und EEWärmeG, so Prof. Oschatz, fächere Planern und Bauunternehmern verschiedene Lösungen auf; Voraussetzung sei jedoch immer eine exakte Ausführung durch einen erfahrenen Lüftungsfachbetrieb. In diesem Zusammenhang berichtete Jens Schuberth vom Umweltbundsamt (UBA) über die neue Ökodesign-Richtlinie der EU, durch die für immer mehr Geräte eine Energieeffizenz-Kennzeichnung erfolgt. Sie gibt Planern und Installationsbetrieben mehr Sicherheit.
Luftwechsel erhöhen
Prof. Michael Haibel, Hochschule Biberach, wies auch auf den zentralen Aspekt der Qualität bei Planung und Ausführung hin. Wird der Fokus allein auf den Energieverbrauch gerichtet, kommt der gesetzlich geforderte Luftwechsel garantiert zu kurz. Gesundheitliche Belastungen folgen. Am Beispiel einer Schlafzimmerlüftung zeigte der Experte auf, dass Anlagensystematik bedarfsgerecht geplant werden muss. Bei der Anordnung der Zuluftventile und der Auslegung der Volumenströme muss z.B. der erhöhte Frischluftbedarf von zwei Personen während der Nacht berücksichtigt werden. Die Innenraumluft kann durch unterschiedlichste Stoffe wie VOC, Biozide, Stäube, Fasern, Mikrorganismen und sogar Radon belastet werden. Grundsätzlich gilt: Geringe Konzentrationen bei langer Exposition sind viel kritischer als hohe Konzentrationen bei kurzzeitiger Einwirkung. Prof. Haibel lenkte auch den Blick auf Lüftungskanäle, die immer ölfrei sein müssen, sowie gute Filter. Er plädierte für eine Wartung und Reinigung durch Fachbetriebe. Abschließend sprach sich Prof. Haibel aus Gründen des Gesundheitsschutzes nachdrücklich für eine Erhöhung des Luftwechsels > 1 aus.
Vertrauensbildende Maßnahmen
Am Beispiel der Haustechnikplanung für ein Passivhaus erläutete der Planer Hinnerk Fütterer, Energiebüro Fütterer Ruppmann GbR aus Berlin, welche Vorurteile bei den neun Baugruppenfamilien ausgeräumt und welche Rahmenbedingungen des Geschosswohnungsbaus beachtet werden mussten. Die Vermeidung von Geräuschen, überdurchschnittliche Mehrkosten und zusätzlicher Platzbedarf waren dabei zentrale Themen. Auch aus diesen Gründen habe man sich für ein dezentrales Lüftungskonzept des nach Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) geplanten Gebäudes entschieden. Je nach Größe der Wohnung kommen drei Anlagentypen – ohne Heizfunktion – zum Einsatz, die vierstufig regelbar sind. Die Zuluft wird dabei in die Wohnräume, die Abluft aus Küche, Bad und Abstellkammer geführt. Schallgedämpfte Überströmöffnungen minimieren Geräusche. Aus Kosten- und Platzgründen wurden Außen- und Fortluftventile auf einer Wand angeordnet. Wunsch der Bewohner war auch die Möglichkeit zur Temperaturnachtabsenkung in den Schlafräumen und einer Bypasslösung für den Sommer. Hinnerk Fütterer bezifferte die Mehrkosten für die Lüftungstechnik mit 5 %; insgesamt liegen die Baukosten dieses Mehrgeschossers im Passivhaus-Standard bei 2200 €/m2 (inkl. MwSt.). Fütterer legte der Industrie nahe, sich stärker der Passivhauszertifizierung ihrer Geräte zu widmen und technische Unterlagen zu Schallemissionen bereitzustellen. Um der Lüftungstechnik in der Wohnungswirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen, werden flexiblere Systemlösungen benötigt.
Impulse für Akzeptanz
Wird Wohnungslüftung bereits ausreichend gefördert? Dieser Fragestellung widmete sich Dr. Rudolf Hennes von der KfW-Bankengruppe. Die KfW-Programme Energieeffizient Bauen und Sanieren sowie die DIN 1946 Teil 6 haben den Trend zur Wohnungslüftung verstärkt. Bei Einhaltung der Kriterien wird diese Technologie speziell im Programm Energieeffizient Sanieren (152) gefördert. Dazu zählen bedarfsgeregelte (feuchte-, CO2- oder mischgasgeführte) Abluftsysteme, zentrale, dezentrale oder raumweise Anlagen mit einem Wärmebereitstellungsbetrag von mindestens 75 % sowie Kompaktgeräte in unterschiedlicher Konfiguration, die eine Jahresarbeitszahl von 3,5 aufweisen und wo das Gebäude den Anforderungen an das KfW-Effizienhaus 100 oder besser entspricht. Herstellerbescheinigungen für die Gerätekomponenten, Fachunternehmererklärungen sowie ein Blower-Door-Test werden dafür benötigt. Dr. Hennes betonte, dass unterschiedliche Förderinstrumente helfen, Hemmnisse sowie Vorbehalte bei Nutzern, Planern, Investoren und der Wohnungswirtschaft weiter abzubauen. Teilnehmer des Forums berichteten, dass in Sachsen Wohnungslüftung mit 25 €/m2 gefördert wird. Marc-André Müller von den Stadtwerken Düsseldorf stellte überdies ein eigenes Förderprogramm des EVU vor, bei dem ein Antrag erst nach Inbetriebnahme der Anlage gestellt wird. Einig waren sich alle Anwesenden darin, dass auf die Lüftungstechnik bessere Zeiten zukomme. Allerdings ist am Schulterschluss von Industrie, Forschung, Praxis und Politik weiter zu arbeiten.