Das Gebäude im modellbasierten Projektlebenszyklus

Digitaler Zwilling schafft Datendurchgängigkeit von der Vorplanung bis zum Betrieb

Lange bevor der erste Stein gelegt oder die erste Leitung gezogen wird, existiert ein Gebäude im BIM-Modell bereits virtuell. Für die architektonische Vorplanung sowie die Auslegung der Energieverteilung, die Planung des Wasser- und Abwassersystems oder der Lüftungsanlage gibt es jeweils leistungsfähige Software-Tools. Woran es jedoch fehlt, ist die Datenübergabe zwischen diesen Programmen beziehungsweise die dafür nötige gemeinsame Sprache. Die Anforderungen sind klar, es hapert aber noch an der Umsetzung eines modellbasierten Projektlebenszyklus über den BIM-Prozess. 

Der Projektlebenszyklus ist der „Lebensweg“ eines Projekts von dessen Start bis zu dessen Ende. Er umfasst klassischerweise vier Phasen: Initiierung, Planung, Durchführung und Abschluss. Im Bausektor setzt sich für die Bearbeitung solcher Projekte derzeit das Building Information Modeling (BIM) durch. Dabei wird ein digitaler Zwilling erstellt: ein 3D Modell, in dem alle am Bau und Betrieb beteiligten Akteure Informationen hinterlegen können. Da dieses Datenmodell im weiteren Verlauf dann allen Beteiligten für ihre Anwendungsfälle zur Verfügung steht, lassen sich damit Planung, Bau, Betrieb und Rückbau des Gebäudes optimieren. Wenn die nötigen Schnittstellen eingerichtet sind, fließen Daten direkt von einem Teilnehmer ins Modell, auf das dann alle Beteiligten Zugriff haben. Neben dem Grundriss und den Leitungsplänen der Wasser- und Elektroinstallation sind beispielsweise Handbücher der verwendeten Geräte und Anlagen über das Modell verfügbar.

Gemeinsames Wachstum: Ein Gebäude und sein 3D-Zwilling

Mit der Anwendung von Building Information Modeling wird das bauteilbasierte 3D-Modell dann im laufenden Betrieb kontinuierlich erweitert. Es kommen etwa Wartungspläne, Ereignislisten oder von smarten Sensoren gelieferte Messdaten aus dem Facility Management hinzu. All diese Informationen können während des gesamten Projektlebenszyklus für gewinnbringende Anwendungsfälle genutzt und ausgewertet werden, von der Kollisionsprüfung in der Planungsphase über die Informationsorganisation während des Baus bis zur digitalen Abrechnung im Betrieb. Die im Modell hinterlegte Datenmenge wächst also kontinuierlich über den BIM-Prozess, sodass ein digitaler Zwilling des Gebäudes entsteht.

Ein Beispiel dafür, wie das in der Praxis aussieht, ist die BIM-Plattform „iTWO 4.0“ des Schneider Electric Partners RIB Software. Diese Cloud-Plattform für Unternehmensmanagement, Projektplanung und Echtzeit-Bauüberwachung ermöglicht die zeitgleiche Zusammenarbeit aller Beteiligten an einem Bauprojekt – von Design und Planung bis zur Finanzkontrolle. Dank eines permanent aktualisierten, beschrifteten 3D-Modells des Gebäudes können die Nutzer sich stets eine genaue Vorstellung von dem Projekt und seinem aktuellen Status machen. Obwohl Planer im Rahmen des Computer Aided Design (CAD) schon längst mit 3D-Modellen arbeiten, war es in der Vergangenheit die 2D-Dokumentation auf Papier, welche die umsetzenden Unternehmen – etwa Schaltanlagenbauer oder Generalunternehmer – erhielten und aufwendig neu eingeben mussten.

Umsetzungsbeispiel: Elektroverteilung und Schaltanlagen

Eine umfassende Standardisierung der Dateiformate und Programmiersprachen zwecks Datendurchgängigkeit ist daher gefragt, um das volle Potenzial des BIM-Prozesses ausschöpfen zu können. Erste Erfolge sind schon zu vermelden: Die Norm VDI 3805 etwa legt Parameter dafür fest, wie der Produktdatenaustausch für Komponenten und Anlagen der Heiz-, Raumluft- und Sanitärtechnik laufen soll.

Ein Vorreiter in Sachen Datendurchgängigkeit im BIM-Prozess ist Tech-Konzern Schneider Electric, der mit seinen Software-Tools und denen seiner Partner ALPI und IGE+XAO (beide jetzt Teil von ETAP) bereits eine durchgängige Softwarewelt etabliert hat. Dabei wird das Ergebnis der Netzberechnung inklusive des einpoligen Stromlaufplans an den Schaltanlagen-Konfigurator übergeben. Hier kann der Planer dann auf Basis der berechneten Daten automatisch die Ausschreibung erstellen. Zunächst ist das für die Niederspannungsschaltanlagen der Reihe „PrismaSeT P“ möglich. Weitere Anlagentypen sollen folgen.

Im Auftragsfall gibt der Planer die Ergebnisse der Netzberechnung in einem allgemeingültigen Dateiformat an den Schaltanlagenbauer weiter, der im Konfigurator dann direkt damit weiterarbeiten kann. Anschließend erhält die Elektroprojektierungssoftware die Daten der Netzberechnung über die zweite Schnittstelle. Fügt der Konstruktionsingenieur neue Elemente hinzu, ergänzt sich die Stückliste automatisch und die Dokumentation wird aktualisiert. Aus diesen Daten entsteht dann automatisiert ein allpoliger Stromlaufplan. Auch ein 3D-Modell der konzipierten Schaltanlage steht bereit, um zum Beispiel eine fehlerfreie Anlagenfertigung in der Werkstatt zu gewährleisten. Weiterhin besteht die Möglichkeit der direkten Anbindung an eine CNC-Maschine.

Dieser Teil der Software-Reise erfolgt aktuell noch bei Schneider Electric und seinen Partnern; auf lange Sicht ist aber eine marktumfassende Lösung das Ziel. In diese sollen dann auch umfassend Geräte und Software von Drittanbietern, etwa über branchenweit geltende Normen, eingebunden werden.

Digitale Unterstützung bei Betrieb und Wartung

Wenn das Gebäude fertiggestellt und bezogen ist, vereinfachen die im digitalen Zwilling konzentrierten Informationen die Überwachung des Betriebs. Mit einer Asset Management Plattform wie „EcoStruxure Facility Expert“ lässt sich aus dem digitalen Zwilling beispielsweise das „Digital Logbook“ generieren. Dieses Tool enthält Informationen zum Wartungsprozess und sichert die gesamte Dokumentation des Projektes ab. Pläne für die vorbeugende Wartung können importiert, Aufgaben spezifischen Akteuren zugewiesen werden. Gerade bei mehreren Standorten vereinfacht ein solches digitales Hilfsmittel den Wartungsprozess, denn der Facility Manager oder Betriebstechniker kann es direkt vor Ort, über einen an der Anlage angebrachten QR-Code, auf seinem Mobilgerät aufrufen.

Ein komplett digitales Facility Management ermöglichen Computer Aided Facility Management (CAFM)-Tools wie „iTWO fm“ von RIB. Es verwaltet alle Mitarbeiter, Prozesse, Projekte und Finanzdaten auf einer Plattform. Aber nicht nur bei Bau und Verwaltung, sondern auch bei der Endkundennutzung des Gebäudes kann Software unterstützen. Die Softwaresuite „Planon Universe“ für das Immobilien- und Gebäudemanagement führt alle Gebäudeprozesse und -systeme (Smart-Building-Technologien, Geschäftslösungen und Betriebsdaten) in einer zentralen Datenbank zusammen und bietet Services für Real Estate Management, Arbeitsplatzverwaltung, Planung und Ausführung von Instandhaltungsarbeiten, Vertragsverwaltung oder das Überwachen von Nachhaltigkeitswerten.

Fazit

Der Anfang ist gemacht: Datendurchgängigkeit und die – perspektivisch auch anbieterübergreifende – Einbindung von Daten, von der Anlagenplanung bis zur Wartung des fertigen Gerätes, sparen viele Stunden an Übertragungsarbeit und Kommunikationsaufwand. Verbesserte Organisations- und Protokollfunktionen erleichtern darüber hinaus nicht nur die Arbeit von Planern und Technikern, sondern erhöhen auch die Sicherheit und Nachhaltigkeit der Gebäude.

Damit diese Vision real wird, bedarf es aber noch einer Reihe von Veränderungen. So sollte es zunächst bei mittleren und großen Bauvorhaben gesetzlich verpflichtend sein, den digitalen Zwilling an den Verantwortlichen der Betriebsphase zu übergeben. Die nötigen Fachkräfte müssen ausgebildet und für Sanierer und Betreiber müssen finanzielle Anreize geschaffen werden, mit modellbasierten Projektlebenszyklen zu planen. Auf der technischen Seite ist der Wille zur Umsetzung durchaus vorhanden, wie das Beispiel Schneider Electric zeigt.

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