E-Learning als neue Lernkultur etablieren
Veränderungen verlaufen in Unternehmen und deren Umfeld meist schleichend. So auch in der betrieblichen Weiterbildung. Das änderte sich durch Corona schlagartig. Die Pandemie verhalf unter anderem dem Online-Lernen zum Durchbruch.
Zur Jahrtausendwende war eine zentrale Funktion der Präsenz-Seminare und -Trainings noch: Die Teilnehmer sollen sich persönlich kennen, verstehen und als Person schätzen lernen. Dies geschah zu einem großen Teil während der informellen Gespräche in den Pausen oder abends in der Bar. Diese Gespräche finden heute kaum noch statt: „Statt in den Pausen gemeinsam Kaffee zu trinken und zu schwatzen, ziehen sich die Teilnehmer heute meist mit ihrem Handy in eine ruhige Ecke zurück, um dort zu telefonieren oder ihren Maileingang zu checken“, stellt der Organisationsberater Klaus Doll bedauernd fest. Und abends sitzen sie nur noch selten gemeinsam in der Bar; stattdessen erledigen sie in ihren Zimmern an ihren Laptops noch dringliche Aufgaben oder chatten mit Bekannten.
Das Thema E-Learning kam schon kurz vor der Jahrtausendwende auf, konnte sich aber erst aufgrund der Erfahrungen in der Pandemie durchsetzen.
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Durch diese Verhaltensveränderung ging eine zentrale Funktion der Präsenz-Seminare weitgehend verloren: die Netzwerkbildung. Auch deshalb ersetzen laut Aussagen der Wiener (Online-)Trainer- und Coachausbilderin Sabine Prohaska viele Unternehmen die zeitintensiven und meist teuren Präsenz-Seminare zunehmend durch Online-Trainings und -Seminare – „nicht selten kombiniert mit Online-Coachings“.
Corona war ein lauter Weckruf
Das Thema E-Learning kam schon kurz vor der Jahrtausendwende auf, weil der Weiterbildungsbedarf aufgrund der verschiedenen Funktionen der Mitarbeiter in den Unternehmen sowie deren unterschiedlicher Vorerfahrung so individuell wurde, dass er mit standardisierten Programmen allein nicht mehr befriedigt werden konnte. Zum Einsatz kamen diese E-Learning-Plattformen aber meist nur in Großunternehmen, konstatiert Hans-Peter Machwürth, Inhaber des Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI) – unter anderem, weil der Aufbau der hierfür erforderlichen IT-Infrastruktur und die Entwicklung der benötigten Lernprogramme damals noch so teuer war, dass sich diese Investition nur bei großen Mitarbeitergruppen lohnte. Zudem verfügten die damaligen Zielgruppen der Weiterbildung laut Prohaska noch weitgehend über eine eher geringe Digitalkompetenz. Deshalb erlahmte in den Folgejahren zunehmend die anfängliche Euphorie vieler firmeninterner Weiterbildner für das Thema E-Learning.
Online-Trainings und -Coachings sind im Trend.
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„Der Digitalisierungsprozess in der Wirtschaft und Gesellschaft ging an der betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklung über viele Jahre fast spurlos vorbei“, konstatiert Prohaska. Das änderte sich schlagartig durch die Corona-Pandemie. Insbesondere während den Lockdowns waren Präsenzveranstaltungen nur bedingt möglich. Deshalb wurde in vielen Betrieben das Online-Lernen forciert. Dabei wurde diese Lernform anfangs oft noch als ein minderwertiger Ersatz für das Seminarlernen gesehen. „Erst allmählich dämmerte den Verantwortlichen, dass das digitale Lernen eine überfällige Bereicherung der Weiterbildung darstellt“, sagt die Coachausbilderin. „Unter anderem, weil die Teilnehmer hierbei viel stärker dazu animiert werden, ihre Lernprozesse selbst zu organisieren und zu gestalten.“
Ein weiterer Vorteil des Online-Lernens ist laut Machwürth, dass mit ihm neue Personengruppen für die Weiterbildung erreichbar seien – so z. B. Mitarbeiter, die nicht außer Haus übernachten wollen oder können, und Mitarbeiter, die nicht ein, zwei Tage im Betrieb fehlen können oder möchten. In den zurückliegenden 2,5 Jahren haben dann auch viele Unternehmen die erforderliche technische Infrastruktur für das E-Learning aufgebaut.
Ziel: Eine neue Lernkultur entwickeln
Die nötige Technik zu implementieren, sei aber nur „der erste Schritt“, betont Prohaska. Entscheidend sei das Etablieren einer neuen Lernkultur. „Wenn die Mitarbeiter real in ihrer Entwicklung gefördert werden sollen, gilt es auch zahlreiche soziale und emotionale Aspekte zu beachten.“
Deshalb empfiehlt sie Unternehmen beim Aufbau einer neuen Lerninfrastruktur und Entwickeln neuer Lerndesigns stets zu reflektieren:
Wer soll diese nutzen?
Welche Kompetenzen/Eigenschaften sind hierfür nötig? Und:
Inwieweit sind diese bei den potenziellen „Usern“ bereits vorhanden bzw. müssen sie bei ihnen erst noch entwickelt werden?
Wenn in den Unternehmen real eine neue Lernkultur entstehen soll, bei der das Lernen ein integraler Bestandteil des Arbeitsalltags der Mitarbeiter ist, sollten zudem gewisse Rahmenbedingungen gegeben sein. Dann sollten bspw. Lernzeiten von den Unternehmen als solche anerkannt, zur Verfügung gestellt und bezahlt werden – und zwar unabhängig davon, ob die Mitarbeiter im Betrieb oder Homeoffice arbeiten. Dies sei in vielen Unternehmen noch nicht der Fall.