Gewerbehallen nachts auskühlen

Klimatisierung mit relativ einfachen Mitteln

Viele Gewerbebauten verfügen bereits über Lichtkuppeln, Flachdachfenster oder Lichtbänder. „Meist lassen sie sich ohne großen Aufwand auf einen automatisch gesteuerten Lüftungsbetrieb umstellen – das erleichtert das Arbeiten und spart Kühl-Energie“, sagt Ulrich Koch vom Fachverband FVLR. Der nachfolgende Beitrag stellt im Schwerpunkt das Thema Nachtauskühlung vor.

Südeuropa wurde im vergangenen Sommer von einer Hitzewelle mit Temperaturen weit jenseits der 40 °C heimgesucht und auch in Deutschland herrschten mitunter klimatische Bedingungen, die das Arbeiten enorm erschweren. Vielfach kommt noch zusätzliche Wärme aus Produktionsanlagen usw. hinzu. Bei den Mitarbeitern ist da schnell die Akzeptanzgrenze erreicht, wenn nicht gar überschritten. Unter Umständen können derart hohe Temperaturen sogar zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Auch sind Auswirkungen auf den Produktionsprozess in vielen Bereichen nicht auszuschließen. 

Maßnahmen ab 30 °C in Räumen

Wie weit solche Temperaturen akzeptiert werden, ist von Mensch zu Mensch verschieden, denn Temperaturen werden unterschiedlich wahrgenommen. Je nach Aktivität, Bekleidung, Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit, um nur einige Punkt zu nennen, reagiert jeder Mensch anders. Gleichwohl gibt es für Arbeitsplätze eine eindeutige Konkretisierung, zu finden in der Arbeitsstättenregel (ASR) A3.5. Überschreiten die Außenlufttemperaturen die Grenze von 26 °C, sind im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung für unterschiedliche Personengruppen und/oder Arbeitsplätze geeignete Maßnahmen zu definieren und umzusetzen. Übersteigt die Temperatur in den Räumen gar die Grenze von 30 °C sind weitergehende Maßnahmen zu ergreifen.

Sonnenschutz hält nur Wärme von außen ab

„Die Definition der zusätzlichen Maßnahmen hat ebenfalls im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu erfolgen“, erklärt Ulrich Koch, Geschäftsführer des Fachverbands Tageslicht und Rauchschutz e. V. (FVLR). „Hierbei ist zu beachten, dass technische und organisatorische Maßnahmen, also kollektive Schutzmaßnahmen für alle, Vorrang vor personenbezogenen Maßnahmen haben.“ In der ASR A3.5 werden einige beispielhafte mögliche Maßnahmen aufgeführt, darunter Steuerung des Sonnenschutzes, zusätzliche Pausen usw. Aber auch Lüftung in den Morgenstunden sowie die Steuerung der Lüftungseinrichtungen als Nachtauskühlung werden vorgeschlagen. „Während der Sonnenschutz lediglich den Wärmeeintrag von außen reduzieren kann, bringt das Konzept der Nachtauskühlung einen deutlich höheren Effekt“, so der FVLR-Geschäftsführer. „Und es ist sowohl für Bestandsgebäude als auch für den Neubau geeignet.“ In Abhängigkeit u. a. von der Speicherfähigkeit des Gebäudes und des möglichen Luftwechsels konnten an ausgeführten Projekten Reduzierungen von 3 bis 8 °C gemessen werden.

Temperatur-Differenz ausnutzen

Der Hintergrund: Jedes Gebäude absorbiert die Wärme, die durch Anlagen, Geräte, Gebäudenutzer oder durch Sonneneinstrahlung in den Räumen entsteht. Diese Wärme wird über den Tag von der Gebäudestruktur gespeichert und kann über eine gesteuerte natürliche Lüftung in den Nachstunden (Nachtauskühlung) wieder abgeführt werden. Denn selbst bei „Tropennächten“ sinkt die Außentemperatur im Vergleich zur Temperatur im Gebäude deutlich. Bei der Nachtauskühlung wird diese Temperatur-Differenz genutzt, um mit einer kontrollierten natürlichen Lüftung die warme Luft im Gebäude durch frische, kühlere Luft von außen zu ersetzen. „Der Clou ist, dass dieser natürliche Luftaustausch aufgrund von Temperaturunterschieden automatisch gesteuert passiert“, so Koch. In den frühen Morgenstunden ist der Unterschied bekanntlich am größten.

Aber nicht nur die warme Luft wird ausgetauscht. Auch die in den Bauteilen und der Gebäudestruktur gespeicherte Wärme kann abgeleitet werden. Für die tägliche Nutzung steht somit ein deutlich kühleres Gebäude zur Verfügung. Der Unterschied kann, wie beschrieben, bis zu 8 °C betragen. Der Aufwand für Kühlung oder sogar die Klimatisierung am Tag in der Hauptnutzungszeit des Gebäudes kann reduziert werden – mit erheblichen Energieeinsparungen. Je nach Gebäudetyp, Klimatisierung und Heizbedarf können zwischen 30 und 60 kWh/m2 im Jahr an Energiekosten eingespart werden.

Be- und Entlüftung am Tag

Lichtkuppeln, Flachdachfenster und Lüftungsklappen in Lichtbändern sind durch die Vielzahl der unterschiedlichen Lösungen die idealen Abluft-Öffnungen für die Nachtauskühlung. Auch sind sie vielfach schon mit Lüftungsantrieben – ob pneumatisch oder elektrisch – bereits ab Werk ausgestattet. „Auch eine Nachrüstung mit Antrieben im Bestand ist in der Regel problemlos möglich“, sagt Ulrich Koch. Kombiniert mit einer entsprechenden Steuerung zur Nachtauskühlung und, so erforderlich, mit einen Wind- und Regensensor ausgestattet, können auch Bestandsanlagen kurzfristig ohne großen technischen Aufwand für eine effektive Wärmeabführung in den Nachstunden, aber auch als Be- und Entlüftung im Tagesbetrieb genutzt werden. Bzgl. möglicher Sicherheitsbedenken ist zu sagen, dass Flachdachfenster, Lichtkuppeln und Lichtbänder heute in den meisten Fällen mit Durch- und Absturzsicherungen ausgeführt werden. Bei Bedarf können sie zudem mit einem zusätzlichen Schutz gegen Einbruch versehen werden.

Allwetterlüfter für Nachtauskühlung

Um die Lüftung unabhängig der jeweiligen Witterungssituation sicherzustellen, stehen bei Bedarf auch Allwetterlüfter zur Verfügung. Doppelklappen oder Lamellenlüfter werden immer dann eingesetzt, wenn in Betrieben mit einem Hitze-Überschuss große Mengen an Wärme abgeführt werden müssen. Diese Technik kann auch für die Nachtauskühlung eingesetzt werden. Insbesondere in der Kombination mit einer Allwetterlüftung und regenabhängiger Ansteuerung können die erforderlichen Querschnitte auch bei schlechter Witterung sichergestellt werden: Bei Regen wird die Doppelklappe geschlossen und die Seitenklappen werden geöffnet. Die Abführung der Wärme erfolgt somit witterungsunabhängig. Für eine evtl. Nachrüstung im Bestand stehen auch hier entsprechende Lösungen zur Verfügung. Eine weitere Möglichkeit ist die zusätzliche Ausstattung mit Ventilatoren in den Aufsetzkränzen der Lichtkuppeln oder Flachdachfenstern.

Im industriellen Bereich erreicht die Nachtlüftung durch die wirksame Höhe zwischen den Abströmöffnungen für die warme Luft – wie Lichtkuppeln, Flachdachfenster und Lüftungsklappen in Lichtbändern im Dachbereich – und den erforderlichen Zuluftöffnungen wie Fenster und Türen im unteren Bereich der Halle einen hohen Wirkungsgrad. Je nach Betriebsart wird je ein Temperaturanstieg zwischen 1 bis 1,6 K angenommen. Bei einem „Mittelbetrieb“ mit einer Hallenhöhe von 5 m und einer Außentemperatur von + 20 °C wird sich die Luft an der höchsten Stelle in der Halle auf bis zu + 26 °C erwärmen. Der Temperaturanstieg und die Höhe ist der Antriebsmotor für die thermische Auftriebsgeschwindigkeit und damit auch für die möglichen Luftwechselraten. „Aber auch in niedrigen Räumen können durch eine gezielte und gesteuerte natürliche Lüftung hohe Luftwechselraten erreicht werden“, sagt Ulrich Koch. „So können sich Unternehmen auf die Zunahme von Hitzetagen in den kommenden Sommern vorbereiten.“

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