Kältetechnik in der Antarktis?

Forschung für die Lebensmittelversorgung von Astronauten

Was zunächst widersinnig klingt, ein Gewächshaus in der Antarktis zu kühlen, ist auf den zweiten Blick ein äußerst spannendes Forschungsvorhaben, bei dem zahlreiche technische Herausforderungen gemeistert werden mussten. Ziel ist es, die lebensfeindlichen Bedingungen eines fremden Planeten zu simulieren und zu erproben, wie eine Versorgung von Astronauten mit Lebensmitteln sichergestellt werden kann.

Mobiles Gewächshaus in der Größe eines Frachtcontainers, das im Rahmen des Projekts EDEN-ISS zur deutschen Forschungsstation Neumayer-Station III in der Antarktis transportiert wurde
Bild: Hanno Müller

Mobiles Gewächshaus in der Größe eines Frachtcontainers, das im Rahmen des Projekts EDEN-ISS zur deutschen Forschungsstation Neumayer-Station III in der Antarktis transportiert wurde
Bild: Hanno Müller
Die Menschheit schaut bei ihren Plänen für die Zukunft immer mehr über ihren eigenen Planeten hinaus. Mit dem Artemis-Programm der NASA sollen Menschen ab 2028 dauerhaft auf dem Mond leben können. Die russischen, chinesischen und europäischen Raumfahrtbehörden haben ähnliche Vorhaben angekündigt. Doch letztlich ist dies nur ein Schritt in Richtung des eigentlichen Ziels: einer Besiedlung des Mars. Dieser Plan wird aktuell aktiv von mehreren nationalen Weltraumbehörden sowie Privatunternehmen wie Spacex verfolgt.

Eine der größten Herausforderungen für jedes langfristigere Projekt im Weltall ist die Versorgung der Astronauten mit ­Lebensmitteln. Intensive Forschungen in diesem Bereich leistet das Projekt EDEN-ISS, das 2015 von der Europäischen Union zusammen mit einer Reihe von Technologiepartnern ins Leben gerufen wurde. Das Ziel des Projekts besteht darin, Verfahren und Technologien für die sichere Herstellung von Lebensmitteln auf der Internationalen Raumstation und darüber hinaus zu entwickeln.

Im Rahmen seiner Forschungen hat EDEN-ISS ein mobiles Gewächshaus in der Größe eines Frachtcontainers entwickelt, in dem es seine Technologien testet. Nach ersten Tests in Bremen wurde das Gewächshaus 2017 zur deutschen Forschungsstation Neumayer-Station III in der Antarktis transportiert – ein Ort, der die isolierten, lebensfeindlichen Bedingungen eines fremden Planeten gut simuliert.

Gemüsefarmen auf Mond und Mars

Das Gewächshaus wird aktuell von der NASA und dem DLR gemeinsam für eine Reihe von Experimenten zu Gemüseanbauverfahren auf Mond und Mars genutzt. Die NASA-Wissenschaftlerin Jess Bunchek untersucht, wie künftige Astronauten Salat, Gurken, Tomaten, Paprika und Kräuter anbauen könnten und dabei so wenig Zeit und Energie wie möglich aufwenden müssen. Dabei schaut sie täglich nach ihren Pflanzen und testet die verschiedensten Gewächshaustechnologien und Pflanzensorten.

„Wir gewinnen jede Menge praktisches Wissen über operative Aspekte wie die Anforderungen an das Team und die Arbeitsaufwände“, sagt Vincent Vrakking, Eden Research Group, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Die mit den einzelnen Handlungen verbundenen Vorgehensweisen im Gewächshaus müssen erforscht und optimiert werden, bevor ein Gewächshaus schließlich den Betrieb auf dem Mond oder Mars aufnehmen kann. So können sich die Astronauten später auf die Forschung und Wissenschaft konzentrieren.“

Innenansicht des Gewächshauses, in dem Verfahren und Technologien für die sichere Herstellung von Lebensmitteln in lebensfeindlichen Umgebungsbedingungen entwickelt werden sollen
Bild: Hanno Müller

Innenansicht des Gewächshauses, in dem Verfahren und Technologien für die sichere Herstellung von Lebensmitteln in lebensfeindlichen Umgebungsbedingungen entwickelt werden sollen
Bild: Hanno Müller

Auch wenn es in einer Umgebung, die bis zu -50 °C kalt werden kann, auf den ersten Blick überraschen mag, ist die Kälteversorgung für das Funktionieren des Gewächshauses von wesentlicher Bedeutung. Denn die Beleuchtung und andere elektrische Geräte erzeugen Wärme, die abgeleitet werden muss. „Das Kühlsystem ist sehr wichtig.“, so Vrakking, „Wir müssen die Wärmemenge, die der Anlage entnommen wird, genauestens kontrollieren können, um stets die optimale Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit zu gewährleisten.“

Projektpartner glauben zunächst an einen Scherz

Jan Levin, der ehemalige Niederlassungsleiter des Fachgroßhändlers Frigotechnik in Bremen, kann sich noch sehr gut erinnern, wie überrascht er war, dass ein Kunde ein Kühlsystem verlangte, das unter derart anspruchsvollen Bedingungen funktionieren sollte. „Als man mich zum ersten Mal kontaktierte, hieß es, man wolle mich persönlich treffen und das Projekt erläutern“, erinnert er sich. „Wir gingen einen Kaffee trinken und als meine Gesprächspartner anfingen, über die Simulation von Wetterbedingungen auf dem Mond zu sprechen, dachte ich zunächst, dass das nur ein Scherz sei.“

Levin kontaktierte Güntner und arbeitete eng mit dem Technikteam des Unternehmens zusammen, um eine Kühllösung zu entwickeln, die diesen Anforderungen gerecht wird. Die Antwort bestand in einer individuell angepassten Variante eines Güntner „Flat Compact“ Rückkühlers. Das Team sah sich dabei vor einer beachtlichen Herausforderung.

„Die Lager der Ventilatoren und Motoren benötigen spezielle Schmieröle mit hoher Viskosität, um die extremen Temperaturanforderungen zu bestehen und Lagerbrüche zu vermeiden. Darüber hinaus mussten wir auch einen Schutz gegen Tieftemperaturen für die elektrischen Kabel vorsehen und eine spezielle Heizungsanlage für den Schaltschrank und die eingebaute Elektronik integrieren, um ein Einfrieren zu verhindern“, erklärt Udo Brünjes, der damalige Vertriebsleiter bei Güntner.

Der Güntner Rückkühler läuft seit mehr als vier Jahren konstant und ohne Probleme in der Antarktis. Und in Zukunft sind es vielleicht nicht nur Astronauten, die von der Forschung des EDEN-ISS-Projekts profitieren. Laut Vrakking könnte das gewonnene Wissen auch für Gewächshäuser auf der Erde genutzt werden, insbesondere in Polar- oder Wüstenregionen oder an Orten, die von Naturkatastrophen verwüstet wurden.

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