Nachkriegsgebäude auf 40 EE-Standard modernisiert

Serielles Sanieren setzt energetische Maßstäbe

Ende April hat die Kölner Wohnungsgenossenschaft am Vorgebirgspark (WGaV) eG ein Pilot-Projekt abgeschlossen: Erstmals in der deutschen Energiesprong-Historie wurde der ambitionierte Effizienzhausstandard 40 EE erreicht. Das Beispiel zeigt die Potenziale des seriellen Sanierens, das sich sowohl ökologisch als auch ökonomisch rentiert.

Mittels serieller Sanierung hat die Kölner Wohnungsgenossenschaft WGaV ein Bestandsgebäude auf den 40 EE-Standard modernisiert. Das Mehrfamilienhaus in der Schwalbacher Straße 24/26 war wie viele Nachkriegsgebäude unzureichend gedämmt, wurde mit Gas beheizt und verbrauchte fünfmal mehr Energie als heutzutage technisch möglich ist. Nach der seriellen Sanierung erfüllt es bereits heute den hohen Energiestandard, der für Neubauten ab 2025 gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Primärenergiebedarf reduzierte sich von 135 auf 22 kWh/m2/a, die CO2-Einsparung liegt bei 28 t pro Jahr. Die Verbesserung wurde durch die Kombination aus innovativ gedämmter Fassade, regenerativer Energieversorgung und einem effizienten Gebäudebetrieb erreicht.  

Fossilfreie Energieversorgung und Thermohülle

Die ganzheitliche Sanierungslösung wurde vom Kölner Architekturbüro Zeller Kölmel konzipiert, vom Energiebüro vom Stein technisch sowie bauphysikalisch geplant und von Korona Holz & Haus ausgeführt. Zur Optimierung der Energieeffizienz erhielt das Gebäude eine zusätzliche thermische Hülle, die die bestehende Konstruktion wie eine zweite Haut umschließt. In einem ersten Schritt wurden Unebenheiten der Außenwand mit einer 8 cm dicken Dämmschicht aus Mineralwolle ausgeglichen. Als zweite Schicht folgten 28 cm dicke Fassadenelemente aus Holz, die inkl. Zellulosedämmung, Fenstern, Lüftungsgeräten und Leerrohren im Werk vorgefertigt wurden. Eine zusätzliche Luftschicht erhöht den Wärmeschutz und reduziert die Feuchteentwicklung. Der U-Wert der Außenwände konnte durch diesen Aufbau auf ca. 0,12 W/(m2K) gesenkt werden. Komplettiert wird die neue Gebäudehülle durch hochdämmende, vorgefertigte Dachelemente. „Die Fassade ist ein versorgungstechnisches Multitalent, das viel Potenzial für die Weiterentwicklung der seriellen Sanierung bietet. Theoretisch ist es möglich, die technische Versorgung der Wohnungen weitestgehend über die Fassade zu realisieren“, erläutert Jörg vom Stein vom gleichnahmigen Energiebüro.

Zentrale, regenerative Energiequelle des Gebäudes ist eine 64,8 Kilowatt-Peak (kWp) starke Photovoltaikanlage auf dem Dach, die pro Jahr 56.500 kWh Solarenergie erzeugt. Sie versorgt die Luft-Wasser-Wärmepumpen, Lüftungsgeräte, Durchlauferhitzer und einzelnen Wohnungen mit grünem Strom. Im Jahresdurchschnitt erzeugt die Anlage sogar mehr erneuerbare Energie, als die Bewohnerinnen und Bewohner für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom benötigen. Der überschüssige Solarstrom wird ins Netz eingespeist. Aufgrund der niedrigen Vorlauftemperatur der Wärmepumpen wurden die Durchlauferhitzer und Heizkörper gegen neue Geräte ausgetauscht. Zusätzliche Ventilatoren sorgen für eine schnelle Erwärmung. Dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung führen zu weiteren Energieeinspareffekten.   

Kreislaufgerechte Konstruktion

Das viergeschossige Mehrfamilienhaus aus den 60er Jahren ist das erste Energiesprong-Projekt, das die Prinzipien des kreislaufgerechten Bauens in den seriellen Sanierungsansatz integriert. Dazu wurde eine Konstruktion entworfen, die nachhaltig, rückbaubar und recyclingfähig ist. Die Fassadenelemente sind in Holztafelbauweise hergestellt, mit Zellulosedämmung gefüllt und wurden so geplant, dass sich die verbauten Materialien am Ende des Lebenszyklus wieder sauber voneinander trennen lassen. Dies ermöglicht eine weitere Nutzung im Rahmen der zirkulären Bauwirtschaft. Das Projekt in der Schwalbacher Straße wird so zum Materialdepot für Bauvorhaben von morgen. Großen Wert legten die Architekten zudem auf eine hochwertige Fortschreibung des Städtebaus. Gerade im Hinblick auf die architektonisch und qualitativ oft wenig überzeugenden Nachkriegsbauten bietet sich im Rahmen der seriellen Sanierung die Chance, die energetische Modernisierung mit der gestalterischen Optimierung zu verbinden.

Das Projekt startete im März 2022, die energetische Sanierung wurde fristgerecht im September 2022 abgeschlossen, die Fertigstellung der Umfeldmaßnahmen verzögerte sich aufgrund von Lieferproblemen bis April 2023. Die Sanierung erfolgte weitestgehend minimalinvasiv und war dadurch mit vergleichsweise wenig Eingriffen in die bewohnten Wohnungen verbunden. Innerhalb weniger Monate sind 992 m2 klimaneutraler Wohnraum zu weiterhin bezahlbaren Mietpreisen entstanden. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind durch die Sanierung komplett von fossilen Brennstoffen entkoppelt und damit dauerhaft vor steigenden Energiepreisen geschützt. Trotz Erhöhung der Kaltmiete um 1,50 Euro pro Quadratmeter werden die 16 Mietparteien durch Energieseinsparungen und den günstigen grünen Mieterstrom perspektivisch nicht mehr bezahlen als vorher.

Regionale Wertschöpfung

Darüber hinaus ist die serielle Sanierung auch ein Gewinn für die regionale Wirtschaft. Angesichts der zurückgehenden Neubauaktivitäten und des steigenden Modernisierungsdrucks entwickelt sich hier ein wachstumsstarker Markt, der Architekten, Planern, Bauunternehmen und Zulieferern vielfältige Geschäftschancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eröffnet. Laut Bauherr Thomas Meißner, Vorstand der WGaV, hat sich die serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip nicht nur ökologisch, sondern angesichts attraktiver Förderkonditionen auch ökonomisch ausgezahlt. Die Gesamtkosten der energetischen Modernisierung betrugen 1,9 Mio. Euro. Davon wurden 876.000 Euro über das BEG-Programm des Bundes und 235.000 Euro über das Interreg-Programm der EU gefördert. Aufgrund der guten Erfahrungen plant die WGaV bereits das zweite serielle Sanierungsprojekt. In unmittelbarer Nachbarschaft des fertiggestellten Piloten sollen drei fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser mit 30 Wohneinheiten und einer Gesamtfläche von 2.460 m2 seriell auf den klimaneutralen NetZero-Standard gebracht werden. 

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