Schule im Passivhaus-Standard

Moderne Haustechnik sorgt für optimales Raumklima

Die Johann-Pachelbel-Realschule und staatliche Fachoberschule II in Nürnberg ist mit einer hochmodernen Haustechnik ausgestattet, deren nachhaltiges Energiekonzept Erdwärmenutzung, Eigenstromerzeugung, mechanische Lüftung und eine moderne Gebäudeautomation mit Energiemanagement zur optimalen Regelung und Kontrolle beinhaltet. So wird u.a. eine CO2-Überwachung und passende Frischluftmenge gewährleistet. Auf Wunsch lässt sich die Raumluft auch per Knopfdruck „durchspülen“, dann findet ein kompletter Raumluftaustausch innerhalb von nur 15 Minuten statt. Die Überwachung und exakte Analyse aller Vorgänge wird dabei für jedes einzelne Klassenzimmer von der Gebäudeleittechnik übernommen.

Laut Statista gab es in Deutschland im Schuljahr 2019/2020 insgesamt 32.332 allgemeinbildende Schulen. Viele davon sind in Gebäuden untergebracht, die in die Jahre gekommen sind und damit heutigen Anforderungen an Energieeffizienz und lernfördernde Raumbedingungen nicht mehr genügen. Die Immobilien verbrauchen alters- und bauartbedingt oft überdurchschnittlich viel Energie für Heizung sowie Strom. Zudem beeinträchtigt das häufig schlechte Raumklima das Leistungsvermögen der Schüler, z. B. durch eine Überwärmung im Sommer oder eine durch unzureichende Lüftung bedingte zu hohe CO2-Konzentration.

Ganz anders ist dies beim Neubau der Johann-Pachelbel-Realschule und staatlichen Fachoberschule II in Nürnberg. Das im Jahr 2017 auf dem Gelände Rothenburger Straße 401 fertiggestellte Gebäude setzt neue Maßstäbe hinsichtlich Energieverbrauch und Lernkomfort: Der Schulkomplex mit einer Nutzfläche von 16.000 m² und insgesamt 108 Klassenzimmern wurde im Passivhaus-Standard errichtet.

Das Gebäude wurde durch das Bauunternehmen Georg Reisch GmbH & Co. KG aus Bad Saulgau nach Entwürfen des Stuttgarter Architekturbüros Lederer Ragnarsdóttir Oei (LRO) erbaut. Der Passivhaus-Standard gewährleistet ein behagliches Innenklima zu allen Jahreszeiten bei minimalem Energieeinsatz. Neben der Planungs- und Bauleistung beinhaltet der Vertrag einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP), die die Stadt Nürnberg für den Bau geschlossen hat, auch den Betrieb des Gebäudes über 25 Jahre.

Schule mit Sole-Wasser-Wärmepumpe

Der H-förmige Bau mit 21.500 m² Bruttogeschossfläche verfügt über eine vorgehängte, hochwärmegedämmte Ziegelfassade sowie eine umfassende Dachbegrünung und beherbergt insgesamt 108 Klassenzimmer für etwa 1.350 Schüler. Auch bei der Haustechnik wurde keine Standardlösung verbaut. „Eine energieeffiziente Wärme- und Kälteerzeugung, eine Photovoltaik-Anlage, eine kontrollierte Lüftung und eine moderne Gebäudeautomation mit Energiemanagement gehören zum nachhaltigen Energiekonzept“, erläutert Stefan Müller, Objektleiter bei Sauter FM. Das Unternehmen ist seit August 2017 mit dem Facility Management der Schule beauftragt und stellt seither den reibungslosen Betrieb sowie ein optimales Energiemanagement sicher.

„Als erste kommunale Schule in Süddeutschland erfolgt die Wärme- und Kälteerzeugung mittels einer Erdwärmepumpe“, so Müller weiter. Im Heizbetrieb leistet diese 311 kW, im Kühlbetrieb 254 kW. Für die Soleanlage wurden 59 Erdsonden bis in 70 m Tiefe verlegt – das entspricht knapp 4.200 Bohrmetern. Zur Abdeckung der Spitzenlast verfügt das Schulzentrum zusätzlich über einen Gas-Brennwert-Kessel (314 kW im Heizbetrieb 50/30 °C).

In den Klassenzimmern erfolgt die Klimatisierung mit Heiz-/Kühldecken, die mit Einzelraum-Lüftungsgeräten für die Frischluftzufuhr ergänzt wurden. Die Frischluftmenge und Luftqualität werden automatisch entsprechend der Nutzungsintensität angepasst, sodass ein CO2-Grenzwert von 1.000 ppm nicht überschritten wird. Das garantiert optimale Voraussetzungen für die Gesundheit und das Leistungsvermögen der Schüler. Sofern vom Nutzer gewünscht, ist es darüber hinaus möglich, die Raumluft durch Drücken des Schalters am Raumbediengerät „durchzuspülen“ – das heißt, sie innerhalb von 15 Minuten komplett auszutauschen – eine Funktion, die gerne während der Pausenzeiten genutzt wird.

Die Gebäudeleittechnik überwacht alle Vorgänge und erlaubt eine exakte Auswertung des Raumkomforts für jedes Klassenzimmer. So kann in der Gebäudemanagementsoftware „Sauter Vision Center“ bspw. der Verlauf der CO2-Konzentration visualisiert und damit überprüft werden, ob die Raumluftqualität den Erwartungen entspricht. Auch der Temperaturverlauf in den Zimmern wird angezeigt.

Geringer Primärenergieeinsatz bestätigt

Die Daten aus dem umfangreichen Energiemanagement der Johann-Pachelbel-Realschule und staatlichen ­Fachoberschule II zeigen deutlich, dass der Passivhaus-Standard nicht nur für Wohngebäude ein überzeugendes Konzept darstellt. Die Verbrauchswerte der Schule sind extrem niedrig. So werden für die Beheizung nur 11,5 kWh/m²/a an Endenergie (Gas und Strom) benötigt. Der Gas-Anteil (Kessel) beträgt hierbei 9,0 kWh/m², der elektrische Verbrauch der Wärmepumpe macht 2,5 kWh/m² aus. Trotz des geringen Stromverbrauchs deckt die Wärmepumpe 60 bis 79 % des Wärmebedarfs im Gebäude ab und zeigt den Mehrwert des Systems.

Erfreulich ist auch der Blick auf die CO2-Bilanz des Gebäudes. Die auf dem Dach installierte PV-Anlage lieferte im vergangenen Jahr einen Stromertrag von 54,5 MWh, das entspricht 10 % des gesamten Strombedarfs und ist mehr als für den Betrieb der Wärmepumpe benötigt wird – ein beachtliches Ergebnis sowohl im Hinblick auf die CO2-Emission als auch die anfallenden Nebenkosten.

„Das Projekt und die bisherige Zusammenarbeit wird von allen Beteiligten als sehr erfolgreich bewertet“, resümiert Müller. „Dieses Ergebnis nährt die Hoffnung, dass die Johann-Pachelbel-Realschule / staatliche Fachoberschule II als Leuchtturmprojekt für zukünftige Neubauten und Sanierungen weiterer Schulgebäude dienen wird. Hier liegt hinsichtlich Energieeffizienz, Betriebskosten, Umweltschutz sowie Gesundheit und Lernerfolg der Schüler bundesweit ein großes, aktuell nicht ausgeschöpftes Potenzial.“

Interview

tab fragt nach

Claudius Reiser ist Produktmanager Energieeffizienzmaßnahmen bei Sauter Deutschland und erläutert u. a., welche Möglichkeiten es für eine Nachrüstung von Gebäudeautomation im Bestand gibt.

tab: Der geschilderte Einsatz moderner Haustechnik in diesem Umfang ist selbst für Schul-Neubauten ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Entscheidung, die ja auch mit einem gewissen Investitionsvolumen verbunden ist?
Claudius Reiser: Dies war ganz klar eine politische Entscheidung. Genaue Kenntnisse liegen uns als ausführendes Unternehmen nicht vor. Hier müsste Kontakt mit der Stadt Nürnberg, die die Ausschreibung entsprechend geformt hat, aufgenommen werden. Klar ist aber auch, dass die öffentliche Hand Vorbildfunktion hat und dieser gerecht werden muss. Energiewende und Klimaneutralität setzen die gesetzlichen Rahmenbedingungen innerhalb derer Kommunen den Gebäudebestand weiterzuentwickeln haben. Unter diesen Rahmenbedingungen wurde auch das Konzept der JP-Realschule erarbeitet.
 
tab: Wer hat Zugriff auf die Gebäudeleittechnik bzw. wird diese automatisch oder manuell gesteuert? Wie wird der Zugriff von Unberechtigten verhindert?
Claudius Reiser:
Die Steuerung der Gebäudeleittechnik erfolgt automatisch und wird in Absprache mit den Nutzern und Eigentümer nach den gebäudetechnischen Vorgaben und Bedürfnissen angepasst. Zugang und Änderungen erfolgen nur über Berechtigte (Zugangsberechtigung: Errichter/Wartungsfirma - SCU, SFM).
 
tab: Ist eine Fernwartung der Systeme möglich? Wenn ja, in welchem Umfang?

Claudius Reiser: Nein. Eine Fernwartung wird nicht durchgeführt.
 
tab: Der Sanierungsbedarf ist bei vielen Schulen hoch. Ist in diesem Bereich die Nachrüstung einer GLT oder einer anderen Form der Gebäudeautomation möglich? Wie wäre in solchen Fällen das Verhältnis von Aufwand/Kosten und Nutzen/Rentabilität? Und lassen sich die gleichen Vorteile erreichen wie bei Neubauten?
Claudius Reiser:
Auch für den Gebäudebestand gibt es diverse Möglichkeiten der Gebäudeautomation Energie einzusparen. Eine pauschale Antwort zum Kosten/Nutzenverhältnis ist ohne eine detailliertere Betrachtung der gesuchten Lösung und der dafür erforderlichen Aufwendungen in der baulichen Umsetzung nicht möglich. Es gibt einige Sauter-Lösungen, die in einem sehr interessanten Kosten/Nutzen-Verhältnis auch im Gebäudebestand stehen. Hier sprechen wir von Amortisationszeiten von 3-4 Jahren. Wünscht der Kunde erweiterte Funktionalitäten im Bereich Raumkomfort, Überwachung des Anlagenbetriebes, Sicherheit und Energiemanagement, so sind höhere Aufwendungen in der Erstinves-tition erforderlich, da die bauliche Situation hierzu deutlich aufgewertet werden muss.

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