A2L-Kältemittel

Was sie sind und warum wir sie brauchen

Die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Kältemittel auf FKW- und H-FKW-Basis mit ihren relativ hohen GWP-Werten führt zu einem Umdenken in der Kälte- und Klimabranche. Hydrofluorolefine (HFO) bieten sich als eine mögliche Alternative an. Dazu ist das Thema Brennbarkeit von Kältemitteln zu berücksichtigen. Denn es gibt Unterschiede bei HFO-Kältemitteln.

Globale, kontinentale, nationale oder sogar regionale Vorschriften, die zur Bekämpfung des Klimawandels erlassen wurden, erfordern den Umstieg der Kälte- und Klimatechnik auf Kältemittellösungen mit verringertem Treibhauspotential (Global Warming Potential, GWP). Auf internationaler Ebene haben die Änderungen von Kigali (Kigali-Amendment) zum Montrealer Protokoll die Rahmenbedingungen für einen weltweiten schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung von H-FKW-Kältemitteln, basierend auf Ausgangsmengen und Zeitrahmen, festgelegt (Bild 1). Im Endergebnis müssen die teilnehmenden Länder ihren nach GWP-gewichteten Verbrauch an FKW/H-FKW auf 15 bis 20 % des jeweils definierten Ausgangswerts reduzieren. Stand April 2019 wurde das Kigali-Amendment von 60 Ländern ratifiziert und trat am 1. Januar 2019 in Kraft.

Die Vorgaben des Kigali-Amendments werden derzeit in vielen Teilen der Welt in regionale und nationale Regelungen überführt. Die Kigali vorausgegangene Europäische F-Gas-Verordnung hat bereits eine schrittweise Reduktion des H-FKW-Verbrauchs in Europa festgelegt, die an anwendungsspezifische GWP-Grenzwerte gebunden ist, die in den nächsten Jahren in Kraft treten werden. Japan und Kanada haben ebenfalls anwendungsspezifische GWP-Grenzwerte definiert. In den USA hat die EPA verschiedene SNAP-Regeln verabschiedet, die Alternativen mit verringertem GWP zulassen. Andere Länder und Regionen entwickeln unterschiedliche Ansätze. Allen gemeinsam ist jedoch, dass der GWP der in der Kälte- und Klimatechnik verwendeten Kältemittel signifikant reduziert werden muss, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.

Es wurden innovative neue Kältemittel wie Hydrofluorolefine (HFOs) entwickelt, die einen signifikant verringerten GWP-Wert besitzen als H-FKW. Diese und andere Alternativen, z.B. Kohlenwasserstoffe, Blends etc., sind mehr oder weniger brennbar. Daher hat sich die Kälte- und Klimatechnik in den letzten Jahren auf den Einsatz brennbarer Kältemittel vorbereitet. Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über einige neuentwickelte Low-GWP-Kältemittel und nennt Schlüsselfaktoren, die beim Umgang mit brennbaren Kältemitteln berücksichtig werden müssen. Sicherheitsklassen und Brennbarkeitsparameter sowie ihre Auswirkungen auf die Kältemittelwahl werden ebenfalls behandelt. Zudem werden die Auswirkungen von Vorschriften und Normen beleuchtet.

Die richtige Balance finden

Fluorkohlenwasserstoffe (FKW, H-FKW) – Produkte wie R134a, R404A und R410A – dienten fast drei Jahrzehnte lang als Ersatz für die ozonschichtzerstörenden Kältemittel wie FCKW oder H-FCKW. Viele dieser Ersatzstoffe besitzen jedoch einen relativ hohen GWP-Wert und stehen daher im Fokus regulatorischer Anstrengungen zur Reduktion des Umwelteinflusses von Kältemittelemissionen. Mehrere nicht brennbare, auf der HFO-Technologie basierende Kältemittel mit verringertem GWP wurden entwickelt (Tabelle 1) und erfolgreich im Markt eingeführt, darunter Opteon XP41 (R463A), XP40 (R449A), XP44 (R452A), XP10 (R513A) sowie XP30 (R514A). Während diese Produkte aufgrund ihrer höheren Kälteleistung und deutlich geringeren GWP-Werte einen signifikanten Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Kälte- und Klimaanlagen leisten, erfüllen einige von ihnen nicht die strengsten regulatorischen Vorgaben, die einen GWP von weniger als 150 erfordern. Derzeit gibt es keine nicht brennbaren Very-Low-GWP-Alternativen mit Drücken vergleichbar R22, R404A und R410A. Für zahlreiche bestehende Anwendungen muss die Branche daher auf brennbare Optionen, z.B. „Opteon“-XL-Produkte, zurückgreifen, um zukünftige regulatorische Anforderungen zu erfüllen (A2L-Alternativen in Tabelle 1).

Alternativen zu bestehenden H-FKW mit hohem GWP sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz. Industriegase wie Kohlenwasser­stoffe, Ammoniak (R717) und CO2 haben einen geringen GWP und finden immer häufiger Verwendung. Diese Produkte bringen jedoch auch Einschränkungen mit sich. So sind Kohlenwasserstoffe hoch brennbar (Sicherheitsklasse A3 gemäß ISO 817-2014, vgl. auch ANSI/ASHRAE Norm 34-2016), was ihren Einsatz üblicherweise auf geringe Kältemittelfüllmengen in steckerfertigen Anlagen beschränkt. Ammoniak hat eine höhere Toxizität, ist gering brennbar (Sicherheitsklasse B2L), und nicht mit allen Werkstoffen verträglich. Es kommt vor allem in industriellen Anwendungen zum Einsatz. CO2 ist nicht brennbar, es erfordert jedoch hohe Druckbereiche und hat eine relativ niedrige kritische Temperatur (31 °C), was den Einsatz und die Effizienz in bestimmten geographischen Regionen beeinträchtigt. Zudem erfordern die genannten Produkte signifikante Designänderungen im Vergleich zu bestehenden H-FKW-Systemen.

Angesichts der für Industriegase geltenden Einschränkungen und mangels nicht brennbarer Alternativen mit sehr niedrigem GWP-Wert für zahlreiche Anwendungen waren neue und andere Lösungen erforderlich. Die Branche fragte sich, ob neue Kältemittel entwickelt werden könnten, die die gegensätzlichen Anforderungen an Kälte- und Klimasysteme besser ausbalancieren? Lassen sich Substanzen finden, die einen sehr niedrigen GWP haben und zugleich die mit dem Einsatz hochbrennbarer Kältemittel verbundenen Risiken reduzieren und im Gegensatz zu den Industriegasen nur geringfügige Anlagenmodifikationen erfordern? Die Antwort auf diese Fragen lautet: „Ja!“

HFO sind neu in der Kälte- und Klimatechnik. Während sie innerhalb von Kälte- und Klimasystemen chemisch stabil sind, werden sie in der Atmosphäre schnell abgebaut und besitzen daher einen sehr niedrigen GWP und einen geringen Umwelteinfluss. Einige HFO haben sogar einen noch niedrigeren GWP als Industriegase wie CO2. Einige HFO sind nicht brennbar (Sicherheitsklasse A1), erfordern jedoch geringe Drücke, vergleichbar mit R123. Andere sind gering brennbar (Sicherheitsklasse A2L) und erfordern mittlere Drücke, ähnlich wie R134a. Auch wenn HFO vielversprechende Low-GWP-Alternativen zu FKW und H-FKW sind, haben sie eine deutlich geringere Kälteleistung als derzeit verwendete Produkte mit hohen Druckbereichen (z.B. R22, R404A oder R410A) und können diese in zahlreichen Anwendungen nicht direkt ersetzen. Daher werden sie oft mit H-FKW zu Blends mit verringertem GWP gemischt (z.B. „Opteon“). Viele dieser Blends sind gering brennbar (Sicherheitsklasse A2L).

Es gibt zwei Hauptgruppen von brennbaren Kältemitteln, die die Anforderungen an Alternativen mit verringertem GWP für zahlreiche Kälte- und Klimaanwendungen erfüllen: A3-Kältemittel (z.B. Kohlenwasserstoffe) und A2L-Kältemittel, vor allem H-FKW R32, HFO und HFO-basierende Blends. Auch wenn alle vorher genannten Produkte brennbar sind, bestehen teils große Unterschiede in der Sicherheitsklasse und den Brennbarkeitsparametern. Sie haben Einfluss auf ihre sichere Verwendung und die damit in Zusammenhang stehenden relativen Gefahren.

Sicherheitsklassen und Brennbarkeitsparameter

Die Sicherheitsklassen für Kältemittel basieren auf den in ISO 817-2014 und ANSI/ASHRAE Standard 34-2016 festgelegten Anforderungen an Toxizität und Brennbarkeit. Die Toxizität ist in zwei Klassen unterteilt: A steht für geringere, B für höhere. Kältemittel mit einer höheren Toxizität wie R123 und R717 sind üblicherweise auf indirekte Systeme beschränkt, z.B. Chiller in separaten Maschinenräumen. Die Brennbarkeit ist in vier verschiedene Klassen unterteilt: Klasse 1, Klasse 2L, Klasse 2 und Klasse 3. Kohlenwasserstoffe wie Propan oder Isobutan sind in die Sicherheitsklasse A3 eingestuft. Zahlreiche HFO und HFO-basierende Blends sowie einige H-FKW sind in die Sicherheitsklasse A2L eingestuft. Bild 2 gibt eine Übersicht über die verschiedenen Sicherheitsklassen für Kältemittel und erläutert die Kriterien für die Beurteilung der Brennbarkeit.

Eine Voraussetzung für die Einstufung als brennbares Kältemittel (Sicherheitsklassen 2L, 2 und 3) ist, dass bei Tests gemäß ASTM E681 „Standard Test Method for Concentration Limits of Flammability of Chemicals (Vapours and Gases)“ (2002) eine Flammausbreitung auftritt. Es ist jedoch zu beachten, dass sich einige der aufgrund der fehlenden Flammausbreitung als nicht brennbar und damit in Sicherheitsklasse 1 eingestuften Kältemittel bei Kontakt mit offenem Feuer zersetzen können. Betrachtet man die Testanforderungen für jede Klasse ist es für Außenstehende schwer zu beurteilen, wie die einzelnen Klassen das Anlagendesign und die Sicherheit beeinflussen. Die Testanforderungen nennen auch einige Brenn­bar­keits­para­meter, darunter Untere Entzündbarkeitsgrenze (UEG), Verbrennungswärme (HOC, Heat of Combustion) sowie Brenngeschwindigkeit (Su). Ein Vergleich von Brennbarkeitsparametern ist unerlässlich, um den relativen Einfluss verschiedener Kältemittel auf Anlagendesign und Sicherheit objektiv zu beurteilen. Tabelle 2 zeigt die wichtigsten Brennbarkeitsparameter sowie die Eigenschaften von R1234yf, R32 und R290 – R1234yf ist ein HFO, R32 ein H-FKW. Beide sind in die Sicherheitsklasse A2L eingestuft und kommen als Ersatz für Kältemittel mit hohem GWP oder als Bestandteil von Blends zum Einsatz. R290 bzw. Propan (Sicherheitsklasse A3) ist ein Kohlenwasserstoff, der z.B. bereits seit vielen Jahren in steckerfertigen gewerblichen Gefriertruhen Verwendung findet.

Entzündbarkeitsgrenzen, ASTM E681 und ASTM D3065

Entzündbarkeitsgrenzen werden mithilfe der oben genannten Testmethode ASTM E681 ermittelt. Alle brennbaren Kältemittel, ob gering (A2L) oder hoch (A3) brennbar, zeigen eine Flammausbreitung und haben daher eine untere (UEG bzw. LFL – Lower Flammability Limit) und obere Entzündbarkeitsgrenze (OEG bzw. UFL – Upper Flammability Limit). Diese Grenzen definieren die minimale bzw. maximale Konzentration einer Substanz in Luft, die zu einer Flammausbreitung führen kann. Unterhalb der UEG ist die Konzentration nicht hoch genug, um eine Flamme aufrechtzuerhalten. Oberhalb der OEG ist die Konzentration zu hoch, und es ist zu wenig Sauerstoff in der Luft.

Je niedriger die UEG, desto höher die Gefahr, weil eine Leckage schneller zu einer brennbaren Konzentration führen kann. Je größer der Unterschied zwischen OEG und UEG, desto breiter ist das Fenster an möglichen Konzentrationen, bei denen es zu einer Entzündung kommen kann.

Wie Tabelle 2 zeigt, hat R290 eine signifikant niedrigere UEG als R32 und R1234yf. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach einer Leckage eine zündfähige Konzentration entsteht, bei R290 potentiell höher.

Da Kohlenwasserstoffe in die Sicherheitsklasse A3 eingestuft sind und somit üblicherweise niedrigere Entzündbarkeitsgrenzen haben als A2L-Kältemittel, ist dies ein durchaus übliches Verhalten. Zudem haben diese Moleküle generell eine niedrigere Molmasse als A2L-Moleküle. Dies bedeutet, dass schon eine geringere Menge ausreicht, um eine zündfähige Konzentration zu erreichen. Dies ist wichtig für das Anlagendesign, denn es hat wesentlichen Einfluss auf die Füllmenge.

Der mögliche Einfluss der unterschiedlichen UEG bei Leckageszenarien lässt sich mithilfe von ASTM D3065 „Standard Test Methods for Flammability of Aerosol Products (2001)“ leichter veranschaulichen. Diese Norm sieht einen Test zur Prüfung der Flammenlänge vor, um das möglicherweise von einem Aerosol ausgehende Brandrisiko zu beurteilen. Dazu wird das Aerosol mit­hilfe einer Sprühflasche über einer brennenden Kerze versprüht. Entsteht eine Flamme, wird ihre Ausdehnung gemessen und aufgezeichnet. R1234yf, R32 und R290 wurden mithilfe dieser Methode getestet. Wurde die Flasche beim Sprühen in aufrechter Position gehalten, erlosch die Kerze durch alle drei Kältemittel. Auch wenn die Kältemittelkonzentrationen nicht gemessen wurden, kann daraus geschlossen werden, dass das über die Flamme gesprühte Kältemittel-/Luftgemisch in allen drei Fällen vor dem Erlöschen der Kerze nicht die UEG erreicht hat. Da es sich um Mittel- bis Hochdruckkältemittel handelt, hat sich das Gemisch jeweils mit hoher Geschwindigkeit bewegt und so vermutlich zum Löschen der Flamme beigetragen. In einem zweiten Szenario wurde die Sprühflasche so gedreht, dass das Kältemittel nicht als Dampf, sondern als Flüssigkeit in die Düse gelangt. Dies führte zu einem Anstieg der Kältemittelkonzentration im Sprühstrahl. Bei beiden A2L-Produkten (R1234yf und R32) wurde die Kerze in allen Testdurchgängen gelöscht. Dies lässt wiederum darauf schließen, dass die UEG nicht erreicht wurde, während die Flamme noch brannte. Bei Propan (R290) dagegen entstand eine große Flamme – wie in Bild 3 zu sehen. Dies deutet darauf hin, dass hier ein zündfähiges Kältemittel-/Luftgemisch entstanden ist. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass A2L-Kältemittel zwar schwerer zu entzünden sind als A3-Kältemittel, eine offene Flamme kann aber jedes brennbare Kältemittel entzünden, sobald eine brennbare Konzentration in Luft vorliegt.

Mindestzündenergie und ASTM E582

Die Mindestzündenergie (MZE) ist ein weiterer wichtiger Brennbarkeitsparameter, den es bei der Auslegung von Kälteanlagen zu berücksichtigen gilt. Die Mindestzündenergie ist die niedrigste Energie, die ausreicht, um ein zündfähiges Brennstoff-/Luftgemisch zu entzünden. Zündquellen mit einer geringeren Zündenergie führen nicht zu einer Entzündung. Kohlenwasserstoffdämpfe sind sehr leicht entzündlich, manchmal reichen schon geringste Energiemengen, z.B. durch statische Entladung. Bild 4 zeigt drei Moment­aufnahmen einer Entzündung von Propan bei 1 mJ gemäß ASTM E582-2013. Wie in Tabelle 2 dargestellt, ist die MZE von R290 um Größenordnungen niedriger als der Wert, der zur Zündung von A2L-Kältemitteln erforderlich ist. Dieser Unterschied ist ein wichtiger Faktor für die Sicherheit und das Anlagendesign, denn Bauteile, die für A3-Kältemittel eine mögliche Zündquelle darstellen, stellen bei A2L-Kältemitteln oft keine Gefahr dar. Dies wird im Abschnitt Branchenaktivitäten und Bedeutung für Vorschriften und Normen näher erläutert.

 

Brenngeschwindigkeit und Butanfeuerzeugtests

Die laminare Brenngeschwindigkeit Su ist die „maximale Geschwindigkeit (in./s [cm/s]), mit der sich eine ebene Flamme senkrecht zu ihrer Oberfläche in einem ruhenden Gemisch aus Luft und Brennstoff ausbreitet“ (ANSI/ASHRAE 34-2016). Diese Eigenschaft wird zur Klassifizierung von A2L Kältemitteln verwendet, deren Brenngeschwindigkeit ≤ 10 cm/s betragen muss. Aus Tabelle 2 ist ersichtlich, dass R290 wie andere Kohlenwasserstoffe einen signifikant höheren Su-Wert hat als A2L-Kältemittel. Dies hat Auswirkungen auf die Sicherheit, denn höhere Brenngeschwindigkeiten können auch ein höheres Risiko bedeuten. Eine Entzündung von A3-Kältemitteln mit höherer Brenngeschwindigkeit kann zu einer schnelleren Flammausbreitung führen. Daraus kann ein schnellerer Druck­anstieg resultieren, was wiederum die Heftigkeit des Ereignisses erhöht.

Auch wenn sie nicht explizit zur Bestimmung der Brenngeschwindigkeit oder des Druckanstiegs aufgenommen wurden, können nebeneinander­gestellte Bilder aus Videos von Butanfeuerzeugtests einen Eindruck der unterschiedlichen Brenngeschwindigkeiten und Druckanstiege verschiedener Kältemittel vermitteln. Bei diesem Versuchsaufbau wird ein entflammtes Butanfeuerzeug von unten in einen mit einem brennbaren Kältemittel gefüllten vertikalen Behälter eingebracht. Die Flamme wandert im Inneren des Behälters nach oben und hebt einen lose auf der Testanordnung aufliegenden Gummistopfen an, um den Druckanstieg auszugleichen. „Worst-Case-Konzentrationen“ von R1234yf, R32 und R290, die geringfügig über dem für jedes Kältemittel geltenden stöchiometrischen Wert lagen, wurden in den Behälter eingebracht und entzündet. Tabelle 3 fasst die in den Tests verwendeten Konzentrationen zusammen. Die Füllmengen der A2L-Produkte waren mehr als fünfmal so hoch wie die Füllmenge für R290. Bild 5 zeigt die Versuchsanordnung für jedes Kältemittel 0,083 s nach der Entzündung. Zu diesem Zeitpunkt hat R1234yf mit der niedrigsten Brenngeschwindigkeit die kleinste Flamme erzeugt. R32, das mit 6,7 cm/s eine höhere Brenngeschwindigkeit hat, entwickelt eine größere Flammausbreitung. Bei R290, mit einer signifikant höheren Brenngeschwindigkeit, hat die Flamme bereits den gesamten Behälter eingenommen, ist an der Oberseite ausgetreten und über den Sichtbereich der Kamera hinausgegangen. Bereits vorher hat der durch die Entzündung von R290 bedingte Druckanstieg den Gummistopfen mit hoher Geschwindigkeit aus dem Behälter geschleudert, so dass er von der Oberseite des Laborabzugs abgeprallt ist. Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass die Flamme bei jeder Kältemittelentzündung den gesamten Behälter eingenommen und der Druckanstieg den Stopfen angehoben hat. Bei R1234yf und R32 breiteten sich die Flammen jedoch viel langsamer aus und der Stopfen wurde nur leicht angehoben – er landete auf der Behälteroberseite anstatt gegen den Laborabzug geschleudert zu werden.

 

Verbrennungswärme, „Hot Surface Ignition Temperature“ und Glühdrahtprüfung

Die Verbrennungswärme (HOC, Heat of Combustion) ist die Wärme pro Masseneinheit, die bei der Verbrennung eines Stoffes freigesetzt wird. Je höher der HOC-Wert, desto größer ist das Risiko, denn dies kann bei einer Entzündung zu höheren Temperaturen führen und das Ausmaß verschlimmern. R290 hat einen ca. viereinhalb- bis fünfmal höheren HOC-Wert als A2L-Kältemittel.

Ein weiterer, bisher noch nicht genannter Parameter für die Brennbarkeit eines Kältemittels, der derzeit von der Kälteindustrie untersucht wird, ist die sogenannte „Hot Surface Ignition Temperature“ (HSIT). Brennbare Kältemittel können sich bei Kontakt mit heißen Oberflächen entzünden. Dies muss z.B. bei der Auswahl von elektrischen Widerstandsheizungen für den Einsatz in einer Kälte- oder ­Klimaanlage beachtet werden. Obwohl kein HSIT-Test, kann eine Glühdrahtprüfung dazu verwendet werden, die Auswirkungen eines elektrischen Heizgeräts auf eine bestimmte Kältemittelkonzentration zu simulieren. Es wurden Versuche mit R1234yf, R32 und R290 durchgeführt. „Worst-Case-Konzentrationen“ jedes Kältemittels wurden in einen horizontalen Behälter eingebracht (Tabelle 4). Dabei waren die Füllmengen der A2L-Kältemittel viereinhalb- bis fünfmal so hoch wie die von Propan. Ein Glühdraht wurde zwei Minuten bzw. so lange erhitzt, bis es zur Zündung kam. Ein Gummistopfen auf der rechten Seite des Behälters dient zum Druckausgleich im Falle einer Zündung. Der Glühdraht erreicht Temperaturen von ca. 500 bis 700 °C. Bei R1234yf und R32 wurde der Draht zwei Minuten lang erhitzt, ohne dass es zu Zündungen kam. Bei R290 jedoch wurde 3,53 s nach Aktivierung des Glühdrahts eine Zündung ausgelöst. Die in Bild 6 dargestellten Momentaufnahmen zeigen den Beginn des Versuchs (links) sowie den Zustand 0,066 s nach erstmaligem Auftreten einer Flamme (rechts).

 

Branchenaktivitäten und Bedeutung für
Vorschriften und Normen

In den letzten Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, um den sicheren Einsatz brennbarer Kältemittel und die Unterschiede in der Brennbarkeit verschiedener Sicherheitsklassen (z.B. A2L vs. A3) besser zu verstehen. Die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen dienen als Basis für die Schaffung von Vorschriften und Normen für die gesamte Kälte- und Klimatechnik. Sie haben direkten Einfluss auf die Kältemittel-Füllmengen und andere Maßnahmen, die dazu beitragen, das mit Kältemittelleckagen verbundene Risiko zu minimieren bzw. zu eliminieren.

So berücksichtigt z.B. ISO 5149-1 (2014) die unterschiedlichen Sicherheitsklassen bei der Festlegung von Höchstfüllmengen. Sie legt variable Grenzwerte für m1, m2 und m3 fest, die an verschiedene Risikominderungsmaßnahmen gebunden sind, wobei sich die Obergrenzen an den UEG der einzelnen Kältemittel orientieren. Für brennbare A2L-Kältemittel liegen diese Obergrenzen um einen Faktor von 1,5 höher als für Kältemittel der Sicherheitsklassen A2 und A3, „unter Berücksichtigung der geringeren Brenngeschwindigkeiten dieser Kältemittel, die ein geringeres Entzündungs- und Explosionsrisiko mit sich bringen“. Tabelle 5 zeigt Beispiele für mögliche, auf den in ISO 5149 festgelegten Grenzwerten basierenden Füllmengen für die in diesem Bericht getesteten Kältemittel. Die Füllmengen bei den A2L-Kältemitteln sind ca. elf- bis zwölfmal höher als bei Propan. Zahlreiche weitere Sicherheitsstandards sehen ebenfalls Höchstfüllmengen vor, die auf den UEG der Kältemittel basieren. Daher können mehr Anwendungen für A2L-Kältemittel entwickelt werten als für A3-Kältemittel.

Eine kürzlich von der AHRI durchgeführte Untersuchung (AHRI-Report Nr. 8017-2017) beschäftigt sich mit möglichen Zündquellen in Wohngebäuden. Sie kam zu dem Schluss, dass viele übliche Zündquellen nicht zu einer Entzündung von A2L-Kältemitteln führen würden – mit Ausnahme der folgenden: glühender Draht, Sicherheitszündholz, Einbringen einer Feuerzeugflamme und direkt auf eine Kerzenflamme gerichtete Leckage. Derzeit werden Sicherheitsstandards entwickelt, die zwischen Zündquellen für A2L-Kältemittel und solchen für A2- und A3-Kältemittel unterscheiden. So enthält die 6. Ausgabe der IEC 60335-2-40 von 2018 Hilfen zur Entscheidung, ob ein bestimmtes Bauteil eine Zündquelle für ein A2L-Kältemittel darstellt. Sie basieren auf dem Einsatz von flammensicheren Einhausungen, dem Erstickungseffekt und der Größe der Öffnung bzw. der Höhe der elektrischen Schaltlast. Da zahlreiche Bauteile, die eine potentielle Zündquelle für A3-Kältemittel sein können, für A2L-Kältemittel keine Zündquellen darstellen, steht eine größere Auswahl an elektrischen Bauteilen für die Auslegung von Systemen mit schwer entflammbaren A2L-Kältemitteln zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es derzeit weitere Arbeiten, die darauf abzielen, den Einsatz von brennbaren Kältemitteln in Kälte- und Klimaanwendungen weiter voranzutreiben.

 

Fazit

Aktuelle Regelungen zur Verringerung der Auswirkungen von Kältemittelemissionen auf die Umwelt zwingen die Kälte- und Klimatechnik zum Einsatz von brennbaren Kältemitteln. Hinsichtlich ihrer Eigenschaften besitzen die gering brennbaren A2L-Kältemittel günstigere Brennbarkeitsparameter als A3-Kältemittel. Dies ermög­licht höhere Füllmengen sowie eine einfachere Integration von elektrischen Bauteilen in das Anlagendesign.

Aufgrund der Entwicklung von A2L-Kältemitteln (z.B. die Produkte der „Opteon XL“-Reihe) ist die Kälte- und Klimatechnik in der Lage, die strengen GWP-Vorgaben in einer noch größeren Zahl von Anwendungen zu erreichen. Es wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um die Unterschiede in der relativen Sicherheit der Kältemittel aufzuzeigen und zu demonstrieren, wie sie sicher eingesetzt werden können.

Letztendlich hängt der erfolgreiche Einsatz von brennbaren Kältemitteln davon ab, dass die Erkenntnisse aus dieser Forschung in Bezug auf Vorschriften und Produkt- bzw. Sicherheitsnormen richtig integriert werden.

Darüber hinaus sind in der Kälte- und Klimaindustrie umfangreiche Schulungsmaßnahmen erforderlich, vor allem im Servicebereich.

Info

„Opteon“-Kältemittel

Das „Opteon“-Kältemittelportfolio bietet eine optimale Kombination aus Nachhaltigkeit, Leistung, Sicherheit und Kosteneffizienz und trägt dazu bei, die Anforderungen aktueller Verordnungen zu erfüllen und gesteckte Geschäftsziele zu erreichen.

Vor allem in Europa treibt die „Opteon XL“-Reihe an Kältemitteln mit sehr niedrigem GWP die von der F-Gas-Verordnung geforderte Umstellung voran und ermöglicht Kunden die Wahl der für sie am besten geeigneten Lösung hinsichtlich Leistung, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Gesamtbetriebskosten.

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