Auf Holz gebaut
Neubau für die Stadtwerke LübeckNachhaltigkeit, Effizienz und Klimaschutz – Aspekte, die vielerorts besprochen, doch selten gelebt werden. Die Stadtwerke in Lübeck gehen mit gutem Beispiel voran. Mit dem Bau ihrer neuen Unternehmenszentrale als Passiv-Energiehaus in Holz-Bauweise erfüllen sie nicht nur energetisch höchste Standards, sondern bieten über 400 Mitarbeitern moderne Büros in einer einzigartigen Atmosphäre.
Lebhaftes Fassadenbild
Glas, Grün, Fichten- und Lärchenholz bestimmen die Fassadengestaltung und dokumentieren das umweltfreundliche Image der Stadtwerke Lübeck nach außen hin. In den Brüstungs- und Sturzbereichen kam eine unbehandelte, glatte Lärchenholzschalung in Nut-Feder-Konstruktion zum Einsatz. Der nachwachsende Rohstoff ist durch die PEFC-Zertifizierung nicht nur besonders ökologisch, sondern besitzt zudem sehr gute Dämmeigenschaften und das bedeutet geringe Instandhaltungskosten. Graue Fensterbänder gliedern die Holzfassade im Rhythmus der vier Geschosse. Für diese wurde pulverbeschichtetes Aluminium im Außenbereich und Fichtenholz im Innenbereich verwendet. Faserzementplatten mit einer glatten Oberfläche in „lime-green“ lösen die Fensterbänder in regelmäßigen Abständen auf und lassen ein lebhaftes Fassadenbild entstehen. Alle Fenster entsprechen dem Passivhausstandard und sind hochwärmegedämmt sowie dreifach verglast. An der Süd-, Ost- und Westfassade wurden sie mit hinter der Holzfassade verdeckt liegenden Verschattungselementen verkleidet, die raumweise gesteuert werden können.
Besondere Formgebung
Von außen betrachtet stellt sich der Neubau der Stadtwerke Lübeck als rechteckiger Komplex mit abgerundeten Ecken und unterschiedlichen Seitenlängen dar. Aus der Vogelperspektive heraus gesehen, löst sich der rechteckige Neubau in zwei L-förmige Baukörper auf, die durch ihre Anordnung einen großzügigen und lichtdurchfluteten Innenhof entstehen lassen. Die beiden Baukörper verbindet auf der einen Seite der Eingangsbereich, ein nach Süden ausgerichtetes Foyer von etwa 13,5 m Breite. Die großzügige Fensterfront in Pfosten-/Riegel-Konstruktion aus Brettschicht-Holz mit einer Drei-Scheiben-Passivhaus-Verglasung reicht über alle Geschosse und kennzeichnet eindrucksvoll den Eingangsbereich der Hauptverwaltung. In diesem Bereich wurden keine Decken eingezogen, so dass Konstruktion und Höhe des Gebäudes bis in das dritte Obergeschoss sichtbar sind und ein imposantes Bild entstehen lassen. Von hier aus erschließt ein Treppenhaus in Stahl die Baukörper. Die Geschosse der beiden unabhängigen Gebäudeteile wurden durch Brücken verbunden. Auf der gegenüberliegenden Seite des Foyers befindet sich im Erdgeschoss das Mitarbeiterrestaurant, das auch externen Seminarteilnehmern zur Verfügung steht. Geschosshohe Fenster lassen vielfältige Blicke in den begrünten Innenhof zu. Bei gutem Wetter lädt auch dieser zum Verweilen ein. Eine „Fuge“ zwischen den Baukörpern bildet hier den Ein- und Ausgang zum Innenhof. An dieser Stelle sind die einzelnen Geschosse über offene Außenbrücken verbunden, die durch eine Wendeltreppe vertikal erschlossen werden. Sie dient im Brandfall als externes Fluchttreppenhaus.
Spannung und Dynamik
Durch die L-förmigen Baukörper mit den sich aufweitenden Schenkeln erhält der Neubau eine gewisse Spannung und Dynamik, diese stellte allerdings auch eine besondere Herausforderung im Hinblick auf die konstruktive Umsetzung dar. Durch die Realisierung zentraler Kommunikationsbereiche in den Mittelzonen mit situativ nutzbaren Meetingpoints und Aufenthaltsbereichen konnte diese Dynamik in den Innenraum übertragen werden. Je nach Bedarf und Arbeitssituation können diese Bereiche genutzt werden. Entsprechend finden sich hier individuell gestaltete Meeting-Points sowohl für spontane Teammeetings mit Highdesks für den Anschluss von Laptops als auch in Lounge-Anordnung für den angeregten Austausch. Um einen gemeinschaftlichen Zugriff auf Dokumente zu ermöglichen, wurden in den Mittelzonen neben Druckstationen und Garderoben außerdem sogenannte Teamarchive angeordnet. Aus den Flurbereichen heraus lassen sich die entlang der Außenwände liegenden Büroräume erschließen. Sie sind im Zwei-Achs-Raster von 2,7 m für eine Person oder im doppelten Raster von 4,5 m für zwei Personen ausgelegt. In den Eckbereichen des Gebäudes wurden aufgrund der abgerundeten Außenwände und dem damit verbundenen besonderen Grundriss repräsentative Büros, Besprechungszimmer und Schulungsräume eingerichtet. Die Konferenzräume, die mit modernster Medientechnik ausgestattet sind, können über eine Ressourcendatenbank gebucht werden. Zusätzlich zu den zentralen Konferenzräumen wurden in den einzelnen Geschossen innenliegende Besprechungsräume eingerichtet. Getrennt werden offene und geschlossene Bereiche durch Glaswände. Sie erleichtern die Kommunikation, erhöhen den Lichteinfall und erzeugen größtmögliche Transparenz.
Hölzerne Tragwerkskonstruktion
Das Haupttragwerk des Gebäudes wurde in Holzbauweise errichtet. Es besteht aus Stützen und Trägern aus Brettschicht-Holz, die in ihrer Anordnung über dem Grundriss ein Holzskelett entstehen lassen. Brettsperrholz-Elemente, die über die Stützen- und Trägerkonstruktion spannen, bilden die Geschossdecken und steifen das Gebäude in Anlehnung an die Erschließungskerne in Stahlbeton horizontal aus. Ebenso dienen gebäudehohe Stahlbeton-Wandscheiben, die als Brandwände fungieren, der Horizontalaussteifung. Sie nehmen beispielsweise die auf die Fassade wirkenden Windkräfte auf. Neben den Erschließungskernen wurden auch die Teilunterkellerung und der Gastronomiebereich in Stahlbeton errichtet.
Brandschutzkonzept für Holzkonstruktion
Um u.a. dem Wunsch des Bauherrn nach einer sichtbaren Holzkonstruktion zu entsprechen, lag ein besonderes Augenmerk auf der Erstellung und Realisierung eines Brandschutzkonzepts. Darüber hinaus sollte der Neubau ohne die bei Holzgebäuden in dieser Größenordnung üblichen Kompensationsmaßnahmen wie eine Sprinkleranlage auskommen. Erreicht wurde dies durch die Einteilung des Gebäudes in drei Brandabschnitte mittels gebäudehoher Stahlbeton-Wandscheiben. Diese wurden in weitere kleinere Nutzungseinheiten je 400 m aufgeteilt. Gefordert war eine Feuerwiderstandsklasse von F60. Die Decken-, Stützen- und Trägerquerschnitte wurden aus statischer Sicht so überdimensioniert, dass auch nach einem 60 min andauernden Brand genügend „gesundes“ Holz stehen bleibt. Nicht tragende Innen- und Außenwände wurden mit OSB-Platten und Gipsfaserplatten bekleidet, so dass die erforderliche Feuerwiderstandsdauer erreicht wird. Trennwände wurden in Trockenbauweise mit Metallständerwerk ausgeführt.
Lüftung
In dem Neubau der Stadtwerke Lübeck kommen hohe Dämmstärken und dreifachverglaste Fenster zum Einsatz, so dass das Gebäude eine extrem hohe Dichtheit erreicht. Um eine ausreichende Frischluftzufuhr bei minimalem Energieverlust sicherzustellen, leistet die Haustechnik einen wichtigen Beitrag. Die Lüftung wurde mit einem Wert von 20 m3/(h Person) so ausgelegt, dass mit dieser die komplette Belüftung des Gebäudes möglich ist. Die Lüftungsanlagen, die auf dem Dach aufgestellt sind, wurden mit einer effizienten Wärmerückgewinnung ausgestattet, die einen Wärmebereitstellungsgrad von über 90 % erzielt. Der Stromverbrauch wird dadurch reduziert, dass die Anlagen nur während der Nutzungszeit in Betrieb sind. Die gesamte Lüftung hat einen sehr geringen Druckverlust aufgrund deutlich vergrößerter Filterflächen und einem Kanalnetz mit geringen Luftgeschwindigkeiten.
Für die Nutzer bedeutete die Art der Lüftung nach dem Einzug erst einmal eine Umgewöhnungsphase, da sie es gewohnt waren, bislang stets die Fenster öffnen zu müssen. Inzwischen zeigte sich jedoch, dass dies aus lüftungstechnischen Gründen im neuen Gebäude nicht mehr notwendig ist.
Heizung und Kühlung
Die Wärmeversorgung erfolgt über ein BHKW und einen Nahwärmeanschluss.
Für die Heizlast wurde ein Wert von 10 W/m2 zugrundegelegt, für die Kühllast 5 W/m2.
Die Heizung und Kühlung der Räume erfolgen über aktive Deckenelemente. Sie bieten eine hohe Heiz- und Kühlleistung bei minimalem Frischluftbedarf und erzeugen im Raum eine sehr gute Behaglichkeit. Durch den Einsatz der Deckenelemente entsteht außerdem keine Beeinträchtigung der Nutzflächen. Wärmelasten im Gebäude werden durch die IT-Technik mit einem skalierbaren und damit erweiterbarem Netzwerk, flächendeckendem WLAN und einen wirkungsvollen Sonnenschutz reduziert.
Das Kühlsystem arbeitet mit einer Absorptionskältemaschine (430 kW). Diese erzeugt im Sommer aus der Überschusswärme des BHKW Kälte. Die Wärme des BHKW wird im Winter für die Erwärmung des expandierenden Gases aus der Hochdruckfernleitung benötigt. Im Sommer wird wenig Gas verbraucht und die Überkapazität kann durch die Absorptionskältemaschine genutzt werden.
Holz als atmosphärisches Gestaltungselement
Das Innenraumkonzept des Neubaus wurde nicht nur durch die offene Holzkonstruktion, sondern maßgeblich auch durch die Tragwerkskonstruktion beeinflusst. Stützen und Träger galt es in die Konzeption miteinzubeziehen, so dass die Holzkonstruktion und der Werkstoff Holz als dominierendes, gestalterisch sichtbares Element erhalten bleiben und bewusst hervorgehoben werden. Das Ergebnis ist eine individuelle Raumaufteilung und eine einzigartige Atmosphäre. Um technische Installationen wie Elektrotrassen, Lüftungs- und Wasserleitungen unter den Decken führen zu können, mussten die Unterzüge mit Durchbrüchen versehen werden.
In einigen Bereichen wurden die technischen Installationen hinter Deckensegeln versteckt, in anderen blieben die technischen Einbauten sichtbar, wie Lüftungsrohre- und -auslässe sowie abgehängte Deckensegel mit integrierter Beleuchung, um den besonderen, offenen Charakter des Gebäudes zu unterstreichen.
Klimaschutz anspruchsvoll umgesetzt
In Sachen Klimaschutz setzt der Büroneubau Maßstäbe. Als Passivhaus konzipiert, erfüllt er energetisch höchste Standards. Von der Planung über die Bauphase bis hin zur Auswahl der Gebäudeausstattung wurden die Aspekte Nachhaltigkeit, Effizienz und Klimaschutz berücksichtigt. Zum einen wurde ausschließlich zertifiziertes Holz eingesetzt, zum anderen wurden sämtliche Vorgänge der einzelnen Gewerke und der Beschaffung einer CO2-Bilanzierung unterzogen.
Die Bauteile der Tragkonstruktion stammen aus PEFC-zertifizierten Holz-Ressourcen, das Lärchenholz für die Fassadengestaltung aus FSC-Beständen. Bereits im Bau wurden rund 90 % CO2 gegenüber der Verwendung von herkömmlichen Materialien eingespart. Durch ein Ausgleichsprogramm ist sichergestellt, dass auch das durch die Materialtransporte entstandene CO2 im Laufe einer Generation wieder gebunden wird.
2.438 m³ Holz wurden verbaut. Eine Menge, die in Deutschlands Wäldern in einem Zeitraum von gerade einmal 10 min wieder nachwächst.