Handlungsempfehlungen für die Politik

Aus Concerto-Projekten lernen

22 europäische Projekte der Initiative Concerto (www.concerto.eu) haben über ein Jahrzehnt Erfahrungen mit dem Umstieg auf Erneuerbare Energien in Gebäuden und Wohnquartieren und der Verbesserung der Energieeffizienz des Gebäudebestands in unterschiedlichen Regionen Europas gesammelt. Daraus lassen sich umfangreiche Handlungsempfehlungen für die politischen Akteure auf kommunaler, nationaler und europäischer Ebene ableiten.

Für Volker Stelzer, der beim Karlsruhe Institut of Technology (KIT) im Bereich Technology Assessment and Systems Analysis (ITAS), Concerto Premium, quasi aus der Vogelperspektive auf alle Projekte schaut und Erfahrungen verallgemeinert hat, ist das Monitoring von Projekten ein ganz entscheidender Punkt, den er den Verantwortlichen ans Herz legt. Das Monitoring sei entscheidend, um konkrete Erfolge zu messen und zu sichern: „Concerto hat durch die in seinen Projekten gewonnenen Monitoring-Daten das Potential, zum Maßstab für die am Bau beschäftigten Experten und die Politik zu werden“, betont Volker Stelzer.

Seit 2005 hat die Europäische Union im Rahmen der EU-Initiative Concerto 22 Projekte in 58 Städten kofinanziert, bei denen es darum geht, energieeffizient zu bauen und zu sanieren sowie erneuerbare Energiequellen in einem „intelligenten“ Mix zu nutzen, so z. B. in Projekten in Neckarsulm und Ostfildern. Diese werden von der Europäischen Kommission unterstützt, einzelne Stadtquartiere unter energiepolitischen Zielsetzungen zu gestalten.

Im Zentrum von „Concerto Premium“ stehen der Wissens­transfer und das Lernen aus diesen Beispielen der nachhal­tigen Energienutzung, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie die Themen Energieeffizienz und Reduzierung von CO2. „Concerto Premium“ trägt die Erfahrungen der 22 abgeschlossenen Concerto-Projekte strategisch zusammen. Sie haben der „Smart Cities and Communities Innovation Partnership“ der Europäischen Union den Weg geebnet, die 2012 gestartet wurde.

Gute Daten sind für Monitoring entscheidend

Die Daten für das Monitoring zuverlässig zu beschaffen und vergleichbar zu machen war eine der wichtigsten Herausforderungen. „Wir haben in unserem Projekt fünf Jahre lang Rechnungen gesammelt und haben 2 Mio. Energiedaten aus privaten Haushalten“, berichtet etwa Seamus Hoyne, Koordinator des Projektes SERVE [1]. Schon die reine Datenmenge war eine Herausforderung. Dazu kommt noch, dass viele Rechnungen zunächst Vorauszahlungen enthalten und keine aktuellen Verbrauchsdaten. Und, so ergänzt Rudi Rooth, Koordinator des Projektes ECOSTILER [2], man habe bei Projektbeginn häufig keine alten Verbrauchsdaten als Referenz, um Einsparungen zu messen. Zudem sei es notwendig, die reinen Verbrauchsdaten in Bezug zu setzen zu Informationen wie Anzahl der Bewohner, deren Alter und Lebensgewohnheiten. Es macht einen Unterschied, ob alle Bewohner tagsüber arbeiten oder zur Schule gehen oder ob ein großer Teil der Familienmitglieder zu Hause ist. Da ist es mit einer reinen Datenabfrage nicht getan, es sind oft persönliche Interviews notwendig. Außerdem müssen die Bewohner mit einer Datenerhebung natürlich einverstanden sein.

Und selbst mit diesem Wissen hat man immer noch nur einen Teil des notwendigen Monitorings abgedeckt. „Wir haben uns nach einem Jahr Verbrauchsdaten sanierter Gebäude erneut angesehen und bemerkt, dass der Verbrauch um 40 % höher war als zu Beginn“, berichtet Sylvain Koch-Mathian, Koordinator für das Projekt RENAISSANCE [3]. Die Gründe waren vielfältig: Die Lüftung lief in Bürogebäuden auch nachts wenn niemand da war auf vollen Touren, Heizungen waren nicht optimal eingestellt. Nachsteuerung und Anpassung waren notwendig. Ein Monitoring darf also nicht mit Projektschluss enden. Den Beteiligten muss klar sein, dass sowohl Qualitätskontrolle als auch Überwachung auch im laufenden Betrieb entscheidend sind, um die Vorteile auf Dauer zu sichern.

Qualitätssicherung spielt eine zentrale Rolle

Ein weiterer Punkt, den Volker Stelzer Verantwortlichen nahelegt, ist die Qualitätssicherung bei der Bauausführung, u.a. durch bessere Ausbildung der am Bauvorhaben beteiligten Berufsgruppen. Was gut funktioniert habe, sei die Weiterbildung von Handwerkern vor Ort. „Es wurden zahlreiche Weiterbildungszirkel aufgebaut“, so die Auswertung von Volker Stelzer. Es sei gelungen, die Qualität der energetischen Optimierung, etwa durch die Vermeidung von Wärmebrücken, stärker in den Fokus zu nehmen.

Es gab in den Projekten eine steile Lernkurve der beteiligten Handwerker, bestätigt Seamus Hoyne. Gab es zu Beginn bei der Installation neuer Biomasseheizungen eine Nachbesserungsquote von fast 90 %, waren es zu Projektende noch 5 %. „Die Beteiligten wussten, dass wir ihnen auf die Finger schauen und nur bezahlen, wenn sie die Probleme beseitigen“, berichtet Seamus Hoyne. Dabei ist auch Zusammenarbeit gefragt: Insbesondere müsse man die Kooperation zwischen den Gewerken verbessern, damit nicht ein Handwerker die Arbeit des vorgehenden zunichte mache, meint Sylvain Koch-Mathian. Die erreichten Erfolge können ausstrahlen, betont Volker Stelzer: „Es gibt Projekte, wo in der Region in der Folge des Concerto-Projekts Gebäude mit sehr niedrigem Energiebedarf gebaut werden. Das hängt damit zusammen, dass Bauträger, Architekten und Handwerker diese Themen bei der Planung mit Bauherren nun häufiger ansprechen.“ Hierfür sei es wichtig gewesen, dass Concerto nicht nur in einzelnen Gebäuden angesetzt, sondern komplette Quartiere in den Fokus genommen hat.

Einen Fahrplan für alle Kommunen gibt es nicht

Für den Karlsruher Forscher ist klar, dass Erfolg nicht nur mit einem der untersuchten Bereiche Technologie, Finanzierung und soziale Komponenten möglich ist. Möglich sei es, aus diesen Bereichen sinnvolle Bausteine aufzuzählen. „Einen Fahrplan, der für alle Kommunen gilt, halte ich für schwer machbar“, so der Experte. Es hänge von den lokalen Gegebenheiten ab, ob ein Ansatz stärker über die Finanzierung oder über die soziale Schiene erfolgversprechender ist.

Gleichzeitig sei man bei den Technologien durch die bereits geleistete Arbeit gut vorbereitet. Da gebe es – außer bei denkmalgeschützten Gebäuden – im Grunde nicht mehr viel Entwicklungsbedarf. Mehr Aufmerksamkeit solle man deshalb in Zukunft auf die Entwicklung geeigneter Finanzierungsmodelle legen, rät Volker Stelzer. Seamus Hoyne unterstützt diesen Vorschlag. In Irland übernimmt diese Aufgabe eine Organisation namens NewERA, die Synergien bei Investitionen unterschiedlicher staatlicher und halbstaatlicher Verbünde erschließen soll.

Auch Sylvain Koch-Mathian hat in seinen Projekten in Frankreich und Spanien die Erfahrung gemacht, dass die Überzeugung der Menschen und die Möglichkeit, über Kredite oder andere Maßnahmen die Finanzierung der Gebäudesanierung zu ermöglichen die größte Hürde ist.

Und, so eine Erfahrung von Reto M. Hummelshoj von ECO-Life , man dürfe die Diskussion nicht nur über den Energiebedarf führen: „Städte sind ein Lebensraum. Unsere Vorstellungen müssen von den Menschen akzeptiert werden. Die legen Wert auf eine schöne Nachbarschaft mit guten Transportlösungen, auf Sicherheit für die dort Wohnenden, auf Plätze für Kinder, Läden und die Interaktion die eine gute Stadt oder ein Dorf ausmachen.“

Erläuterungen

[1] SERVE (Sustainable Energy for the Rural Village Environment) mit Testprojekten in North Tipperary, Ireland[2] ECOSTILER (Energy efficient COmmunity STimulation by use and Integration of Local Energy Resources ) mit Testprojekten in Amsterdam, The Netherlands; London-Lambeth, UK; Maabjerg, Denmark[3] RENAISSANCE (Renewable ENergy Acting In SuStainable And Novel Community Enterprises ) mit Testprojekten in Lyon, France and Zaragoza, Spain
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