Bauen 2.0 – Neue Lehrstühle für BIM
So schlimm das Hochwasser im Juni 2013 in Bayern auch war, so gut wäre es gewesen, hätte man die schlimmsten Schäden besser vorhersagen können. Das ist bisher nicht möglich, weil Landschaftskarten und Gebäudepläne nicht in einheitlicher Form vorliegen. Dabei gibt es zentimetergenaue, digitale Höhenkarten, und für Neubauten existieren oft digitale 3D-Modelle, mit denen Architekten ihre Entwürfe dem Bauherrn präsentieren. Allerdings passen die verschiedenen Modelle nicht zusammen. Das wollen die Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) ändern und haben dafür das interdisziplinäre „Leonhard Obermeyer Center“ gegründet.
In Passau lag der Hochwasserpegel im Juni 2013 bei über 12 m. Mit Hilfe von Geoinformationssystemen (GIS) kann man bereits genau vorhersagen, wo das Wasser bei einem solchen Pegelstand wie hoch steht. Trotzdem waren viele Betroffene von den Auswirkungen der Katastrophe überrascht. Ließen sich die Pläne der Infrastruktur, der Gebäude und ihrer technischen Ausrüstung mit GIS kombinieren, wäre es möglich die Hochwasserfolgen sehr genau zu prognostizieren und damit durch passgenauen Hochwasserschutz manchen Schaden zu mindern. Auch ob und welche Teile des Versorgungsnetzes betroffen sind, könnte der Katastrophenstab dann vorhersagen. Zudem ließe sich bestimmen, wie hoch der Pegel in einzelnen Gebäuden ansteigen wird und welche technische Anlagen dadurch versagen könnten.
Ein weiteres Anwendungsgebiet, das von der Integration der unterschiedlichen Systeme profitieren würde, ist die Planung der zweiten Münchener S-Bahn-Stammstrecke. Denn unter den deutschen Städten befindet sich jede Menge Infrastruktur, die beim Entwurf zu berücksichtigen ist. Während heute in mühsamer Kleinarbeit alle Informationen aus unterschiedlichen Plänen von Hand zusammengesucht werden müssen, können vereinheitlichte digitale Daten enorm viel Arbeit und Zeit sparen. Obendrein wären mit einer gemeinsamen Planungsgrundlage alle Beteiligte umfassender über das Projekt informiert und könnten bei Planungskonflikten schneller Alternativen finden.
Fünf Lehrstühle für mehrskalige Planung
Dabei wird für die Planung von Gebäuden und Infrastruktur zunehmend auf ein standardisiertes Building Information Modelling (BIM) gesetzt, mit Details bis zur technischen Ausstattung. Gleichzeitig stehen für die regionale Abbildung des Geländes samt Bebauung und Infrastruktur immer mehr semantische 3D-Stadtmodelle in Geoinformationssystemen (3D-GIS) bereit, die über die Grafik hinaus eine Vielzahl von Sachinformationen beinhalten. Die Herausforderung für die Wissenschaftler der TUM ist es nun, diese Systeme zu integrieren und für so genannte mehrskalige Planungsaufgaben in unterschiedlichen Detaillierungsgraden verfügbar zu machen.
Zu diesem Zweck haben sich die fünf Lehrstühle Computergestützte Modellierung und Simulation, Geoinformatik, Architekturinformatik, Computation in Engineering und Photogrammetrie und Fernerkundung zum „TUM Center of digital methods fort the building environment“ zusammengetan.
Zu Ehren und Gedenken des 2011 verstorbenen Bauingenieurpioniers und Ehrensenators der TU München soll das Zentrum „Leonhard Obermeyer Center“ (www.loc.tum.de) heißen. Als Absolvent des Bauingenieurwesens der TUM gründete Leonhard Obermeyer 1958 das nach ihm benannte Planungs- und Beratungsunternehmen. 1970 promovierte er an der TUM und beteiligte sich 2010 maßgeblich an Gründung der Universitätsstiftung der TU München.
Dr. Leonhard Obermeyer gab bereits 1998 folgendes Statement zur vernetzten Planung:
„Dem Planen muss verstärkt eine modulare Ordnung zugrunde liegen, damit die serielle Fertigung den Aufwand senkt, die Qualität erhöht, künftige Veränderungen ermöglicht, Betrieb und Unterhalt vereinfacht. Das fachübergreifende Planen verlangt einheitliche Datenstrukturen, damit den unerfreulichen Widersprüchen ein Zwang zur Ordnung vorgegeben ist. Die neuen objektorientierten Strukturen der Software sollen die Konflikte bei unterschiedlichen Systemen in der Zukunft vermeiden.“