Das Beste aus zwei Welten
Die Firmen Geberit und Keramag mit ihrem jeweiligen Produktportfolio sind in der TGA-Branche sicher allen ein Begriff. Relativ neu ist jedoch die 2015 vollzogene Verschmelzung beider Unternehmen und die sich daraus ergebenden Folgen für beide Firmen, für das Produktportfolio aber auch für Planer, Betreiber und das ausführende Handwerk. Die tab-Redaktion führte hierzu ein Interview mit Tina Neuber, Renate Schnock und Michael Schröder, die im Produktmanagement Keramik bei Geberit diesen Prozess intensiv begleitet haben.
tab: Auch wenn die meisten Leser sowohl Geberit als auch Keramag als wichtige Anbieter im Bereich Sanitärtechnik kennen – geben Sie doch zunächst bitte einen kurzen Steckbrief für beide Unternehmen ab.
Michael Schröder: Bei Ihrer Fragestellung sind wir schon gleich mitten im Thema. Es geht nämlich nicht mehr um die Beschreibung von zwei Firmen, sondern nur noch um ein Unternehmen: Geberit. Aber dazu später mehr und erst einmal zu Ihrer Frage: Die Geberit-Gruppe ist weltweit tätig und ist europäischer Marktführer für Sanitärprodukte. Unser Hauptsitz ist in Rapperswil-Jona in der Schweiz. Das Geberit-Sortiment umfasst Sanitärsysteme, Rohrleitungssysteme und Badkeramiken. Damit ist Geberit in der Lage, innovative und umfassende Badlösungen aus einer Hand anzubieten. Die Produkte kommen sowohl in Neubauten als auch bei Renovierungen und Modernisierungen zum Einsatz.
Geberit fertigt in 29 Produktionswerken, davon sind sechs in Übersee. Zudem verfügt die Gruppe am Schweizer Hauptsitz sowie in Shanghai über moderne und leistungsfähige Infrastrukturen zur Entwicklung neuer Technologien und Produkte. Mit rund 12.000 Mitarbeitenden in mehr als 50 Ländern hat Geberit 2019 einen Umsatz von rund 2,93 Mrd. € erzielt.
tab: Wie verlief die Integration von Keramag in die Gruppe?
Renate Schnock: 2015 hat Geberit die Sanitec-Gruppe übernommen, zu der z.B. Marken wie Koralle, Sphinx, Varicor und eben auch Keramag gehörten. Danach begann der intensive Prozess der Integration, was bei der Größe von Sanitec eine große Herausforderung war. Zum Beispiel galt es zu bedenken: Wo gibt es Synergien? Was kann man integrieren? Wo kann man voneinander lernen? Kurz gesagt: Es gab eine Fülle von Fragen zu klären. Dazu zählte u.a. auch, welche Markenstrategie verfolgt werden sollte. Wir haben uns genau angeschaut, welche Marke in welchem Land den größten Bekanntheitsgrad hat und dann individuell entschieden. In Deutschland hatten wir bei den Marken Geberit und Keramag eine Patt-Situation. Beide Marken waren bestens positioniert und gleichermaßen bekannt. Bis Mitte 2019 sind wir nach außen hin mit beiden Marken präsent gewesen und haben dann im Juli den Hebel umgelegt. Keramag heißt seitdem Geberit.
tab: Was bedeutete diese Entscheidung ganz konkret für die internen Prozesse und die Außendarstellung?
Tina Neuber: Ein wenig Eigenlob sei uns an dieser Stelle vergönnt: Das war eine logistische Meisterleistung. Z.B. mussten wir allein in Deutschland in rund 1.000 Großhandelsausstellungen alle Keramag-Keramiken durch solche mit Geberit-Logo austauschen. Noch viel umfangreicher, aber nicht ganz so sichtbar nach außen waren die unzähligen administrativen Aufgaben: Anpassungen in Datenbanken und Ausschreibungstexten, Erstellung neuer Broschüren, neuer Werbeunterlagen, neuer Barcodes etc. – ich will Sie und Ihre Leser aber nicht mit zu vielen internen Details strapazieren. Es war jedenfalls eine sehr intensive Phase.
tab: Gibt es auch schon bei den Produkten Veränderungen, die sich durch die Integration von Keramag in die Geberit-Gruppe ergeben haben?
Michael Schröder:
Ein Leuchtturmprojekt in diesem Zusammenhang ist die neue Serie „Geberit ONE“, bei der wir das Beste aus zwei Welten vereint haben: das Geberit-Know-how hinter der Wand und die Keramag-Design-Kompetenz vor der Wand wurde kombiniert zu einem System. Die Vorwand wird hierbei noch konsequenter für die Unterbringung der Sanitärtechnik und als zusätzlicher Stauraum genutzt. Und die puristische Optik überzeugt in gleicher Weise. „Geberit ONE“ steht für reduziertes Design, vereint mit herausragenden Funktionalitäten im Bad.
tab: Belegen Sie dies doch bitte an ein paar Details der Serie.
Renate Schnock: Ein Beispiel ist der Waschtisch mit der dazu passenden freischwebenden Wandarmatur. Oftmals wird in Projekten ein Waschtisch von Hersteller A mit dem Vorwandsystem des Herstellers B und einer Armatur des Herstellers C kombiniert. Bei „Geberit ONE“ kommen alle Teile aus einem Haus und sind aufeinander abgestimmt.
tab: Worin liegt da der Vorteil?
Renate Schnock: Zum einen kommt natürlich das Design aus einer Hand – das sieht man auf den ersten Blick. Aber es gibt auch ganz praktische Vorteile. Wenn die Armatur zur Keramik passt, dann stimmt auch der Winkel, mit dem das Wasser in den Waschtisch strahlt. Die Folge: Es spritzt nichts, alles ist hygienischer und der Nutzer bzw. Betreiber hat einen geringeren Reinigungsaufwand. Dazu trägt auch die Geometrie des Innenbeckens bei. Diese fokussiert den Wasserfluss zum Ablauf und erschwert zusammen mit dem Abflusskonzept die Bildung von Wasser- und Kalkrückständen. Auch das Rückspritzen von Wasser aus dem Ablauf wird sicher verhindert. Die Blende beim Ablauf kann man einfach entfernen, um den integrierten Kammeinsatz problemlos zu reinigen. Ein raffiniertes Gimmick ist auch der Schmuckfänger, der leicht über die obere Verschlussklappe des Siphons zugänglich ist.
Tina Neuber: Auch die Vorteile für den Planer sollte man hierbei nicht vergessen. Er erhält Planungs- und Kalkulationssicherheit und hat einen deutlichen Zeitvorteil, wenn er bei der Auslegung nur ein System im Blick haben muss. Dadurch, dass nahezu die komplette Technik in der Vorwand verschwunden ist, ist alles aufgeräumt. Mit einer Tiefe des Waschtischs von nur 400 mm hat man mehr Platz – auch in engen Bädern –, was auch den Planern die Arbeit erleichtert. Die Vorteile für Planer erkennt man auch bei der Dusche. Mithilfe des Rohbausets wird eine Nischenablagebox zu einem festen Bestandteil des Duschbereichs, dessen Platz verlässlich geplant und schon während der Rohbauphase festgelegt werden kann. Und auch an den Handwerker wurde gedacht: Die Nischenablagebox ist mit einer vormontierten Dichtfolie zur Einarbeitung in die Verbundabdichtung ausgestattet und somit ein fester Bestandteil des Installationssystems. Diese Dichtfolie wird übrigens auch bei unseren bodengleichen Duschwannen eingesetzt und optimiert die Schnittstelle zum Fliesenleger.
Michael Schröder: Bei „Geberit ONE“ haben wir die Schnittstellen vor und hinter der Wand perfekt aufeinander abgestimmt. Das WC ist in diesem Zusammenhang ein Paradebeispiel. Weil ein Teil der Installationstechnik an der Keramik vormontiert ist, lässt sich die Sitzhöhe um bis zu 4 cm verstellen – auch nachträglich, ohne dass man die Vorwand öffnen muss. Ein neu entwickeltes Umlenkgetriebe mit optimierter Kraftübertragung ermöglicht eine einfache und schnelle Montage. Und in Zeiten des Fachkräftemangels sollte man auf Systeme setzen, die einfach und schnell zu montieren sind. Es gibt aber noch weitere Features beim WC: Deckel und Sitzring lassen sich zur besseren Reinigung dank eines speziellen Scharniers werkzeuglos abheben. Und natürlich wurde die von Geberit entwickelte „TurboFlush“-Spültechnik in dem spülrandlosen WC integriert. Wir haben bei „Geberit ONE“ an alle Beteiligten gedacht: den Planer, den Installateur, den Betreiber und den Nutzer. Das System zeigt, wohin die Reise künftig gehen wird bei Geberit, wenn wir unser Know-how vor und hinter der Wand zusammenbringen.
tab: Ist „Geberit ONE“ bislang das einzige Beispiel hierfür?
Michael Schröder: Nein, aber das prominenteste. Die beiden kürzlich neu eingeführten Urinale „Selva“ und „Preda“ sollte man in diesem Zusammenhang auch erwähnen. Bei ihnen kommt man von vorne an den Siphon heran, ohne die Urinale von der Wand schrauben und ohne das Wasser absperren zu müssen. Schauen Sie doch einmal Urinale im Bestand an; da ist bei vielen die Silikonnaht beschädigt und notdürftig und unschön geflickt worden, weil jemand das Urinal bei einer Reparatur von der Wand nehmen musste. Das gibt es bei „Selva“ und „Preda“ nicht mehr. Da steckt das Know-how in der Keramik. Die Liste der weiteren Neuheiten und Detailoptimierungen im gesamten Geberit-Sortiment vorzustellen, würde sicher den Rahmen dieses Interviews sprengen.
Einen grundlegenden Aspekt möchte ich aber noch ansprechen: Viele Handwerker und auch Planer tun sich schwer, wenn sie im Bereich Sanitärtechnik über Design sprechen müssen. Sie sind eher technik-affin und daher dankbar, dass ihnen Geberit über das Design hinaus auch technische Argumente bietet, die sie in Kundengesprächen anführen können.
tab: Wie gelingt es Ihnen, der TGA-Branche diese Fülle an Informationen zu vermitteln?
Renate Schnock: Da sprechen Sie ein Thema an, das Geberit sehr wichtig ist und in das wir viel investieren: die Weiterbildung. Geberit bietet in 29 firmeneigenen Ausbildungszentren ein breitgefächertes Schulungsangebot, das Jahr für Jahr von mehr als 30.000 Fachpartnern genutzt wird. Ferner helfen wir dem Großhandel, den Sanitärinstallateuren, Planern und Architekten mit persönlicher und oft auch projektbezogener Beratung. Unser Außendienst ist bestens geschult und konzentriert sich in der Regel auch auf die jeweiligen Zielgruppen – tab-Leser werden also durch kompetente Berater für Planer betreut. Für ganz detaillierte Anfragen stehen zudem Spezialisten (z.B. für Brand- oder Schallschutz) zur Seite, um Unterstützung zu bieten. Diese Arbeit wird flankiert durch eine breite Palette an technischen Unterlagen, Katalogen und digitalen Tools mit hohem Praxisbezug.
Michael Schröder: Hier möchte ich besonders auf unsere „Pro Planner“-Software hinweisen, die schon lange im Markt ist und von vielen bei der Auslegung und Planung intensiv genutzt wird. Hier werden jetzt auch kontinuierlich die Keramikserien integriert. Man kann also mit einem Tool komplette Bäder vor und hinter der Wand planen. Hilfreich für die Kalkulation und eine verlässliche Planung ist auch der Umstand, dass wir die Lagerhaltung ausgeweitet und in Maßnahmen zur Verbesserung der Lieferfähigkeit investiert haben. Ein Beispiel ist die schon seit Jahrzehnten bekannte und nach wie vor intensiv eingebaute Waschtisch-Serie „Renova“. Hier hatten wir bislang nur die „Dauerläufer“ auf Lager produziert. Das wurde jetzt auf viele weitere Varianten ausgedehnt, so dass sie schneller ausgeliefert werden können. Und für nahezu jede erdenkliche Variante sind bereits Artikelnummern hinterlegt und Produktionsabläufe festgelegt, so dass sie schnell gefertigt werden können.
Tina Neuber: Planer finden im Geberit-Sortiment auch viele Sonderlösungen für spezielle Anwendungen. Hier haben wir uns den individuellen Bedarf der Nutzer und Betreiber genau angeschaut und passende Keramiken entwickelt. Ein Beispiel hierfür ist die kinderfreundliche Serie „Bambini“ mit Waschbecken oder ganzen Waschlandschaften, WCs in der richtigen Höhe sowie farbenfrohen Armaturen und Betätigungsplatten, die in Kindergärten zum Einsatz kommen. Für Schulen gibt es Waschbecken mit integriertem Schwammbecken, kombinierbar mit abschließbaren Unterschränken. Erwähnenswert sind auch die bedarfsgerechten Einzellösungen „Geberit Publica“, für Schulen, Kliniken, Heime, Sportstätten oder die Industrie: Mehrzweckbecken für die Reinigung von Gegenständen, Fußbecken mit niedriger Aufhängung, Ausgussbecken oder sogar Gipsfangbecken für Kunsträume oder Krankenhäuser.
Renate Schnock: Die Befriedigung des individuellen Bedarfs unserer Kunden mit perfekt abgestimmten Lösungen liegt Geberit sehr am Herzen. Damit folgen wir auch einem generellen Trend in der Sanitärtechnik: Kunden wünschen sich größtmögliche Individualisierung im Bad, was Farben, Formen und Oberflächen betrifft. Wir sind z.B. in der Lage, Betätigungsplatten ganz nach Kundenwunsch zu bedrucken – der Kunde erhält also Unikate. Im Bereich der Armaturen und Keramiken ist es zwar nicht möglich, Einzelanfertigungen herzustellen. Aber bei der enormen Vielfalt in unserem regulären Programm können wir die allermeisten Kundenwünsche befriedigen und das Programm wird immer weiter ergänzt.
tab: Versuchen Sie doch bitte zum Schluss die in diesem Gespräch genannten Aspekte in einem Satz zusammenzufassen – gerichtet an die Zielgruppe der TGA-Fachingenieure.
Michael Schröder: Geberit liefert Planungs-, Montage-, Liefer- und Kalkulationssicherheit und ist durch die Integration von Keramag mehr denn je ein Schnittstellenlöser für alle Bereiche in der Sanitärtechnik.
tab: Herzlichen Dank für das Gespräch!