Das aktuelle Baurechtsurteil: Baukostenvereinbarungen

Unstimmige oder überholte Kostenschätzungen

Gerade öffentliche Auftraggeber neigen dazu, Planungsleistungen an Ingenieure oder Architekten erst nach längerer Verfahrensdauer zu vergeben. Oft sind die Kostenschätzungen für die Projekte schon älter, teils weil die erforderlichen Haushaltsmittel fehlten, teils weil sich die politische Durchsetzbarkeit hinzog. Die logische Folge: Unstimmige oder schlicht überholte Kostenschätzungen. In der Praxis hatte nun der Auftraggeber die Möglichkeit, in der Leistungsbeschreibung seine geschätzten Baukosten vorzugeben bzw. die Auftragserteilung davon abhängig zu machen, dass sich die Parteien i.S.d. § 6 Abs. 2 HOAI auf die (zu niedrigen) Baukosten als anrechenbare Kosten einigten. Mit den tatsächlichen Baukosten hatte dies in der Realität nicht (mehr) viel zu tun.

Regelmäßig stellt sich in den in der Einleitung genannten Konstellationen die Frage, auf welcher Grundlage das Honorar, z. B. für den TGA-Planer, berechnet wird. Sind die vereinbarten, niedrigeren, anrechenbaren Kosten oder die tatsächlichen (und meist höheren) Kosten Grundlage der Honorarermittlung? Über einen solchen Fall hatte nun der Bundesgerichtshof zu entscheiden.


Zum Fall

Ein Tragwerkplaner erbringt Planungsleistungen für das Land Rheinland-Pfalz im Zuge der Erneuerung einer Wegüber­füh­rung über die BAB 65. Der Vertrag wird im November/Dezember 2009 geschlossen und sieht ein Honorar von knapp 25.000 € vor. Das Land legt in der Leistungsbeschreibung für die Honorarermittlung geschätzte Baukosten für die Objektplanung in Höhe von 450.000 € und für die Tragwerksplanung in Höhe von 425.000 € zugrunde. Das vereinbarte Honorar wird vom beklagten Land bezahlt.

Nachdem über das Vermögen des Tragwerkplaners zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, verlangt nun der Insolvenzverwalter ein weiteres Honorar von ca. 21.000 €. Der Kläger hält die Honorarvereinbarung für unwirksam. Er ist der Auffassung, § 6 Abs. 2 HOAI sei unwirksam. Das Honorar er­rechne sich (nach den Mindestsätzen) auf der Basis einer vom Trag­werkplaner erstellten Kostenberechnung über anrechenbare Kosten in Höhe von 802.360 €. Demgegenüber vertritt das beklagte Land die Auffassung, die Parteien hätten sich auf die Baukosten von 425.000 € geeinigt. Der fast doppelt so hohe Betrag von 802.360 € sei nicht maßgeb­lich. Das Honorar sei nicht nach § 6 Abs. 1 HOAI über die anrechenbaren Kosten, sondern nach § 6 Abs. 2 HOAI nach den einvernehmlich festgelegten Baukosten zu berechnen.

Das Landgericht weist in erster Instanz die Klage ab. Das Be­ru­fungsgericht spricht demgegenüber einen weiteren Honorar­anspruch zu. Es ist der Auffassung, die Baukostenvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 24 und § 54 der Landeshaushaltsord­nung Rheinland-Pfalz vom 20. Dezember 1971 nichtig.


Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH VII ZR 164/13, Urteil vom 24. April 2014) hält das Urteil des Berufungsgerichtes für im Ergebnis richtig. Er spricht ebenfalls einen Honoraranspruch zu. Allerdings wählt der BGH hierfür eine andere Begründung.

Der BGH hat Bedenken, ob die Baukostenvereinbarung tatsäch­lich gegen die Landeshaushaltsordnung verstößt. Im Ergebnis lässt der BGH diese Frage jedoch offen, weil nicht jeder Verstoß gegen Haushaltsrecht automatisch zur Unwirksamkeit der entspre­chenden Vereinbarung führt. Auf all diese Gesichtspunkte kommt es letztlich nicht an, weil der BGH bereits § 6 Abs. 2 HOAI für unwirksam hält.

Nach § 6 Abs. 2 HOAI (entspricht § 6 Abs. 3 HOAI in der Fassung vom 17. Juli 2013) können die Vertragsparteien, wenn zum Zeit­punkt der Beauftragung noch keine Planungen als Voraussetzung für eine Kostenschätzung oder Kostenberechnung vorliegen, schrift­lich vereinbaren, dass das Honorar auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten einer Baukostenvereinbarung nach den Vorschriften der HOAI berechnet wird. Dabei sind nachprüfbare Baukosten einvernehmlich festzulegen. Mit dieser Regelung verstößt der Verordnungsgeber nach Ansicht des BGH gegen die in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage enthaltene Vorgabe, Mindest- und Höchstsätze für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Honorarordnung verbindlich festzulegen. Denn mit § 6 Abs. 2 HOAI wird den Parteien die Möglichkeit gegeben, das Honorar auf der Grundlage einer einvernehmlichen Festlegung der Baukosten unterhalb der Mindestsätze oder oberhalb der Höchstsätze zu vereinbaren, ohne dass die Voraussetzungen vorliegen, unter denen eine Ab­wei­chung von diesen Sätzen zulässig ist.

Die Regelung des § 6 Abs. 2 HOAI ist nach Auffassung des BGH schon deshalb unwirksam, weil sie durch eine derartige Vereinbarung die Unter­schreitung von Mindestsätzen zulässt, ohne dass ein in der Ermächtigungsgrundlage genannter Ausnahmefall vorliegt. In diesem Zusammenhang betont der BGH, dass die Mindestsätze insbesondere dazu dienen sollen, den vom Gesetzgeber gewollten Qualitätswettbewerb zu fördern und einen ungezügelten, ruinösen Preiswettbewerb zu unterbinden, der die wirtschaftliche Situation der Architekten und Ingenieure und damit auch die Qualität der Planung und die unabhängige Stellung des Planers zwischen Bauherr und Unternehmer beeinträchtigen würde. Der Verordnungsgeber der HOAI sei daher gezwungen, ein für den Architekten oder Ingenieur auskömmliches Mindesthonorar festzusetzen, das durch Vereinbarung nur in Ausnahmefällen unterschritten werden könne. Dem stehe die Regelung des § 6 Abs. 2 HOAI entgegen. Denn danach könne das Honorar frei unterhalb des auskömmlichen Honorars vereinbart werden, obwohl kein Ausnahmefall vorliege. Letztlich werde durch § 6 Abs. 2 HOAI das eigens in § 6 Abs. 1 HOAI konzipierte Berechnungssystem konterkariert. Grundsätzlich nicht verhandelbare Mindestsätze dürften nicht mittelbar umgangen werden. Anderenfalls könne es zu einem unangemessenen Wettbewerbsdruck auf Architekten und Ingenieure kommen, was sich wiederum auf die Qualität der Leistung auswirken könne.


Praxishinweis:

Die Entscheidung führt dazu, dass Baukostenvereinbarungen nach § 6 Abs. 2 HOAI (Fassung vom 18. August 2009) bzw. § 6 Abs. 3 HOAI (Fassung vom der Fassung seit dem 17. Juli 2013) unwirksam und damit für die Honorarberechnung nicht maßgebend sind. Die Neuberechnung des Honorars dürfte in vielen Fällen zu nicht unerheblichen Nachforderungen führen.

Wichtig: Wie der BGH ausdrücklich festhält, hat die Unwirksamkeit von § 6 Abs. 2 HOAI nicht zur Folge, dass die Vertragsparteien keine Honorarvereinbarungen mehr wirksam treffen könnten. Eine solche Vereinbarung muss dann aber im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze und mit Festlegung der anrechenbaren Kosten und den ihnen zugrunde liegenden Faktoren getroffen werden. Eine solche Vereinbarung ist wirksam, wenn sie nicht dazu führt, dass die Mindestsätze der HOAI unterschritten oder die Höchstsätze überschritten werden.

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