Das aktuelle Baurechtsurteil
Verjährungsbeginn im VOB-VertragDie Verjährung von Forderungen ist ein häufiger Einwand im Prozess. Die vermeintlich klaren Verjährungsregeln sind in Wahrheit ein fein gesponnenes Geflecht, bei denen es zuweilen auf Nuancen ankommt. So wieder einmal in der folgenden Entscheidung. Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Hinweis des Auftraggebers nach Abschluss der Schlussrechnungsprüfung, er halte die geltend gemachte Forderung nicht für gerechtfertigt, genügt, um den Fälligkeitseintritt zu verhindern.
Zum Fall
Im Jahre 1999 beauftragte das Land einen Unternehmer mit der Erstellung einer heizungstechnischen Anlage für den Neubau eines Polizeipräsidiums. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B. Die Abnahme erfolgte im Jahre 2003, die Schlussrechnung über einen Restbetrag von knapp 1 Mio. € wird vom Unternehmer 2006 vorgelegt. Das Land überprüft die Rechnung fristgerecht innerhalb von zwei Monaten und lehnt abschließend die Zahlung ab. Die Parteien streiten sodann über die Höhe der Schlussrechnungsforderung. Im April 2007 zahlt das Land schließlich noch weitere 76 000 €. Der Unternehmer klagt im Jahre 2011 einen Restbetrag von 166 000 € ein. Das Land erhebt die Einrede der Verjährung. Zunächst mit Erfolg. Das LG Frankfurt hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
Zur Entscheidung
Das OLG Frankfurt hebt die Entscheidung auf, weil das Landgericht noch der Frage nachgehen muss, ob Verhandlungen den Ablauf der Verjährung angehalten haben. Im Grundansatz bestätigt das OLG aber das Urteil der Vorinstanz und führt zur Frage der Verjährung aus: Die Verjährung des Anspruchs auf die Schlussrechnung nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Fälligkeit eintritt. Fälligkeitsvoraussetzungen im VOB/B-Vertrag ist die Abnahme des Werks, der Zugang einer prüffähigen Schlussrechnung und der Ablauf der Prüffrist, bei früherer Prüfung der Abschluss der Rechnungsprüfung. Dann wäre die Fälligkeit im Jahr 2006 eingetreten und Ende 2008 wäre der Anspruch verjährt (nach den heutigen Regeln, die auf diesen Altfall nicht anwendbar waren, betrüge die Frist drei Jahre ab Jahresende der Fälligkeit, wäre also ein Jahr länger). Die Besonderheit lag darin, dass die Klägerin selbst versuchte, sich auf eine fehlende Prüfbarkeit ihrer damaligen Rechnung zu berufen. Dann hätte diese damals noch nicht zur Fälligkeit der Forderung geführt, sondern erst später nach Behebung der gesehenen Prüfbarkeitsmängel. Für die drohende Verjährung wäre das nun wieder günstig gewesen.
Zu früh gefreut. Das OLG Frankfurt weist zurecht darauf hin, dass mit Ablauf der Prüffrist von zwei Monaten jedenfalls die Fälligkeit entsteht, es sei denn, der Auftraggeber rügt die Prüfbarkeit konkret mit Benennung der Schwachstellen. In dem Hinweis des Landes, wonach keine berechtigten Zahlungsansprüche bestehen, ist aber keine solche Rüge der Prüffähigkeit zu sehen. Der Hinweis kann genauso gut die sachliche Berechtigung der Forderung betreffen, und so ist er auch von der Klägerin lange verstanden worden. Die spätere Teilzahlung des Landes aus April 2007 spricht rückblickend ebenfalls hierfür. Die Rüge der fehlenden Prüffähigkeit muss dem Auftragnehmer unmissverständlich verdeutlichen, dass der Auftraggeber nicht bereit ist, in die sachliche Auseinandersetzung einzutreten, solange er keine prüfbare Rechnung erhalten hat. Eine solche Äußerung fehlt, und die Fälligkeit ist schon 2006 eingetreten. So kommt man an der Verjährungsfrage also nicht vorbei.
Praxishinweis
Das OLG Frankfurt stellt klar, dass es zur Rüge der fehlenden Prüffähigkeit einer Schlussrechnung mehr bedarf, als die Pauschalbehauptung des Auftraggebers, die geltend gemachte Forderung sei „unberechtigt“. Die Möglichkeiten des Auftraggebers, sich allein mit fehlender Prüfbarkeit zu verteidigen, sind in den letzten Jahren durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geschrumpft. Die früher gern gewählte Taktik, erstmals gegen die Klage auf die Prüfbarkeitsbedenken hinzuweisen, geht nicht mehr. Nur im Prüfzeitraum von zwei Monaten hat der Auftraggeber diese Möglichkeit. Darüber freut sich der Auftragnehmer, wird seine Forderung doch nun frühzeitig fällig oder – in Ausnahmefällen – weiß er wenigstens, was der Auftraggeber konkret beanstandet und kann sachgerecht reagieren. Indessen heißt früher fällig auch, dass man sich um die Durchführung entsprechend früher kümmern muss. Der schöne Trick, die eigene Rechnung als „früher gar nicht prüfbar“ hinzustellen, war schon immer riskant. Nun aber ist ihr als Spiegelbild der oben zitierten Rechtsprechung der Boden weitestgehend entzogen.
Mein Ratschlag: Maximal ein Jahr darf die unbezahlte Rechnung liegenbleiben, dann sollte man sich entschließen, was man damit macht. Denn: Es wird durch Zeitablauf nicht besser!
Bezug: OLG Frankfurt, Urteil vom 20. Mai 2014, Az. 6 U 124/13)
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