Die Schwestern der Energiewende

Wenn die Öffentlichkeit über die viel beschworene Energiewende diskutiert, dann stehen überwiegend Themen der Stromerzeugung, der Stromspeicherung und Stromverteilung im Mittelpunkt. Mit der international bestaunten Entscheidung der Bundesregierung, die deutschen AKW bis 2018 vom Netz zu nehmen, wurden Fakten geschaffen, die der Wirtschaft nicht viel Zeit gönnen, die bundesweite Versorgung mit elektrischer Energie auf eine neue, sichere und international wettbewerbsfähige Grundlage zu stellen. Entsprechend heftig sind die Reaktionen der Wirtschaft, wenn die Strompreise infolge der vom Gesetzgeber beschlossenen, ziemlich Strom lastigen Sub­ven­tio­nen, in erschreck­endem Tempo immer höher steigen. Mit dem Erneuer­bare-Energien-Gesetz (EEG) war die inzwischen als gelungen einzustufende Absicht verknüpft, den Weg für die alternative Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu ebnen und eine rasche Implemen­tierung im Markt zu er­rei­chen. Wie oft beobachtet, führen anhaltende Subventionen zu Fehlentwicklungen, deren Besei­tigung von den betroffenen Zielgruppen als schmerzhafter Einschnitt wahrgenommen wird. Andererseits gilt auch, dass neue energiesparende Technologien, die nicht oder vergleichsweise nur gering gefördert werden, sich wegen der zusätzlichen Investitionskosten nur schleppend entwickeln.

Die Energiewende hat weitere leider weniger populäre Schwes­tern. Nennen wir sie Energieeffizienz und Energiesubstitution. Wie kann die bedrohliche Abhängigkeit von den allein schon wegen steigender Nachfrage immer knapper werdenden fossilen Brennstoffen zumindest in den Bereichen reduziert werden, wo nachhaltige Lösungen zur Verfügung stehen? Es ist doch naheliegend, dass bestehende Altanlagen hinsichtlich der Energieeffizienz überprüft und konsequenterweise ausgetauscht werden, um den steigenden Energiepreisen und der vermeidbaren Emission von klimaschädlichem CO2 entgegen zu wirken.

Dank der in Abständen immer wieder novellierten Energieeinsparverordnung (EnEV) hat sich der durchschnittliche Endenergieverbrauch im Neubau in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert. Die Dämmindustrie erlebt einen nie da gewesenen Boom. Doch was ist mit dem gewaltigen Bestand an privaten und gewerblichen Gebäuden, die mit veralteter Heiz- und Kühltechnik ausgestattet sind? Im Automobilbereich hat die Abwrackprämie seinerzeit bewiesen, welche Anschubwirkung zielgerichtete Aktionen entfalten können. Leider zögert hier die Politik schon zu lange, den bestehenden Investitionsstau mit gezielten Anreizen flott zu bekommen. In dem 2011 novellierten Wärmegesetz (EEWärmeG) wurde für den privaten Wohnbau und für Gebäude der öffentlichen Hand festgeschrieben, dass bei der grundlegenden Sanierung von Gebäuden erneuerbare Energien oder ersetzende Maßnahmen in Form eines erhöhten Wärmeschutzes oder Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung einzusetzen sind. Doch wo bleiben die Anreize, die enormen Einsparpotentiale bei gewerblichen Bauten anzugreifen? Hier geht es hauptsächlich darum, die technischen Möglichkeiten zur rationellen Energieverwendung konsequent auszuschöpfen, industrielle Abwärme, erforderlichenfalls auch über die Grundstücksgrenze hinaus, nutzbar zu machen, Kälte- und Wärmeerzeugung zu koppeln, Abwärme temporär zu speichern und vieles mehr. Die meisten Betriebe haben gar kein Heizproblem, sondern viel zu hohe Energieverbrauchskosten.

Vielen Experten in Wirtschaft und Politik ist inzwischen klar, dass die Energiewende ohne eine stärkere Einbeziehung der Wärmebranche nicht gelingen kann, weil 40 % des Endenergie­ver­brauchs allein für Heizung und Kühlung von Gebäuden ver­kon­sumiert werden.

Bisher viel zu wenig beachtet wurde der gewerbliche Gebäudebestand, für den nicht einmal belastbare Schätzungen über das bestehende riesige Einsparpotential zur Verfügung stehen.

Einfache Lösungen aus dem Regal helfen nicht wirklich weiter. Bevor einzelne Komponenten gegen neue, effizientere Produkte ausgetauscht werden, muss zunächst eine ganzheitliche Analyse der bestehenden Betriebsprozesse und des Energiebedarfsprofils erstellt werden. Bedarfe und Abwärme-Quellen könnten miteinander verknüpft werden, wenn das ausgekoppelte Temperaturniveau den Anforderungen des Nutzungssystems entspricht oder beispielsweise durch Wärmepumpen angeglichen werden kann.

Doch wer kann die erforderliche Beratungskapazität zur Verfügung stellen, wenn qualifizierte Fachingenieure fehlen und der große Teil der Energieberater nicht über die erforderliche Ausbildung und Erfahrung verfügen, um derart komplexe Aufgaben anzugehen? Von staatlicher Seite gewährte Zuschüsse für eine Energieberatung decken nur einen geringen Teil des entstehenden Ingenieuraufwandes ab und sind deshalb kein Anreiz für ein engagiertes Anpacken. In Zeiten billigen Geldes helfen zinsverbilligte Darlehen der KfW Bank ebenso wenig wie die unübersichtliche Zahl komplizierter Förderprogramme. Viele Energieeffizienzmaßnahmen erzielen eine deutlich höhere Verzinsung des eingesetzten Kapitals als Bankguthaben derzeit erwirtschaften.

Die gewaltige Aufgabe, vor der die TGA-Branche gestellt ist, kann nur gestemmt werden, wenn traditionelle Gewerke-Grenzen mehr und mehr über­wunden werden, wenn Fach­ingenieure, Hersteller, Anla­gen­bauer für neue Lösungen enger zusammenwirken. Denn eine gute Planung ist auf verlässliche, energieeffiziente Produkte genauso angewiesen wie auf qualifizierte Fachfirmen des Anlagenbaus, die das Ganze zu einer funktionierenden Anlage zusammenfügen. Einzelinter­es­sen, so verständlich sie sein mögen, dürfen die Chancen, die sich aus der Energiewende samt ihrer Schwestern für die TGA ergeben, nicht behindern.

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