„Smart Commercial Building“ planen, bauen und betreiben

Digitale Gewerbeimmobilie: selbstlernendes „Brain“ ergänzt GLT

Zeitgleich mit der Kinopremiere „Die letzten Jedi“, der von Hightech strotzenden „Star Wars“-Legende, stand im EICe Aachen die kommende Evolution einer „intelligenten“, „brain“-gesteuerten Immobilie im Fokus der Fachkonferenz am 13. und 14. Dezember 2017.

Die heutigen technologischen Möglichkeiten einer vernetzten Gewerbeimmobilie wurden an Praxisbeispielen verdeutlicht und ließen die Teilnehmer aus den Gewerken der TGA, FM und IT Zukunftsluft schnuppern. Disruptive Produkte, Technologien, neue IoT-Sensoren und Geschäftsprozesse werden die digitale Gewerbeimmobilie zum „Smart Commercial Building“ umgestalten. Dabei können alle Prozesse in der Wertschöpfungskette der Immobilie vereinfacht und die Bedürfnisse der Nutzer in den Vordergrund gestellt werden, sind sich die Branchenexperten sicher. tab war dabei und führte im Nachgang der Veranstaltung ein kurzes Gespräch (siehe Kasten) mit den Zukunfts­treibern und TGA-Ingenieuren der Drees & Sommer SE, Klaus Dederichs, Associate Partner und Head of ICT, und Frank Kamping, Associate Partner und Experte für Gebäudetechnik.

Digitalisierung, Optimierung der Prozesse, Business Transformation und Business Innovation, aber auch „Cyber Security“ waren die zentralen Themen der Veranstaltung. Zur Fachkonferenz Digitalisierung und Smart Commercial Building hatten Drees & Sommer gemeinsam mit dem Management Forum Starnberg zum Cluster Smart Logistik an der RWTH Aachen eingeladen. Der bereits im Bau befindliche „cube berlin“ von CA Immo soll durch künstliche Intelligenz, auch als KI oder „Brain“ bezeichnet, die Gebäudetechnik mit Prozessen vernetzen und somit das in Amsterdam stehende „The Edge“ als bisher „intelligentestes“ Gebäude in Europa ablösen. Das Democenter „com cube berlin“ befindet sich seit 16. August 2017 im EICe Achen. Die Fertigstellung des Gebäudes am Berliner Hauptbahnhof sei bis zum Frühling 2019 zu erwarten. Der cube berlin wird bereits jetzt im Demo- und Testcenter in Aachen von CA Immo und Drees & Sommer in Betrieb genommen. Im „The Edge“ wurden mehrere zehntausend Sensoren verbaut, mit der Integration des Brains im „com cube berlin“ werden ca. 3.000 Sensoren ausreichen. Das durchaus spannende und lehrreiche Programm wurde dann noch mit weiteren Wissenspfunden garniert. Das „intelligente“ Gebäude in der „Smart City“ stand für Gerhard Wittfeld, Geschäftsführender Gesellschafter kadawittfeldarchitektur, auf dem Lehrplan. Thomas Simon, Geschäftsführer ComConsult Beratung und Planung GmbH, berichtete über die Digitalisierung und Sicherheit moderner Gebäude.

Eine Branche wächst zusammen: IT-Gebäudeautomation

Die Besonderheit am cube berlin ist die Vernetzung aller Systeme in dem sogenannten Brain, das den Gebäudebetrieb steuert. Das Brain lernt durch die Nutzer, die Umwelteinflüsse und die Vorgaben des Betreibers ständig weiter und optimiert so den Betrieb des Gebäudes.

Neue Technologien wie All-in-Sensoren, Trackingsysteme, EnOcean-Funktechnologien, Bluetooth-Zutrittkontrollsys­teme, Beacon-Steuerung, IoT-Sensoren, Indoor-Navigation, etc. könnten Schalter oder proprietäre Bussysteme ablösen. Ebenso müsse die Profinet oder BACnet-Welt mitdenken und bei der Cybersicherheit stark nachrüsten, so diese oder ähnliche Systeme nicht durch „Automation over IP“ mit API/Rest-Schnittstellen abgelöst werden. Einfach nachgerüstet ermöglicht die zusammengefasste IT-GA-Branche eine neue interaktive Gebäudetechnik. In der Folge werden kabelgebundene Fühler, KNX und Co, nur noch geringfügig, ggf. für „Smart Home“-Anwendungen, am Markt benötigt“, ergänzt Klaus Dederichs.

„Neben der Projektentwicklung ist CA Immo vor allem Bestandhalter und entsprechend leitet uns unser Gebäudeportfolio und vor allem die Bedürfnisse unserer Mieter bei der Entwicklung des cube berlin. cube berlin ist für uns aktuell in technischer Hinsicht die innovative Speerspitze unserer Projektentwicklung“, beschreibt Matthias Schmidt, Leiter Development Deutschland CA Immo AG, die Motivation.

Das Gebäude werde sowohl im Bereich des klassischen Gebäudebetriebs als auch hinsichtlich vielfältiger Nutzerservices und den Bürobetrieb voll digitalisiert sein, verspricht er. Das europa­weit einzigartige sei dabei die vollständige Vernetzung aller Bausteine in einem zentralen „Brain“. Dieses „Brain“ lerne aus dem laufenden Betrieb, durch die Umwelt und die Mieter im Gebäude und optimiere dadurch das Gebäude fortwährend.

„Wir möchten hier möglichst viel auch für unseren europaweiten Gebäude­bestand mit einem Wert von rund 4 Mrd. € lernen. Vieles von dem, was wir hier nun schon in der Bauphase tes­ten, können wir auch später im Bestand nachrüsten“, ergänzt Matthias Schmidt. Die GA ist dabei ein wichtiger Bereich um Architektur und Funktionalität zu verbinden.

Das FM vom cube befindet sich derzeit noch in der Ausschreibungsphase. Bisherige Erfahrungen haben aber gezeigt, dass GA- und IT-Spezialisten noch zu wenig miteinander kommunizieren. 2018 werden daher Experten beider Gewerke nochmals zu Gesprächen nach Aachen eingeladen.

Interview

Auf den Punkt gebracht: die tab fragt nach

tab: In der Raumluftkonditionierung wird häufig von einer bedarfs- bzw. nutzungsgerechten Volumenstromermittlung gesprochen. Welchen Mehrwert könnten innovative Produkte bzw. Technologien in der Prozessoptimierung einbringen?

Frank Kamping: Die Ermittlung der Volumenströme wird auch künftig durch Berechnungen in der Planung von Gebäuden erfolgen. Durch Trackingsensoren und Luftqualitätsfühler kann die Luftqualität in Abhängigkeit der Raumnutzung und Raumbelegung automatisch nachgeregelt werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Steuerung über eine App, die bspw., mit Outlook gekoppelt, Lüftung, Licht und Energie nach der Raumbelegung und Teilnehmerzahl regelt.

tab: Wer soll oder kann das FM in der digitalen Welt künftig handhaben? 

 

Klaus Dederichs: Der Versorgungstechniker und Architekt nutzt bereits im privaten Umfeld digitale Werkzeuge. Damit die Mehrwerte der Digitalisierung auch im Gebäude genutzt werden können, muss aber in allen Baugewerken ein Umdenken beginnen. Die Aus- und Weiterbildung und die Hochschulen müssen sich auf die Schnelligkeit der Veränderung durch die Digitalisierung einstellen und von der starren „Old School-Methode“ auf neue Lernmethoden umsteigen. Nachwuchs und Fachkräfte müssen her, hier ist die Politik gefordert. Es braucht den Digitalisierungsexperten, der die TGA-Fachplaner und die Architekten schon beim Projektstart unterstützt.

Mit der digitalen Transformation muss auch die HOAI entstaubt werden, wenn sie in der neuen Planungswelt überhaupt noch benötigt wird.

tab: Kurz knapp knackig: Was wird das Alleinstellungsmerkmal des TGA-Fachplaners 2020 sein?

Klaus Dederichs: Für ihn sollten IT und Cybersicherheit selbstverständlich sein – aber auch tiefe Produktkenntnisse, denn nicht jedes Produkt bzw. jede Technologie erfüllt die hohen Anforderungen an eine störungsfreie GA.

Frank Kamping: Elektroningenieure müssen sich jetzt für IT qualifizieren. Durch das Volumen an Digitalisierungsmaßnahmen wird der Break Even schnell erreicht sein. Trotz aller Komplexität erst grübeln, dann dübeln.

Das Interview für die tab führte Uwe Manzke, Freier Journalist, IWP Wissenschaftsredaktion, 10207 Berlin.

Frage und Antwort

Wird sich die Digitalisierung in der Gebäudeautomation durchsetzen?

IT muss auch TGA sprechen und umgekehrt, so Nils Lange als TGA-Verantwortlicher bei Gruner + Jahr GmbH & Co KG (https://www.guj.de) in Hamburg.

Die Themen waren sehr inspirierend und bildeten das Innovationspotential in Deutschland überzeugend ab. Neue Spin Offs und Technologien treiben die GA der Zukunft so bereits heute voran. Als Betreiber lassen sich in der Kombination von GA und IT etliche Mehrwerte erkennen.

Frage und Antwort

Wird sich die Digitalisierung
in der Gebäudeautomation
durchsetzen?

Für den studierten TGA-Facherrichter Dan Fischer, Berliner Niederlassungsleiter SPIE Fleischhauer GmbH (http://www.spie.com), steht fest, dass in der Gebäudetechnik ein komplettes Umdenken bei der Errichtung, Nutzung und dem Betrieb von Gebäuden stattfinden muss.

Die Veranstaltung spiegelte alle Facetten der künftigen technischen Ausrichtung wider. Sie zeigte, dass sich mit der IT-/GA-Kombination die Branche komplett verändern wird. Auch der Wartungsservice wird sich zukünftig immer mehr auf einer digitalen Ebene bewegen. Services werden granularer, Wartungen werden nach technischer Anforderung durchgeführt. Die von Maschinen erzeugten Datenwolken schaffen es, kundenspezifische Mehrwerte, wie z.B. angepasste Services, zu generieren. Die bisherigen klassischen inselbasierten Schwachstrom- und z.T. elektrotechnischen Gewerke werden sich daher immer weiter in Richtung IP-fähiger Netze verlagern.

Zu viele Projekte und zu wenig Planer zögern diese, nicht mehr aufzuhaltende, signifikante Umwälzung hinaus. Dennoch müssen sich unsere Kollegen neben dem Tagesgeschäft auch für IT-geführte GA qualifizieren.

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